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Aus der Neuen Solidarität Nr. 25/2008

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Treibstoffproteste gegen die Untätigkeit der Institutionen

Während sich schon überall in Europa Unruhen und Proteste gegen die Folgen der Hyperinflationskrise ausbreiten, demonstrierten die EU-Arbeitsminister mit ihrem Beschluß, die maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 auf 65 Stunden anzuheben, was uns noch bevorsteht.

Man kann es gar nicht oft genug betonen: schon das Europa in seinem jetzigen Zustand, das Maastricht-Europa nämlich, liefert tagtäglich Gründe, mit aller Entschlossenheit zu verhindern, daß ab 2009 das Lissabon-Europa in Kraft tritt. Und vielleicht dämmert es langsam auch den bisher ziemlich untätigen Gewerkschaften, daß es schon längst höchste Zeit zum Handeln ist - denn gerade erst schockierte der skandalöse Beschluß der 27 Arbeitsminister, europaweit die Höchstgrenze für wöchentliche Arbeitszeiten von 48 auf 65 Stunden anzuheben.

Ein genauso großer Skandal ist hier, daß die Briten sich wieder einmal  nicht an diesen Beschluß gebunden fühlen, was die Londoner Linie veranschaulicht, daß man alle möglichen neoliberalen EU-Grausamkeiten für die Kontinentaleuropäer tatkräftig mit vorantreibt, sich selbst jedoch stets das Sonderrecht (wie auch beim Lissabon-Vertrag) einräumt, das alles nicht oder nur teilweise mitzumachen.

Daß die Kontinentaleuropäer das alles überhaupt dulden, ist der allergrößte politische Skandal überhaupt. Zu De Gaulles Zeiten hätte es das nicht gegeben, der hat die Briten erst gar nicht in die EG, den Vorläufer der EU, hineingelassen. Stünde Frankreichs derzeitiger Präsident Sarkozy in der Tradition De Gaulles, dann hätte er sich längst dafür eingesetzt, die Ablösung des britischen Handelskommissars Peter Mandelson in Brüssel zu fordern.

Die Franzosen hätten in der Tat gerade dieser Tage genügend Gründe, nicht nur das zu tun, sondern auch noch die gesamte EU-Kommission zu blockieren. Die maßt sich nämlich an, der Regierung in Paris zu untersagen, etwas zur Unterstützung der wegen der Erdölspekulation auf den Spot-Märkten wie Rotterdam - und der dadurch explodierten Dieselpreise - in Not geratenen französischen Fischer, Lastwagen- und Krankenwagenfahrer zu tun. Brüssel verlangt sogar von Paris eine Strafzahlung von 65 Millionen Euro wegen „unerlaubter“ Zuschüsse an die schon 2006 an den Rand des Ruins geratenen Fischer. Paris hat also die Wahl: entweder setzt man sich in Widerspruch zur EU und hilft den eigenen Landsleuten in einer Notlage, oder man stellt sich auf die Seite der EU und überläßt die Franzosen den Raubtieren des „freien Marktes.“

Vor dieser Alternative stehen auch alle übrigen Regierungen in Europa. Paris hat zunächst einmal 40 Millionen Euro bereitgestellt, damit die Fischer nach fast drei Wochen ihre Blockade der französischen Häfen wieder aufhoben. Allerdings blockieren jetzt die Lastwagenfahrer, hierbei von ebenso über die Untätigkeit der Regierung aufgebrachten Landwirten unterstützt, überall in Frankreich Straßen, Brücken, Zufahrtswege zu Mineralöldepots und dergleichen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Im Nachbarland Spanien ist nach ebenfalls wochenlangen Protesten die Streiklage unter den dortigen Lastwagenfahrern schon so radikalisiert, daß in vielen Geschäften die Auslagen mit Gemüse und anderen Frischwaren leer werden, weil das Transportwesen lahmgelegt ist. In Spanien wie auch im benachbarten Portugal, wo das Durchschnittseinkommen wesentlich unter dem Niveau von Deutschland liegt, ist es absurderweise für Transportunternehmer trotz der Verluste durch ausfallende Transporte billiger zu streiken, als wenn sie Güter bei den jetzigen Dieselpreisen transportierten.

Das ist wie bei den deutschen Milcherzeugern, wo vor der gerade erst durch 10 Tage landesweiten „Milchstreik“ erkämpften Ankaufspreiserhöhung es absurderweise billiger war, die Milch einfach wegzuschütten, als sie in die Molkereien zu liefern, deren Ankaufspreise nicht einmal  die Erzeugerkosten der Landwirte decken. Oder man nehme die italienischen Taxifahrer, für die es kaum noch Sinn macht, Passagiere herumzufahren, weil das Fahrtgeld die Kosten für den Diesel kaum deckt. Und bei alledem muß man beachten, daß der Erdölpreis immer weiter ansteigt - auf 140, 150, demnächst 200 Dollar, dann 250 Dollar usw.

So weit hat die EU-Politik also die Lage heruntergewirtschaftet, indem sie völlig untätig zuschaut, wie am Rotterdamer Erdöl-Spotmarkt Spekulanten wie George Soros Riesengewinne abräumen, während in allen europäischen Ländern ganze Berufsstände schon bei den jetzigen Treibstoffpreisen nicht mehr existenzsichernd arbeiten können. Treibstoff und Nahrungsmittel gehören nicht in die Hände spekulativer Interessengruppen, sondern sie sind Grundgüter zur Sicherung von Wirtschaft und Leben, also des Gemeinwohls, und gehören darum unter die Kontrolle des Staates.

Dies muß auch die Hauptforderung der streikenden und protestierenden Berufsgruppen und Gewerkschaften werden. Überall in Europa flammt jetzt Unruhe auf: In Polen gab es schon Warnstreiks von 50.000 Lastwagenfahrern, und in Italien wird der Lastkraftsektor Ende Juni fast  eine Woche streiken. In England wird es am 2. Juli eine erneute Proteststernfahrt tausender  „Truckers“ nach London geben, auch in den Niederlanden planen Lastwagenfahrer einen mehrtägigen Streik noch im Juni.

Eine ähnlich kritische Lage herrscht außerhalb Europas, vor allem dort, wo schon vor den letzten Ölpreissteigerungen größere Bevölkerungsteile auf Treib- oder Heizstoffzuschüsse ihrer eigenen Regierungen angewiesen waren. Einer der Gründe, die jetzt zum Abbruch der Welthandelsrunde (Doha-Runde der WTO) geführt haben, war die arrogante Forderung der Industriestaaten, denen ja die meisten der weltmarktbeherrschenden Handelskartelle gehören, daß die Entwicklungsländer staatliche Zuschüsse im Treibstoffsektor einstellen und ihre „Märkte“ öffnen, so daß sich das Preisniveau angeblich „auf ein realistisches und nicht marktverzerrendes Niveau einpendeln“ könne.

Die Hungerunruhen in 37 Staaten noch deutlich vor Augen, haben sich etliche Regierungen  berechtigterweise geweigert, unter diesen WTO-Bedingungen weiterzuverhandeln und sich auch noch Treibstoffrevolten auszusetzen. In Indonesien, in Südkorea, in Thailand und in Hong Kong ist es schon zu landesweiten Unruhen und Protesten gegen die Diesel- und Benzinpreise gekommen. Die Lastwagenfahrer sind dort ebenso wie ihre Kollegen in Europa in die schlimme Lage geraten, daß es „mehr Geld kostet, wenn man arbeitet, so daß es besser ist, nicht zu arbeiten“, wie thailändische Zeitungen am Mittwoch Thongu Kongkhan, den Generalsekretär der  nationalen  Transportgewerkschaft, zitierten. Und wie in Europa werden in Asien Forderungen nach Senkung der Treibstoffsteuern einerseits und nach Anhebung von Regierungszuschüssen zu Treibstoffkosten andererseits erhoben.

Doch selbst wenn die Regierungen darauf eingehen, löst das nicht das Problem, daß der Welthandel mit Erdöl seit der Ölkrise von 1973-74 überwiegend von Spotmärkten wie dem in Rotterdam kontrolliert wird, wobei britische Finanzhaie wie George Soros, die mit dem Erdölgeschäft eigentlich gar nichts zu schaffen haben, durch ständig wechselnde Termingeschäfte die Preise unabhängig vom Umfang der Welterdölförderung künstlich hochtreiben.

Man nennt das „Papieröl“, also Transaktionen mit Erdöl, das es früher nur auf dem Papier gab und das heute sogar nur als Buchungsposten im Computer existiert, das schon wieder weiterverkauft wird, ehe es tatsächlich angeliefert wurde. Man sieht, wie sich so der Faßpreis für Rohöl innerhalb kürzester Zeit von einem Grundpreis von nicht einmal 5 Dollar an der saudiarabischen Förderstätte auf den Spotmarktpreis von 130 Dollar erhöht.

Keine Regierung der Welt hat so viel Geld, daß sie solche von Spekulanten verursachten Differenzen ausgleichen kann, indem sie durch Zuschüsse und Steuererleichterungen ihren Bürgern hilft, die ständig steigenden Preise für Diesel, Benzin und Heizöl zu bezahlen. Es ist ein Teil der dringend notwendigen weltwirtschaftlichen Neuordnung, daß Treibstoffe ebenso wie Nahrungsmittel als Grundgüter anerkannt werden, die unter staatliche Obhut gehören und nicht  Finanzhaien als beliebige Spekulationsware zur Verfügung stehen. Es ist ein Teil des Neuen Bretton Woods, daß diese Probleme endlich durch langfristige, spekulationsfreie Abkommen zwischen Erzeuger- und Verbraucherländern zufriedenstellend gelöst werden, ehe es weltweit zu Unruhen darüber kommt. Die WTO, das Maastricht-Europa und der Lissabonner Vertrag dagegen gehören in ein leeres Erdölfaß oder einen Abfallcontainer mit einem festen Verschluß obendrauf, ehe sie noch mehr Schaden anrichten.

Rainer Apel

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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