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Helga Zepp-LaRouche sprach am 14. Oktober 2025 mit dem palästinensischen Botschafter in Dänemark, S.E. Prof. Manuel Hassassian.
Helga Zepp-LaRouche: Herr Botschafter Hassassian, ich freue mich sehr, daß Sie in diesem entscheidenden Moment Zeit gefunden haben, uns ein Interview zu geben. Die ganze Welt war natürlich sehr glücklich und erleichtert, als die 20 Geiseln und, wie ich glaube, insgesamt fast 2000 palästinensische Gefangene freigelassen wurden. Meine erste Frage an Sie lautet daher: Glauben Sie, daß das der Beginn des Friedens ist? Oder müssen wir uns Sorgen machen, daß es nur eine Pause ist und die Kämpfe wieder aufgenommen werden? Bitte teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Botschafter Prof. Manuel Hassassian: Zunächst einmal denke ich, daß es nach zwei Jahren ein Durchbruch ist, daß dieser Krieg beendet wurde. Und es scheint, daß Präsident Trump Israel dazu gedrängt hat, den Waffenstillstand zu akzeptieren. Natürlich haben auch die Bemühungen all derer, die sich um eine Friedensvermittlung zwischen Israel und der Hamas bemüht haben, Früchte getragen. Ich würde also sagen, es ist vor allem eine Erleichterung für die Menschen in Gaza, daß dieses Gemetzel und das Töten aufgehört haben und die Zerstörung und Verwüstung Gazas ein Ende gefunden hat.
Die Menschen in Palästina sind also von diesem Krieg befreit und glauben, daß dies eine neue Ära im Nahen Osten einläuten könnte, in der nach so vielen Jahren des Konflikts und so viel Zerstörung Frieden möglich ist, und daß wir einen Punkt erreicht haben, an dem die einzige Möglichkeit zur Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts Friedensverhandlungen sind, weil beide Seiten verstanden haben, welche Folgen solche Kriege haben.
Israel hat ohne zu zögern immer weiter militärische Gewalt angewendet, um die palästinensischen Forderungen nach Selbstbestimmung zu unterdrücken. Jetzt erkennen sie, daß eine militärische „Lösung“ keine Lösung ist! Wir müssen an den Verhandlungstisch zurückkehren und als erstes die Details von Präsident Trumps Friedensabkommen ausarbeiten und dann überlegen, wie wir durch die Umsetzung der palästinensischen Selbstbestimmung und die Gründung unseres unabhängigen palästinensischen Staates zu einem umfassenden Frieden im Nahen Osten gelangen können.
Das ist der Anfang und Auftakt zu einer größeren Entwicklung im Nahen Osten, wo mittlerweile jeder weiß, daß der militärische Konflikt in unserem Teil der Welt die Ursache für Unsicherheit und Instabilität in der gesamten Region ist. Um dieses Problem anzugehen, müssen alle Parteien, alle Beteiligten, dies anerkennen. Und insbesondere Israel muß verstehen, daß es die Besatzung nicht fortsetzen kann, daß die Besatzung beendet werden muß und daß die Palästinenser ihr unveräußerliches Recht auf Selbstbestimmung und die Gründung ihres unabhängigen palästinensischen Staates innerhalb der Grenzen von 1967 haben, so wie es von der internationalen Gemeinschaft durch die Resolutionen der Vereinten Nationen legitimiert ist.
Zepp-LaRouche: Ich denke, der Plan, der zwischen dem Team von Präsident Trump und verschiedenen arabischen Regierungen – Ägypten, Katar und so weiter – ausgehandelt wurde, sieht sehr vielversprechend aus. Aber ich persönlich und das Schiller-Institut halten dies für einen sehr wertvollen Moment, um endlich eine grundlegende Veränderung in der gesamten Dynamik zu bewirken.
Sie haben an einigen unserer Konferenzen teilgenommen, bei denen es um die Idee ging, die Parameter in der gesamten Region zu verändern, nicht nur in Israel und Palästina, sondern die Wüste in grünes Land mit Wäldern und Landwirtschaft zu verwandeln, indem wir den „Oasenplan“ umsetzen, der bereits 1975 von meinem verstorbenen Ehemann Lyndon LaRouche konzipiert wurde und den wir in der letzten Zeit aktualisiert haben. Wir glauben, daß jetzt der richtige Zeitpunkt ist, den Oasenplan auf die Tagesordnung zu setzen. Und ich persönlich denke, daß Israels Nachbarn sich sehr bewußt sind, daß etwas getan werden muß, um eine stabile Grundlage für den Frieden zu schaffen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, daß der Golf-Kooperationsrat, die OIC [Organisation für Islamische Zusammenarbeit], die Arabische Liga und ähnliche Organisationen bereit wären, den Oasenplan zum jetzigen Zeitpunkt in Betracht zu ziehen?
Hassassian: Ich denke, dies ist der richtige Zeitpunkt für Ihre Organisation, den Oasenplan voranzutreiben und zu vermarkten, denn wie ich mehrfach gesagt habe, setzte ich mich für den Oasenplan ein, als einen Auftakt für die wirtschaftliche Entwicklung und den Ausbau der Infrastruktur. Ich denke, das ist ein Rezept, das internationale Geber und Interessengruppen im Prozeß des nationalen Wiederaufbaus und der Infrastrukturentwicklung in Gaza anwenden können. Es ist an der Zeit, den Oasenplan zu vermarkten, damit er von denjenigen, die am Wiederaufbau des Gazastreifens beteiligt sein werden, berücksichtigt wird, als ein Plan, der andere Pläne ergänzen und sie miteinander verbinden kann und ein wichtiger Partner in diesem Entwicklungsprozeß ist.
Der Oasenplan wird für die Interessengruppen immer sichtbarer, um ihn in jeden Entwicklungsprozeß in Bezug auf Infrastruktur usw. einzubeziehen. Ich denke, dies ist der richtige Zeitpunkt für Ihre Organisation, eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung zu spielen. Indem Sie sich aktiver darum bemühen, die Geberländer zu erreichen, die sich bereits grundsätzlich bereit erklärt haben, sich am Wiederaufbau des Gazastreifens zu beteiligen, haben Sie nun Gelegenheit, für einen solchen Plan zu werben, der bereits seit drei oder vier Jahrzehnten existiert.
Das ist nichts Neues. Es ist etwas, das erprobt ist und sich bewährt hat. Warum also nicht jetzt? Unter Verwendung des Oasenplans als Teil dieser Sanierung, des Wiederaufbaus von Gaza, das leider zerstört wurde – 80% des Gazastreifens sind zerstört –, und dies ist der Zeitpunkt, an dem solche Entwicklungsmodelle in alle zukünftigen Wiederaufbau- und Entwicklungspläne für Gaza einbezogen werden sollten.
Zepp-LaRouche: Wie Sie wissen, sieht das Programm ein System von Kanälen vor, zwischen dem Roten Meer und dem Toten Meer, dann ein Kanal zum Mittelmeer, und so soll durch die Entsalzung großer Mengen von Meerwasser ein völlig neues Bewässerungssystem für die gesamte Region geschaffen werden, einschließlich künstlicher Flüsse. Das soll letztendlich nicht nur dem Wiederaufbau des Gazastreifens dienen, es ist eine Vision, wie die gesamte Region, von Indien bis zum Mittelmeer, vom Kaukasus bis zum Persischen Golf, transformiert werden könnte. In gewisser Weise war diese Region schon das Zentrum der alten Seidenstraße und verband auf diese Weise Asien, Afrika und Europa, und diese Rolle könnte sie wieder einnehmen. Wie sehen Sie das?
Hassassian: Ich verstehe, was Sie sagen, und ich denke, man sollte die Regierungen in diesen Prozeß einbeziehen, denn das ist keine private Angelegenheit, die von einem Unternehmen durchgeführt werden kann. Ich denke, das ist ein langfristiges Projekt, das bereits geprüft wurde, und der Oasenplan sollte weiter ausgearbeitet und in eine ausgereifte Form gebracht werden, wenn er vermarktet werden soll, für Gaza als Beispiel.
All das, was Sie jetzt erwähnt haben, ist sehr wichtig: daß die Vorteile nicht nur den Bewohnern von Gaza und den Palästinensern zugute kommen. Die Region wird auf eine höhere Ebene gebracht, um eine bestimmte Kommunikation in Bezug auf Handelsbeziehungen zu schaffen. Und das allein wird eine Dynamik für die regionale Zusammenarbeit erzeugen, die im Grunde genommen die regionale Stabilität fördert. Denn diese Art der wirtschaftlichen Entwicklung kommt der Region zugute, man sollte sie in Bezug auf Entwicklung usw. eher als Makrokosmos denn als Mikrokosmos betrachten.
Ich bin fest davon überzeugt, daß der Oasenplan jetzt, zu diesem Zeitpunkt, ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte, weil die regionale Sicherheit auch von der wirtschaftlichen Stabilität abhängt, und die kann durch einen Plan erreicht werden, der alle Beteiligten zusammenbringt, um eine solche Sicherheit und Stabilität im gesamten Nahen Osten zu schaffen.
Wie Sie wissen, ist Sicherheit nicht nur eine politische Angelegenheit: Der wichtigste Trumpf ist hier die wirtschaftliche Stabilität! Wirtschaftliche Zusammenarbeit würde auch zu politischer Stabilität führen, da meiner Meinung nach sowohl Israelis als auch Palästinenser und die Region nun für einen Neuanfang im Nahen Osten bereit sein sollten. Das kann nur auf der Grundlage der Synchronisierung der politischen Stabilität geschehen, die auch durch die wirtschaftliche Stabilität katalysiert wird – durch einen wirtschaftlich soliden Plan, der allen Beteiligten Vorteile bringt, um die Stabilität ein für allemal in diesem langen, langen Konflikt im Nahen Osten zu verankern, der nun schon seit zehn Jahrzehnten andauert.
Zepp-LaRouche: Sie haben erwähnt, daß eine Entscheidung der Regierungen notwendig ist. Wir haben mehrere Konferenzen zum Oasenplan abgehalten, Sie haben an mehreren davon teilgenommen, und diese Konferenzen endeten immer mit der Erkenntnis, daß eine Entscheidung der Regierungen notwendig ist, um diesen Plan umzusetzen.
Nun, auf einer unserer Konferenzen sagte ein chinesischer Ökonom, Professor Zhang Weiwei, daß China über die wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten verfügt, diesen Plan umzusetzen, weil es große Erfahrung mit der Bekämpfung der Wüste in Xinjiang hat, einer Region im Nordosten Chinas mit einer Fläche von der Größe Deutschlands, die früher Wüste war und heute aus Gärten, Wäldern und Ackerland besteht und deren Bauern reich geworden sind. Präsident Xi Jinping hat schon 2015, als er im Iran, in Saudi-Arabien und in Ägypten war, angekündigt, er sei bereit, die Gürtel- und Straßen-Initiative auf die gesamte Region auszuweiten.
Zum anderen ist Präsident Trump sehr stolz darauf, daß er es war, der dieses Friedensabkommen zustande gebracht hat. Warum sollte man also nicht vorschlagen, daß Präsident Xi Jinping und Präsident Trump, wenn sie sich hoffentlich beim bevorstehenden APEC-Gipfel in Südkorea treffen, gemeinsam dieses Problem endgültig lösen könnten? Denn dann würden alle Nachbarn zustimmen, und ich denke, auch die Bevölkerung Israels würde den Vorteil einer friedlichen Umgebung erkennen, von Nachbarn, die nicht feindselig sind, sondern mit denen sich sogar eine Freundschaft entwickeln könnte. Was halten Sie von all dem?
Hassassian: Ich denke, was Sie gesagt haben, ist absolut richtig. Natürlich gibt es einen Präzedenzfall für den Oasenplan, und im Rahmen der Annäherung an den Dialog zwischen den Chinesen und den Amerikanern wäre das meiner Meinung nach eine sehr wichtige Gelegenheit, um dies bei dem bevorstehenden Treffen in Südkorea zu diskutieren. Ich denke, Präsident Trump sollte das Jared Kushner und Steve Witkoff sagen, und denjenigen, die an den Gaza-Verhandlungen beteiligt waren, und versuchen, alle Länder einzubeziehen, die beim Wiederaufbau von Gaza helfen könnten, insbesondere in der arabischen Welt. Das könnte eine großartige Gelegenheit für Präsident Trump sein, den Oasenplan anzuerkennen, dessen Erfolg bewiesen ist, und zu versuchen, den Oasenplan umzusetzen. Er kann mit den anderen Plänen verschmolzen werden und als eine Einheit für die Entwicklung der Region und den Wiederaufbau von Gaza wirken.
Und natürlich wären auch die Israelis, wenn sie sich bereit erklären würden, Frieden als endgültige Lösung des Konflikts zu akzeptieren, potentielle Partner bei der Umsetzung des gesamten Plans. Ich denke, die Welt ist es dem Nahen Osten schuldig, den Konflikt beizulegen, Sicherheit zu schaffen und wirtschaftliche wie auch politische Stabilität zu gewährleisten.
Wir leben in einer hochinteressanten Zeit, in der man sich weltweit bemüht, den Nahen Osten aus dem Konflikt heraus in den Frieden zu führen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für alle, ihre Bemühungen zu koordinieren, ihre Köpfe zusammenzustecken und nicht mit einem Zauberstab, sondern mit der Realität vor Ort eine Lösung zu finden, indem sie versuchen, die Vorteile des Oasenplans zu verwirklichen. Das sollte die Golfstaaten einbeziehen, die arabische Welt und die islamische Welt sowie die Europäische Union, um nicht nur materielle, sondern auch geistige Ressourcen in dieses Projekt zu investieren. Denn das wird Frieden bringen, und von der Dauerhaftigkeit des Friedens werden Europa, der Welthandel und viel mehr profitieren.
Zepp-LaRouche: Ich denke, der Plan muß sehr schnell geprüft werden, denn ich glaube, daß die gegenwärtige Situation zwar ein enormes Potential birgt, es aber auch verspielt werden kann. Viele Analysten befürchten ernsthaft, daß ein Krieg gegen den Iran möglich ist. Da ist zum Beispiel Alastair Crooke, ein ehemaliger britischer Diplomat, der sich sehr gut mit dem Nahen Osten auskennt: Er ist überzeugt, daß es eher früher als später zu einem neuen Angriff auf den Iran kommen kann. Angesichts der Tatsache, daß der Iran gerade die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) als Reaktion auf die erneuten Sanktionen ausgesetzt hat, halte ich das für einen unglaublich gefährlichen Moment. Denn wenn es zu einem neuen Angriff auf den Iran kommen sollte, hat sich der Iran meiner Meinung nach inzwischen mit Hilfe befreundeter Staaten in Bezug auf die Luftabwehr und so weiter verstärkt. Ich denke, die Gefahr eines neuen Krieges gegen den Iran, der die gesamte Region erfassen und schließlich zu einem globalen Krieg ausarten kann, ein Anlaß sein sollte, den Oasenplan als Friedensplan sehr, sehr schnell voranzutreiben.
Hassassian: Nun, es besteht tatsächlich die Möglichkeit, daß es wieder zu einem Konflikt zwischen dem Iran und Israel kommt. Aber ich denke, Präsident Trump ist sich dessen bewußt, und er weiß, daß alles in die Luft gejagt würde, wenn Israel jetzt den Iran angreifen würde. Und wie wir aus der Presse wissen, plant Präsident Trump eine Reise in den Iran.
Diese Reise an sich ist eine klare Botschaft, daß es einen offenen Dialog zwischen den Amerikanern und den Iranern über die Frage der Atomwaffen oder die Installation von Nukleartechnologie im Iran gibt. Das allein würde schon dazu beitragen, die Spannungen zwischen Israel und dem Iran zu entschärfen, wenn Präsident Trump dorthin reist und versucht, Garantien dafür zu erhalten, daß die Iraner sich den Vorschriften der Atomenergiebehörde unterwerfen, ganz zu schweigen davon, wenn die Verhandlungen über die Reduzierung der nuklearen Entwicklung im Iran zu einem Ergebnis führen. Ich glaube nicht, daß Präsident Trump ein Problem lösen will, nur damit die anderen Probleme alle seine anstrengenden Bemühungen um Frieden im Nahen Osten zunichte machen.
Ich denke, die Frage des Krieges ist immer präsent, aber die Chancen für Frieden werden jetzt größer, insbesondere da der Iran als mächtiges Land im Nahen Osten gilt, das in der Lage ist, auf jede Art von Aggression Israels zu reagieren. Und dieses Mal, glaube ich, werden die Iraner mehr Ernst damit machen, Israel wirklich zu schaden, wenn es zu einem Krieg kommt.
Wir glauben aber nicht, daß die Iraner daran interessiert sind, Israel anzugreifen. Im Gegenteil sehen wir, daß die Israelis den Iran immer bedroht haben und immer wollten, daß die Amerikaner sich an der Bombardierung des Iran beteiligen. Deshalb muß Präsident Trump im Umgang mit der Iran-Frage sehr vorsichtig und zurückhaltend sein.
Wenn wir in die Zukunft blicken, denke ich, daß Israel der Verlierer sein wird, wenn es eine weitere Front mit dem Iran eröffnet – die gesamte Region würde auf dem Spiel stehen und es kann nicht wirklich Frieden und Stabilität bringen. Die Interpretation all dessen ist dann, daß die Gefahr besteht, daß es zu einem sogenannten „globalen Krieg” kommt.
Aber niemand will mehr Krieg. Niemand will mehr Krieg! Wir brauchen Frieden und Sicherheit und Stabilität. Und der Iran würde nicht nur in der arabischen Welt und der islamischen Welt akzeptiert werden, sondern auch von den Europäern und anderen, denn der Iran denkt nicht daran, Israel anzugreifen – es ist genau umgekehrt.
Daher denke ich, daß Trump gegenüber Israel strenger sein sollte und nicht versuchen sollte, die ganze Welt zu motivieren, sich auf seine Seite zu stellen, um gegen den Iran zu kämpfen. Der Iran kennt die Grenzen seiner nuklearen Fähigkeiten, und ich denke, es besteht Einigkeit darüber, inwieweit der Iran seine nuklearen Fähigkeiten entwickeln darf, um sie für den Frieden und nicht für den Krieg einzusetzen.
Und so liegt die Verantwortung letztendlich bei Israel. Und da die Amerikaner großen Einfluß auf die israelische Politik haben, insbesondere Präsident Trump derzeit, halte ich es auch für einen günstigen Moment, um ein Friedensabkommen zwischen Israel und dem Iran zu schließen.
Zepp-LaRouche: Dann stellt sich auch die Frage nach den Beziehungen zwischen den Palästinensern und den Israelis. Nach vielen Kriegen galt es als völlig undenkbar, daß sich das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen jemals zu normalen Beziehungen oder sogar Freundschaft entwickeln würden. Ich halte es für wichtig, zu bedenken, daß Avrum Burg, der ehemalige Präsident und Sprecher der Knesset, gerade in einem Interview gesagt hat, daß es in der Geschichte jedes Landes Momente gibt, in denen es sich mit seiner Identität auseinandersetzen muß. Für Deutschland gab es einen solchen Moment 1945, für die Vereinigten Staaten gab es einen solchen Moment am Ende des Vietnamkrieges, und für Israel gibt es einen solchen Moment heute. Er glaubt, daß die israelische Seele derzeit zerbrochen ist. Er fordert auch einen globalen Jüdischen Fonds für den Wiederaufbau des Gazastreifens, was meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Element für die Umsetzung des Oasenplans wäre.
Aber noch grundlegender: Können Sie sich vorstellen, daß ein echter Dialog zwischen dem palästinensischen und dem israelischen Volk beginnen kann, in dem man irgendwie all die Verbrechen, all das schreckliche Leid, all die schrecklichen, unvorstellbaren Greuel, die geschehen sind, beiseite lassen würde und jede Seite die besten Erinnerungen an ihre besten Traditionen – die jüdische Kultur, die palästinensische Kultur – hervorholt und zwischen beiden ein Dialog der Zivilisationen stattfindet? Sehen Sie ein solches Potential?
Hassassian: Es gibt ein Potential, aber das braucht Zeit. Ich denke, es ist noch zu früh, um über die Heilung der Wunden zu sprechen. Und die Palästinenser leben immer noch unter israelischer Besatzung, wo es, wie Sie wissen, seit langer Zeit keine zwischenmenschlichen Kontakte gibt. Das hatten wir während des Oslo-Abkommens, aber dann ist Oslo praktisch gescheitert, weil die Palästinenser 1999 ihre Unabhängigkeit nicht erreichten.
Man kann also davon sprechen, daß das Oslo-Abkommen seit fast 26 Jahren nicht umgesetzt worden ist. Wir stehen jetzt wieder am Anfang, befinden uns in einem Nullsummenkonflikt und haben lediglich einen Waffenstillstand. Wir hoffen, daß der Waffenstillstand so lange hält, bis die Menschen ihre Wunden geheilt haben und zu einem normalen Leben zurückkehren können. Das wird einige Zeit dauern. Die psychologischen Auswirkungen eines Traumas lassen sich nicht einfach durch einen Waffenstillstand wegwischen. Das muß erst einmal verarbeitet werden Das wird einige Zeit dauern.
Aber ich glaube, daß es irgendwann so weit sein wird, wenn die Menschen auf beiden Seiten erkennen, daß ein Zusammenleben unvermeidlich ist, weil wir als Nachbarn so nah beieinander leben. Und das wird nicht geschehen, solange die Besatzung nicht beendet ist! Bis zum Ende der Besatzung wird es dieses Gefühl der Unsicherheit unter den Palästinensern geben, weil die Besatzung weiterhin über sie herrschen wird, und das allein wird schon ein Hindernis sein.
Wir können also über die Akzeptanz des anderen und Koexistenz sprechen, nachdem die Palästinenser ihren eigenen, unabhängigen Staat haben, in dem sie ihre Beziehungen in Bezug auf Handel, Kultur usw. normalisieren müssen. Das ist die ideale Situation, die nach Beendigung dieses Konflikts eintreten wird. Ohne Beendigung dieses Konflikts durch Beendigung der Besatzung sehe ich zumindest vorerst keine Möglichkeit für zwischenmenschliche Interaktion.
Zepp-LaRouche: Nun, das unterstreicht die Bedeutung des Ansatzes des Oasenplans, der auf der Idee von „Frieden durch Entwicklung“ basiert. Das war auch schon die Vorstellung von Papst Paul VI., die er 1967 in seiner Enzyklika Populorum Progressio über die Entwicklung aller Menschen vorschlug. Die Idee war, mit einer langfristigen Entwicklungsperspektive, die das Leben und die Hoffnung auf die Zukunft kommender Generationen verbessert, würden Menschen, die in Elend leben und allen möglichen radikalen Ideen ausgesetzt sind, erkennen, daß es viel besser ist, Wissenschaftler, Ingenieur oder Lehrer zu werden und eine Familie zu gründen. Auf diese Weise verändert man die gesamte Dynamik, was nur möglich ist, wenn alle Seiten durch den Oasenplan einen Vorteil haben.
Damit möchte ich Ihnen für Ihre Zeit danken und Ihnen versichern, daß wir vom Schiller-Institut uns voll und ganz dafür einsetzen, alles zu tun, um den Oasenplan auf die Tagesordnung zu setzen. Vielen Dank! Haben Sie noch ein paar abschließende Worte für uns?
Hassassian: Zunächst einmal vielen Dank für die Einladung und vielen Dank für die Zusammenarbeit. Das ist nicht das erste Mal, daß ich mich an das Schiller-Institut wende. Wir arbeiten schon seit langem zusammen. Ich glaube an den Oasenplan, deshalb war ich einer der wenigen, vielleicht sogar der einzige Botschafter Palästinas, der sich für den Oasenplan eingesetzt hat. Er wurde in unseren Organisationen in Palästina ausführlich diskutiert, und ich habe mich auch sehr bemüht, ihn der Regierung vorzustellen, damit sie ihn als möglichen Plan für die Zukunft in Betracht zieht.
Ich bin der Meinung, daß man eine solche Organisation [das Schiller-Institut] für ihren Beitrag zum Weltfrieden, nicht nur für den Nahen Osten, loben sollte. Und ich werde ein starker Befürworter sein, egal ob ich Botschafter bin oder nicht, denn ich stehe kurz vor dem Ruhestand und werde weiter die Botschaft von Frieden und Entwicklung durch den Oasenplan verbreiten. Wir werden weiterhin zusammenarbeiten, unabhängig von meiner offiziellen Position, als Professor und als Influencer. Ich könnte Ihnen weiter helfen und dieses wichtige Institut unterstützen, das sich für das edle Ziel einsetzt, Frieden und Stabilität zu schaffen, und das nicht nur in bestimmten geographischen Regionen, sondern auf der ganzen Welt. Ich lobe Ihre Arbeit und wünsche Ihnen Gottes Segen für Ihre edle Mission. Und wir hoffen, daß wir eines Tages die Früchte des Oasenplans ernten können! Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.
Zepp-LaRouche: Vielen Dank.
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