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Aus der Neuen Solidarität Nr. 26/2008

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Schluß mit dem unwürdigen Lissabon-Spektakel!

EU. Europas Spitzenpolitiker wollen das irische „Nein“ zum Lissaboner Vertrag offenbar nicht akzeptieren. Die österreichischen Sozialdemokraten zeigten, was den europäischen Politikern bevorstehen kann, wenn sie an dieser unsozialen Politik festhalten: Sie entzogen Bundeskanzler Gusenbauer den Parteivorsitz.

Es ist schon dreist, wie Merkel und Kollegen trotz aller den Versuch machen, wie jetzt beim Brüsseler EU-Krisengipfel, den Lissabon-Vertrag doch noch irgendwie zu retten. 5 Millionen Iren dürfte man nicht erlauben, über das Schicksal von 450 Millionen Europäern zu entscheiden, sagte Frau Merkel, unmittelbar nachdem das Resultat des irischen Referendums bekanntgegeben wurde.

Die Frage, die Frau Merkel vielmehr beantworten muß, ist die, warum 450 Millionen Europäern das Recht auf ein Referendum verwehrt wurde, das die Iren haben. Die Frage, die Herr Sarkozy beantworten muß, ist die, warum die Iren seinem Vorschlag gemäß ein zweites Mal abstimmen sollen, wenn der Rest der EU nicht ein einziges Mal abstimmen durfte. Und EU-Parlamentspräsident Pöttering sollte die Frage beantworten, warum seiner Meinung nach das „Ja“ von 18 EU-Staaten mehr wert sei wie das irische „Nein“ und man deshalb einfach weiter machen sollte mit der Ratifizierung.

Hieß es nicht vor dem Referendum, der Lissabon-Vertrag müsse von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, und wenn nur ein Staat dagegen stimme, sei er nicht ratifiziert und könne nicht in Kraft treten? Jetzt plötzlich, nach dem „Nein“ der Iren, soll das alles nicht mehr gelten? Im übrigen reden alle Eurokraten immer nur von den Iren - daß der Lissabon-Vertrag auch in Polen und in Tschechien blockiert ist, wird einfach verschwiegen. In Polen hat der Präsident die Urkunde über die Ratifizierung bisher nicht unterschrieben, weil die Polen noch nachverhandeln wollen, und in Tschechien liegt der Ratifizierungsprozeß solange auf Eis, bis das oberste Gericht den Vertrag auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft hat - und das kann dauern, vermutlich noch länger als das Abwarten des polnischen Präsidenten. Auch in Deutschland hindert ein schwebendes Verfahren vor dem Verfassungsgericht den Bundespräsidenten an der Unterschrift.

Frau Merkel versuchte am vergangenen Montag noch einmal, bei den Polen Druck zu machen, als sie spontan in Danzig mit dem polnischen Premierminister zusammentraf. Gleichzeitig versuchte Herr Sarkozy sein Glück in Prag. Der tschechische Präsident ließ - übrigens über ein Zeitungsinterview, denn ein Zusammentreffen mit Sarkozy kam gar nicht zustande - ausrichten, er halte nach dem irischen Votum die Ratifizierung für abgebrochen, der Vertrag sei gescheitert, man solle dieses „elitäre Projekt“ nicht länger verfolgen.

Dieses ganze, unerfreuliche Europa-Spektakel ist ein Lehrstück darüber, was die Bürger Europas zu erwarten hätten, wäre der Lissabon-Vertrag erst einmal in Kraft getreten: offene Mißachtung der demokratischen Rechte der Bürger, ihrer nationalen Verfassungen und Institutionen. Politiker wie Merkel, Sarkozy und Brown führen gerade für jedermann sichtbar vor, wie ihre Idee von „Europa“ aussieht und bestätigen noch einmal, was die Kritiker des Lissabon-Vertrags schon seit langem sagen, nämlich, daß der Vertrag ein diktatorisches Regime errichten würde.

Demokratisch war dagegen das ursprüngliche Angebot der Vertragsgegner in Irland, das Referendum möglichst frühzeitig abzuhalten, so daß der Rest Europas rechtzeitig wisse, ob es noch Sinn mache, mit dem Ratifizierungsprozeß fortzufahren. Auf das Angebot ging der damalige irische Premier Ahern in Absprache mit den übrigen 26 Regierungen der EU nicht ein und schob den Termin für das Referendum immer weiter hinaus. Der Hintergedanke bei der Hinausschiebung war eben, daß innerhalb einiger Wochen die Ratifizierung im übrigen Europa durchgeboxt wäre, so daß unter diesem Druck die Iren dann einfach mit „Ja“ stimmen müßten. Deshalb das brutale Vorpreschen von Sarkozy mit der französischen Ratifizierung, um die Richtung für alle anderen Länder vorzugeben. Das Hinausschieben in Irland nützte aber den Gegnern des Vertrages, weil diese nun mehr Zeit hatten, die Widerstandsbewegung aufzubauen, wobei der LaRouche-Bewegung die besondere Rolle zukam, auf eine wirtschaftliche Alternative zum maroden Maastricht-Europa zu dringen.

Den Eurokraten unterlief also ein schwerer Fehler, weil sie sich absolut taub stellten gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Problemen für weite Teile der europäischen Bevölkerung, die als Nachwirkung des Ausbruchs der Weltfinanzkrise im Juni 2007 mit der Nahrungsmittel- und Treibstoffinflation gerade in den vergangenen Wochen drastisch zugenommen haben. Arbeitnehmer, Arbeitslose und Landwirte stimmten in Irland im Referendum mehrheitlich mit „Nein“, eben weil es derzeit die einzige Chance war, sich in Wahlen bemerkbar zu machen.

Ein ähnlicher Vorgang spielt sich derzeit in Österreich ab, wo die Sozialisten im Parlament vor einigen Wochen noch einmal gezwungen werden konnten, die massiven gewerkschaftlichen Proteste gegen den Lissabon-Vertrag nicht zur Kenntnis zu nehmen und den Vertrag trotz aller Bedenken zu ratifizieren; vier Tage nach dem irischen Referendum beschloß die Parteiführung der SPÖ dann plötzlich, Bundeskanzler Gusenbauer wegen seiner sozialfeindlichen Politik und weil er sich an die neokonservative Politik des konservativen Koalitionspartners angepaßt hatte, den Parteivorsitz zu entziehen. Fänden jetzt Wahlen in allen europäischen Ländern statt, würde es so manche Überraschung und so manchen Regierungswechsel geben, weil die Wähler von der Einsparpolitik und der Inaktivität ihrer nationalen Regierungen angesichts der Wirtschaftskrise und der steigenden Lebenshaltungskosten die Nase voll haben, und die Wähler wissen auch, daß diese Politik mit dem Maastricht-Europa unmittelbar zu tun hat.

Statt das peinliche Lissabon-Spektakel noch eine Minute länger aufzuführen, wäre es für die EU-Regierungen viel dringender, endlich Lösungen zu finden für die Überwindung der Wirtschaftsdepression. Das Lissabon-Projekt gehört in den Mülleimer, und man muß anfangen, Politik für die 70-80 Prozent der Bevölkerung zu machen, die am stärksten unter den Auswirkungen der Krise leiden. Genau das ist die Botschaft des irischen Referendums, die Merkel, Sarkozy und Brown bisher nicht hören wollten. Nun, wer nicht hören will, muß fühlen, heißt es ja, und da könnte es den genannten Politikern und etlichen anderen bald genauso gehen wie dem Herrn Gusenbauer in Wien. Die Völker Europas haben einen Anspruch darauf, von besseren Politikern regiert zu werden.

            Rainer Apel

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