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Aus der Neuen Solidarität Nr. 42/2008

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Bankenkrach trifft Europa: Der Anfang von Ende der Londoner City

Beim Treffen der G-4 in Paris wurde faktisch beschlossen, daß die Regierungen sich und ihrem jeweiligen nationalen Banksektor in der Finanzkrise selbst helfen sollen. Das Korsett des Stabilitätspaktes wurde außer Kraft gesetzt. Nun liegt es bei den nationalen Regierungen, ob sie ihre Steuerzahler durch gigantische Rettungspakete ruinieren oder die Spekulanten einem Konkursverfahren unterziehen.

Die Bankenkrise trifft jetzt auch Europa mit voller Wucht und stellt die Regierungen vor die Entscheidung: Konkursverfahren oder staatliche Rettungspakete? Bisher überwiegt noch letzteres. Die britische Regierung intervenierte mit einem Riesen-Rettungspaket von rund 500 Mrd. £ (ca. 625 Mrd. Euro) - einer Summe, die fast so groß ist wie die regulären Haushaltsausgaben der öffentlichen Hand. Andere Regierungen gehen vorsichtiger ans Werk, so Italien oder die Niederlande, die Notfonds für in Schwierigkeiten geratende Banken mit jeweils 20 Mrd. Euro einrichten. Spanien bereitet einen 30-Mrd.-Euro-Fonds vor, der dem Vernehmen nach den Banken finanziellen „Giftmüll“ abkaufen soll.

Offiziell erklären die Regierungen, sie seien dabei von der Sorge motiviert, die Stabilität des Bankensystems zu sichern und die Einlagen der Sparer zu schützen. Tatsächlich werden aber Rettungsaktionen wie die in Großbritannien die Instabilität des Systems und die Risiken für die Sparer nur noch weiter vergrößern. Die einzige Lösung, die funktionieren wird, ist ein von den Regierungen organisiertes Konkursverfahren, aber dieses Hilfsmittel scheint in den Werkzeugkisten der europäischen Regierungen zu fehlen.

Das Gute an dieser Krise ist, wie wir bereits in den letzten Wochen berichteten, daß sie die nationale Souveränität wieder auf die Tagesordnung setzt. Es ist nun offensichtlich, daß dem EU-System ein Rettungsfallschirm für Krisen wie die jetzige fehlt, und die nationalen Regierungen ergreifen eigenständig Schutzmaßnahmen. Es spricht Bände, daß beim Treffen der G-4 (Deutschland, Frankreich, England, Italien) in Paris am 4. Oktober Entscheidungen für die gesamte EU getroffen wurden. Die sogenannten „europäischen Maßnahmen“ sind nur Fassade, verantwortlich sind die einzelnen Staaten. So wurde beispielsweise eine europaweite Garantie für Sparguthaben verkündet, die Einlagen bis 50.000 Euro pro Anleger absichert, um zu verhindern, daß unabhängige Maßnahmen, wie sie z.B. Irland ergriffen hatte, „Ungleichgewichte“ innerhalb der EU herbeiführen. Irlands Entscheidung, alle Einlagen der sechs größten irischen Banken zu garantieren, hatte einen gewaltigen Abfluß von Geldern aus Großbritannien ausgelöst, weil die Briten ihr Geld in Irland sicherer glaubten als zuhause. Die EU-Garantie soll solche Entwicklungen verhindern.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten treffen weiter eigenständige Entscheidungen. Die deutsche Bundesregierung hatte schon vorher eine unbegrenzte Staatsgarantie für private Konten angekündigt, Italien folgte dem Beispiel am 8. Oktober. Im Ernstfall wäre keine Nation in der Lage, diese Garantie einzuhalten: Deutschland bräuchte dafür einen Sonderfonds von 1600 Mrd. Euro, ähnliche Zahlen hat man für Italien ausgerechnet. Würde die Garantie fällig, würde die deutsche Staatsverschuldung ein italienisches Niveau erreichen und die Italiens auf das Doppelte des BIP anschwellen. Der Zweck der Erklärungen ist vor allem, eine Panik zu verhindern, die zu einem Run auf die Banken führen würde.

Beim Treffen der G-4 wurde der von den Niederlanden vorgeschlagene europäische 300-Mrd.-Euro-Rettungsfonds von Deutschland abgelehnt und beschlossen, daß jede Regierung eigenständig Maßnahmen ergreifen wird, die für den jeweiligen Bankensektor geboten erscheinen. Dazu wurden die Regeln des Stabilitätspaktes faktisch ausgesetzt, was vom Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU am 6. Oktober bestätigt wurde. Wie Italiens Wirtschaftsminister Tremonti sagte, werden Staaten, die gegen die Defizitvorgaben verstoßen, von nun an nicht länger ins „Sanktionszimmer“ verbannt, sondern ins „Genehmigungszimmer“ eingeladen. Damit ist einer der Grundpfeiler des Lissabon-Vertrages umgestürzt, wenn auch bisher nur in Bezug auf den Bankensektor.

Falsche und richtige Entscheidungen

Die Regierungen können aber richtige oder falsche Entscheidungen treffen. Letzteres ist definitiv der Fall beim britischen Rettungsplan. Ihm zufolge wird die Regierung bis zu 50 Mrd. £ (63 Mrd. Euro) - das sind 2000 £ pro Steuerzahler - ausgeben, um Aktien angeschlagener Banken zu kaufen und so deren Kapital aufzustocken. Die Hälfte dieser Summe steht ab sofort zur Verfügung, später können, wenn nötig, weitere 25 Mrd. £ dafür verwendet werden. Darüber hinaus wird die Regierung 250 Mrd. £ (rund 300 Mrd. Euro) aufwenden, um die mittelfristigen Schulden der Banken zu übernehmen. Die Bank von England ihrerseits wird weitere 200 Mrd. £ in die Märkte pumpen - Diese Summen zusammen (i.e. 500 Mrd. £) entsprechen einem guten Drittel des britischen BIP und würden die öffentliche Verschuldung verdoppeln. Bisher haben dem Vernehmen nach acht Banken Regierungshilfe im Rahmen dieses neuen Plans beantragt: Abbey, Barclays, HBOS, HSBC, Lloyds TSB, Nationwide Buildung, DBS und Standard Chartered.

Island contra England

Aber das ist erst der Anfang.

Tatsächlich zeigt die Krise um Island, daß das ganze internationale Finanzsystem, mit der Londoner City im Zentrum, untergeht. Das System von Billionen, wenn nicht Billiarden an unbezahlbaren Wertpapieren wickelt sich jetzt rasant selbst ab. Die britische Regierung versucht, ähnlich wie die USA mit dem Paulson-Plan, eine nach oben unbegrenzte Rechnung zu bezahlen, was ihre Währung und Finanzen erschüttern wird.

Britische Banken haben Island in den letzten Jahren für den sog. „Carry Trade“ benutzt: Man machte sich den Zinsunterschied zwischen Japan (Yen) und Island (Krun) zunutze, und in das kleine Land von wenig mehr als 300.000 Einwohnern flossen gewaltige Summen. Die Spekulanten borgten Geld in Japan und kauften damit isländische Anleihen, das Land verwandelte sich in einen Hedgefonds. Isländische Banken konnten sich vor Einlagen kaum retten und investierten in Vermögenswerte, die zehnmal so groß waren wie das Wirtschaftsprodukt des Landes. Als sich dann vor ein paar Jahren der Strom des Carry Trade umkehrte, wurden aus diesen Vermögen Schulden. Das Platzen der Derivatblase verleiht dem Zusammenbruch eine beschleunigte Dynamik. Die Regierung versuchte durch wiederholte Zinserhöhungen den Kapitalabfluß zu verhindern, bis nun alles in sich zusammenbrach.

Angesichts des nahen Bankrotts wiesen die isländischen Behörden die Banken des Landes an, Fremdfinanzierung einzustellen und Kredite einzutreiben, was besonders Großbritannien betraf. Die Briten reagierten scharf, die Finanzaufsicht FSA übernahm die britischen Töchter der drei großen isländischen Banken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir. Dazu wurde ausgerechnet das Anti-Terror-Gesetz angewandt. Die isländische Regierung war wütend und sah sich gezwungen, neu beschlossene Notgesetze anzuwenden und die großen Banken des Landes zu verstaatlichen.

Hunderttausende Briten haben Geld in isländischen Konten angelegt. Neben Privatleuten sind dies auch viele Kommunen, Banken und Versorgungsbetriebe - z.B. der Landkreis Kent 40 Mio. £, die Londoner Verkehrsbetriebe 30 Mio. und mehrere Londoner Kommunalverwaltungen zwischen 10 und 20 Mio. £.

Die Spannungen zwischen den beiden Ländern haben fast schon ein Vorkriegsniveau erreicht. Vergleicht man aber ihre Politik, so ist deutlich festzustellen, daß sich die Regierung in Reykjavik weit mehr um das Gemeinwohl ihrer Bürger sorgt als die in London.

Als Islands Ministerpräsident Geir Haarde die Banken verstaatlichte, wurden sie in zwei Kategorien aufgeteilt: „grüne“ und „rote“. Grüne Banken, die für die Binnenwirtschaft tätig sind, erhielten eine Kreditgarantie, während die roten geringere Priorität haben. Die Europäische Union lehnte es ab, Island zu helfen, Rußland stellte aber 4 Mrd. Euro Kredit in Aussicht.

Am 8. Oktober sagte Haarde auf einer Pressekonferenz: „Die Gesamtverschuldung ist so hoch, daß die isländische Bevölkerung für die Schulden, die diese Privatunternehmen gemacht haben, unmöglich die Verantwortung übernehmen kann. Das passiert täglich bei Konkursen, daß einige leer ausgehen.“

Demgegenüber hat die britische Regierung den Steuerzahler unmittelbar mit 2000 £ pro Kopf zusätzlich belastet, und das ist erst der Anfang.

Während der kleine Inselstaat im Norden sich um das Wohl seiner Bürger sorgt, geht es der Regierung Ihrer Majestät um das Wohl ihrer oligarchischen Oberschicht mit ihren Billionen an Luftwerten.

Die isländische Regierung wendet die Grundsätze eines Konkursverfahrens an, vom Prinzip her ähnlich wie Franklin Roosevelt 1933 in den USA; die Briten folgen dem Modell, das Mussolini in Italien anwandte.

1933 gründete die italienische Regierung die staatliche Industrieholding IRI. Den Plan dazu hatte Mussolinis finanzpolitischer Berater Alberto Beneduce - ein Schützling des anglo-venezianischen Grafen Volpi di Misurata - im Dienste der italienischen Finanzoligarchie und „Raubritter“ entworfen. Es war eine Rettungsaktion der Zentralbank, die drei Großbanken (Banca Commerciale, Banco di Roma und Credito Italiano) 8 Mrd. Lire geliehen hatte, als die Währungsreserven insgesamt nur 13,5 Mrd. betrugen. Die Banken hatten große Industriekonzerne übernommen, und wäre nur eine Bank oder ein Konzern zahlungsunfähig geworden, wäre die Zentralbank ruiniert gewesen. So erwarb IRI für 8 Mrd. Lire Aktien und vergab 12 Mrd. Lire an Krediten zu 4% Zinsen über 20 Jahre. Durch die Übernahme der Aktienmehrheit übernahm IRI und damit der Staat die Schulden. Der überschuldete italienische Staat versuchte dann, anderswo mit Gewalt Werte einzutreiben, erst in Kolonialkriegen, dann im Bündnis mit Hitler im Zweiten Weltkrieg.

Nun möchten auch die USA mit Finanzminister Paulson auf diese Mussolini-Option setzen und Bankaktien kaufen.

            Claudio Celani

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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