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Aus der Neuen Solidarität Nr. 29/2008

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Der Bock als Gärtner?

Nachdem es offensichtlich mißlungen ist, durch den Lissaboner Vertrag die wirtschaftspolitische (und sonstige) Entmachtung der nationalen Regierungen in Europa verfassungsrechtlich zu zementieren, haben die Neokonservativen in Deutschland eine neue Offensive gestartet, um dies jetzt durch Änderungen des Grundgesetzes zu erreichen. Als Vorwand dient dafür die Diskussion über die Staatsverschuldung im Zusammenhang mit der „Föderalismus-Reform“. Schon vor einigen Wochen hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch gefordert, die bestehenden Altschulden von Bund und Ländern „in einen Schuldenfonds zu überführen und danach keine Haushaltsverschuldung mehr zuzulassen.“

Nun stieß ausgerechnet der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, ins gleiche Horn. „Die existierende Regelung, nach der die Neuverschuldung die Investitionen nicht übersteigen soll, hat sich offenkundig nicht als effektiv erwiesen“, sagte er der BILD am SONNTAG (6. Juli). „Ich bin davon überzeugt, daß eine striktere Vorschrift - sei es ein Schuldenverbot, seien es verbindliche Obergrenzen - mehr bewirken würde.“ Die immense Staatsverschuldung sei schon heute „eine Gefahr für die Leistungsfähigkeit des demokratischen Rechts- und Sozialstaats.“

Mit dieser Feststellung mag Papier sogar Recht haben, aber er übersieht, daß diese große Schuldenlast vor allem eine Folge der Maastricht-Konditionen ist, die den Staat in den letzten 15 Jahren daran gehindert haben, sich an die von Papier zitierte „existierende Regelung“ zu halten. Denn wenn die Neuverschuldung die Investitionen nicht übersteigen soll, heißt dies im Umkehrschluß offensichtlich, daß der Staat mehr investieren muß, als er an Schulden aufnimmt - aber genau diese Investitionen verhinderte Maastricht. Die Folge war eben jene Massenarbeitslosigkeit, die den Staatshaushalt ruinierte.

Aber anstatt aufgrund dieser Entwicklung - was schon längst hätte geschehen müssen - die Verfassungswidrigkeit des Maastricht-Vertrages festzustellen, verordnet Papier noch mehr von dem Gift, das den Staat krank gemacht hat. Dabei ist er übrigens keineswegs einfallsreich, denn der Vorschlag, einen „ausgeglichenen Haushalt“ gesetzlich oder verfassungsmäßig vorzuschreiben, machten die Jakobiner in den USA um Newt Gingrich - der ausdrücklich Robespierre als sein Vorbild bezeichnete - schon in den neunziger Jahren.

Papier warnte in seinem Interview eindringlich vor einer Überforderung des Staates durch „immer neue Aufgaben... Der Staat kann nicht alles richten“, sagte er. „Der Staat kann sich nicht zum Vollversicherer für alle privaten und gesellschaftlichen Risiken entwickeln. Wir müssen die Selbstverantwortung stärken.“ Wenn der Staat immer mehr Aufgaben an sich ziehe, diese aber mangels finanzieller Mittel nicht zufriedenstellend erledigen könne, „schwindet noch mehr Vertrauen in die Demokratie“.

Tatsache ist, daß der Staat sich in den letzten Jahrzehnten leider vor immer mehr Aufgaben gedrückt hat - insbesondere vor der Aufgabe, die Finanzmärkte so zu ordnen und soviel zu investieren, daß Vollbeschäftigung sichergestellt ist. Und es stimmt auch, daß die Menschen das Vertrauen in die Demokratie gerade deshalb verlieren, weil sie von der Politik (und leider auch oft vom Verfassungsgericht) im Stich gelassen werden. Würde die von Papier erhobene Forderung erfüllt, wäre es völlig ausgeschlossen, jemals wieder zu einem Sozialstaat zurückzukehren, was offensichtlich ein Verstoß gegen fundamentale Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes wäre.

Auch wenn kaum zu erwarten ist, daß der Bundestag wegen dieses Angriffs auf das Grundgesetz - ganz abgesehen davon, daß Herr Papier anscheinend von realwirtschaftlichen Zusammenhängen nicht genug versteht, um sie zu beurteilen - beim Verfassungsgericht die Versetzung von Herrn Papier in den Zwangsruhestand beantragen wird, hat er mit seinen Äußerungen jedenfalls eines bewirkt: Wenn nun ein wirtschaftspolitisch relevantes Verfahren vor das Bundesverfassungsgericht kommt, können die betroffenen Kläger ihn wenigstens wegen offenkundiger ideologischer Vorbelastung als befangen ablehnen.

            Alexander Hartmann

 

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