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Aus der Neuen Solidarität Nr. 3/2005

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Ein zweiter Westfälischer Friede für die kommende eurasische Welt

Von Lyndon LaRouche
- 2. Teil -

Im ersten Teil betonte LaRouche, Krisen wie die heutige Weltkrise seien nicht nur die Folge schlechter Staatsführung, sondern falscher Grundannahmen der ganzen Bevölkerung. Eine Lösung der Krise erfordere eine neuartige Zusammenarbeit zwischen europäischen und asiatischen Kulturen auf der Grundlage naturrechtlicher Prinzipien.


Was ist liberaler Imperialismus?
Der prometheische Mensch

Empirismus: Zeus als Satan

Was ist liberaler Imperialismus?

Hätte Roosevelt länger gelebt, so hätten die USA mit ihrer ganzen Macht die Nachkriegswelt von den Überresten des imperial-kolonialen Systems der anglo-holländischen Liberalen befreit. Hätte man unter Franklin Roosevelts Bretton-Woods-System weltumspannende Verträge zwischen wirtschaftlich fortschreitenden souveränen Nationalstaaten geschlossen, so hätte dies unter den Völkern, die bis dahin unter der Knute der Kolonialmächte gestanden hatten, eine Welle der Entwicklung ausgelöst.

Nach Präsident Roosevelts Tod verbündete sich sein Nachfolger, Präsident Harry "Harriman" Truman, ausgerechnet mit den anglo-holländischen liberal-imperialen Kräften, gegen die wir Amerikaner unsere große Schlacht gegen den Faschismus geschlagen hatten. Truman und seine Komplizen wechselten in der Ära nach Roosevelt die Seiten und halfen dabei, die "Kolonialvölker", die Roosevelt mit Hilfe amerikanischer Technik befreien wollte, blutig zu unterdrücken.

Inzwischen wurde das liberal-imperiale System5 der Zeit vor einem halben Jahrhundert von einer radikaleren, bösartigen Variante abgelöst: dem Vorhaben, die Souveränität aller Nationen auf diesem Planeten endgültig zu vernichten, an dem räuberische oligarchische Finanzinstitutionen wie der IWF nach 1971 und die Weltbank arbeiten - Globalisierung. Dieser Plan gründet in seiner modernen, empiristischen, existentialistischen Gestalt auf der gleichen sophistischen Methode, die einst die griechische Zivilisation in den Abgrund des Peloponnesischen Krieges stürzte. Für die neuere Zeit hatte ihn der einflußreiche britische strategische Utopier H.G. Wells in seinem Buch Die offene Verschwörung (1928) umgestaltet. Es ist die utopische Variante des liberalen imperialen Systems, die sich in den letzten vier Jahrzehnten, besonders seit den großen Änderungen im Finanzsystem von 1971-81, unter dem Mantel der Globalisierung herausgebildet hat.

Diese liberal-imperiale Form des utopischen Anschlags bricht gegenwärtig unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Und die fortschreitende Auflösung dieses liberalen Systems, des heutigen Geld- und Finanzsystems, stellt die Welt vor Herausforderungen, die man vor 60 Jahren wesentlich einfacher hätte lösen können, wenn man Roosevelts Nachkriegspläne verwirklicht hätte. Nun beschert es uns die heutige große europäisch-asiatische Kulturkrise. Diese Krise rührt von einem wichtigen, langfristigen Aspekt des selbstverschuldeten Niedergangs her.

Bei diesen langen Entwicklungswellen, die zum gegenwärtigen Zustand führten, wirken sehr alte, tief verwurzelte Prinzipien. Diese Entwicklungen von manchmal großer Tragweite sind wie folgt zu betrachten.

Bedenken wir folgende wichtige Lehre aus dem alten klassischen Griechenland. In seinem Dialog Timäus schreibt Platon über die Berichte der Ägypter über die frühe Existenz der Menschheit auf diesem Planeten - ein Blick auf lange Wellen der Geschichte, die immer wieder durch verheerende, finstere Zeitalter gekennzeichnet sind. Indem wir dieser Sicht zustimmen, können wir mit gutem Grund davon ausgehen, daß eine menschliche Gattung, die grundsätzlich anders ist als Menschenaffen und ihnen überlegen ist, auf diesem Planeten wahrscheinlich schon seit zwei Millionen Jahren existieren kann. So wissen wir z.B. mit Sicherheit von mehreren großen Krisen der natürlichen Bedingungen für die menschliche Besiedlung des Planeten. Dazu gehören die schockartigen Auswirkungen der Schmelze der vorhergehenden großen Vereisungen in der nördlichen Hemisphäre, als der Meeresspiegel über einen längeren Zeitraum - beginnend vor etwa 20 000 Jahren - um zwischen 90 und 120 Meter auf die in den letzten Jahrtausenden verhältnismäßig gleichbleibende heutige Höhe anstieg, wie wir aus den letzten sechs Jahrtausenden der dokumentierten Geschichte wissen.6

Wie Platon an der Stelle betont, finden wir in den langen Zeiträumen der Existenz der Menschheit große Naturkatastrophen, die damals nicht bewältigt werden konnten, aber auch schreckliche menschengemachte finstere Zeitalter wie die verhängnisvolle Krise heute, die die Weltgesellschaft selbst über sich gebracht hat. Doch weder natürliche noch menschengemachte finstere Zeitalter wie jene der Vergangenheit werden unsere Zukunft unumkehrbar bestimmen. Es gibt stärkere Kräfte, die der Menschheit verfügbar sind, die sich in den langen Entwicklungsspannen der Menschheit zeigen. Dank solcher Kräfte haben wir, wie wir aus der Forschung wissen können, die Katastrophen der Vergangenheit überwunden. Sie zeigen uns, daß es ein tieferes Prinzip der Entwicklung gibt, durch das etwas Unsterbliches aus den alten Völkern in der heutigen Welt weiterlebt.

Wir wissen also von etwas Höherem, das für die heutige Gesellschaft von viel größerer und auch ganz praktischer Bedeutung ist als diese Kräfte als solche. Befaßt man sich eingehend damit, wie die Sprache bestimmte Funktionen der klassischen Naturwissenschaft und Kompositionsmethoden der klassischen Kunst entwickelt hat, so stößt man - wie der Inder Tilak und Gelehrte in Poona nach ihm - auf weitentwickelte Merkmale einer, wie man es nennen könnte, prähistorischen Rolle der Prinzipien der Naturwissenschaft und klassischen Kunst in Sprachkulturen.7

Duch die Weitergabe der Kenntnis dieser Kräfte über die hierzu entwickelten Sprachkulturen erlangen die Entdeckungen von heute einen unsterblichen Einfluß auf den Zustand der zukünftigen Gesellschaft. Solche neuzeitlichen Forschungen zur Bedeutung von Faktoren wie der klassischen Ironie im Gebrauch der Sprache bedeuten, daß es ein Mittel der menschlichen kulturellen Entwicklung über aufeinanderfolgende Kulturen über einen Zeitraum von nicht nur Zehntausenden, sondern sogar Hunderttausenden von Jahren gibt.8

Je mehr also die Menschheit sich kulturell entwickelt, desto mehr entwickelt sie die Fähigkeit, drohende Naturkatastrophen zu bewältigen, gerade auch solche, die man in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht willentlich meistern konnte. Zyklen wiederholen sich nicht einfach; sie kommen zwar immer wieder, aber je mehr die Macht des Menschen über die Natur wächst, desto mehr verbessern sich die Möglichkeiten, das Schicksal der Gesellschaft angesichts der Gefahr sogenannter Naturkatastrophen willentlich zu beherrschen.9

Dieser Fortschritt lenkt unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Fakten, die für diesen Punkt von Bedeutung sind. Diese zeigen uns beispielsweise, daß die Entwicklung der europäischen Kultur in gewisser Weise einzigartig ist, europäische Kultur in dem Sinne, wie sie der Historiker Friedrich Schiller erkannte, indem er sie auf die alte, unversöhnliche Auseinandersetzung zwischen zwei gegensätzlichen Menschenbildern - dem der Weltanschauung des Solon von Athen und dem der bösartigen Gesetzgebung des Lykurgus von Sparta - zurückführt. Was Schiller in seinen berühmten Jenaer Vorlesungen erklärte, ist nicht nur völlig ausreichend bewiesen, es ist auch von entscheidender Bedeutung für unser Thema in diesem Bericht.10

Bei dieser Überlegung sticht ein erschreckender Punkt hervor. Die Geschichte zwingt uns, den Niedergang der griechischen Kultur ab ihrem Höhepunkt aus der Sicht Platons und seiner pythagoräischen und verwandten Vorläufer heraus nachzuverfolgen. Unterbrochen von wenigen außergewöhnlichen Ausnahmen wie etwa dem Werk von Aristarch, Eratosthenes und Archimedes, währte dieser Niedergang bis zur Wiederentdeckung der klassischen griechischen Kulturschätze in der von Italien ausgehenden europäischen Renaissance des 15. Jh..

Die Geschichte der europäischen Zivilisation selbst warnt also jeden, der die Prinzipien der neuzeitlichen Wissenschaftsmethode eines Nikolaus von Kues und Johannes Kepler kennengelernt hat, daß man die Haupteigenschaften eher unterschiedlicher Kulturen nicht erforschen kann, wenn man seine Aufmerksamkeit auf ein oder mehrere Jahrhunderte beschränkt - die Merkmale der europäischen Zivilisation, wenn man sie in Zyklen beschreibt, drücken sich in Jahrtausenden aus oder lassen sich sogar, wie Tilak erklärte, über Zehntausende von Jahren zurückverfolgen.

Der Angelpunkt aller Gedankengänge dieses Berichts ist, daß die gesamte menschliche Kultur eine gemeinsame Grundlage darin hat, worin sich die Mitglieder der menschlichen Gattung von allen anderen bekannten sterblichen Lebensformen unterscheiden. Innerhalb dieser Grenzen hat, wie ich hier zeigen werde, der Begriff "europäische Zivilisation" eine wissenschaftlich strenge Bedeutung.

Wenn wir heute über die entsprechenden Fragen reden, kommt uns glücklicherweise entgegen, daß die Entwicklung des Konzepts der Noosphäre durch den russischen Biogeochemiker Wladimir Wernadskij ein entscheidender Fall war, wo ein führender neuzeitlicher Wissenschaftler in seinem Werk direkt zum expliziten Standpunkt der voraristotelischen Methode der klassischen griechischen Wissenschaft - der Sichtweise der Sphären in der Zeit des Thales, Solon, Pythagoras, Platon u.a. - zurückgekehrt ist.

Dieser Punkt ist von wesentlicher Bedeutung, wenn man über das Kernthema dieses Berichts spricht. Die Verbindung von Wernadskij zum Bernhard Riemann der Neuzeit wie zum Platon der Antike stellen die Kreise her, die mit dem Wirken des Begründers der neuzeitlichen europäischen Experimentalwissenschaft, Kardinal Nikolaus von Kues, verbunden sind. Wie wir später in diesem Bericht weitaus klarer sehen werden, liefert diese Verbindung uns eine Strategie für eine Herangehensweise an die Notwendigkeit vertraglicher Übereinkünfte zwischen souveränen europäischen und asiatischen Kulturen, die für die heutige Weltpolitik die gleiche Bedeutung haben werden wie der Westfälische Friede, als er den fast anderthalb Jahrhunderte, von 1492-1648 währenden Religionskrieg beendete.11

Der prometheische Mensch

Wenn man ein europäisch-asiatisches Abkommen anstrebt, selbst wenn man den Entwurf dazu nur den verhältnismäßig wenigen vorlegt, die dem erforderlichen Verständnis am nächsten kommen - selbst unter uns innerhalb der europäischen Zivilisation - , liegt die entscheidende Herausforderung nicht nur darin, daß den asiatischen Kulturen die philosophische Grundlage der wissenschaftlichen, geschichtlich festgelegten Prinzipien, ohne die der neuzeitliche souveräne Nationalstaat an sich undenkbar wäre, im allgemeinen fehlt. Das Prinzip der souveränen nationalstaatlichen Republik läßt sich nicht auf einem Kopiergerät oder nach der Anleitung gestohlener geheimer Zeichnungen nachmachen, man muß es aus einem lebendigen Samen heranziehen wie jeden anderen lebenden Organismus.

Die Kenntnis dieses Prinzips muß innerhalb jeder bestehenden nationalen Kultur aus dem aller menschlichen Natur gemeinsamen universellen Prinzip entwickelt werden. Dieses Prinzip taucht sozusagen als Same der Entdeckung universellen Wissens auf, der in jedem Mitglied einer nationalen Sprachkultur existiert. Diesen Samen im Rahmen des Geschehens dieser Kultur zu entwickeln, stellt die einzige echte Grundlage für das Prinzip der nationalen Souveränität dar, die einzige echte Grundlage für die neuzeitliche, souveräne, nationalstaatliche Republik.

Wie sich feststellen läßt, wenn man die führenden Zeitungen der europäischen Nationen verfolgt, liegt das bewußte Verständnis der entsprechenden Bedeutung des modernen europäischen Staates selbst in führenden intellektuellen Kreisen in der heutigen europäischen Kultur weit unter dem, was notwendig wäre - unter dem Niveau der politisch-philosophischen Bildung, das in den Streitgesprächen im 18. und 19. Jahrhundert zum Ausdruck kommt. Verantwortlich für den heutigen kulturellen Niedergang in der weltweit verbreiteten europäischen Kultur allgemein ist hauptsächlich die innewohnende Sophisterei des Empirismus oder schlimmer noch des Positivismus und Existentialismus. Der Niedergang des geistigen Lebens in Europa, Nord- und Südamerika in den letzten vier Jahrzehnten läßt sich nur noch als ungeheure Übung in rasch fortschreitendem kulturellem Analphabetismus bezeichnen.

Aber trotz alledem sind wissende und halbwissende Kulturen innerhalb der europäischen Zivilisation an die Wirkungen der Einrichtung der souveränen nationalstaatlichen Republik gewöhnt, selbst wenn sie deren Grundlage im Naturrecht nicht verstehen - wohingegen asiatische Kulturen dazu neigen, die entscheidenden Dinge, die für das Erlangen eines praktisch wirksamen Verständnisses am wichtigsten sind, vom Tisch zu wischen.

Um die Art von Abkommen unter den Nationen zu erreichen, die die Welt braucht - und das unter den Bedingungen der heutigen Krise - , müssen wir also den Vertretern der asiatischen Kulturen ein Verständnis der Kernprinzipien der wichtigsten und besten Merkmale des Kampfes für die Gründung der modernen europäischen nationalstaatlichen Republik von Solon von Athen bis zur ersten Annäherung eines Erfolges Frankreichs Ludwig XI. und Englands Heinrich VII. liefern - in Begriffen, die sie verstehen können.

Die wirksamste Methode ist, gegenüber der führenden intellektuellen asiatischen Persönlichkeit eine erschreckend klare Aussage über die beiden miteinander verwandten Themen "Monotheismus" und "prometheischer Mensch" zu treffen. In allen gültigen Zweigen wissenschaftlicher Forschung, einschließlich der Staatskunst, kann der individuelle menschliche Geist nur durch die rücksichtslose Darstellung eines echten Paradoxes - wie in einem platonischen Dialog - dazu angeregt werden, sich selbst eine wahre Vorstellung eines Prinzips zu erschaffen; dies kann entweder ein naturwissenschaftliches Prinzip sein oder ein Prinzip der klassischen Kunst bzw. der Staatskunst als Ableitung des Begriffs solcher klassischer Prinzipien künstlerischer Komposition. Wir brauchen an diesem Punkt der Menschheitsgeschichte eine europäisch-eurasische vertragliche Einigung auf der Grundlage von Prinzipien. Dazu muß man berücksichtigen, welche Bedeutung ein "Prinzip" im wissenschaftlichen Sinn hat.

Die monotheistische humanistische Tradition, die den Aufstieg der europäischen Zivilisation der Neuzeit aus dem Mittelalter auszeichnet, beruht auf einer Urvorstellung, die seit der Antike oft das "Prometheus-Prinzip" genannt wurde. Der Name bezieht sich gewöhnlich auf die Prometheus-Trilogie des klassischen Athener Tragödiendichters Aischylos. Wie ich weiter oben betont habe, ist diese Trilogie der neuzeitlichen Zivilisation vor allem durch den einzigen erhaltenen, vorbildlichen Teil der Trilogie, Der gefesselte Prometheus, bekannt. Der gefesselte Prometheus stellt uns in schockierender und tiefsinniger Weise vor die entscheidende Streitfrage der ganzen europäischen Zivilisation. Dies muß auch das Gewissen der führenden Vertreter der asiatischen Kultur erschüttern, wenn beide Seiten die gewünschte Grundlage der vertraglichen Vereinbarung anerkennen sollen.

Übereinkommen, die erreicht werden, indem man in solchen Fragen der Prinzipien Kompromisse eingeht, mögen scheinbar die am wenigsten aufreibende Form der Verhandlung sein, aber am Ende stellt sich immer heraus, daß Abkommen, die auf diese Weise erzielt wurden, auf lange Sicht die wertlosesten sind: weil man dabei den weiterbestehenden, verhängnisvollen Auseinandersetzungen um Prinzipien ausweicht, statt sie zu lösen - das ist so, als würde man versuchen, in ökumenischer Zusammenarbeit ein "Kochbuch für christliche Kannibalen" zu schreiben.

So haben z.B. die gleichsam faschistischen Sophisten (die irrationale Demokratische Partei von Athen, die den Justizmord an Sokrates verübte) Sokrates vorgeworfen, er leugne die Götter. Dieser Vorwurf ist ein typischer Ausdruck der Streitfrage, die das Prometheus-Prinzip von Aischylos' Trilogie aufwirft. Auch der blutige Massenmord des Römischen Reiches an den Christen, von der Zeit Kaiser Neros bis zur ersten Zeit der Herrschaft des Diokletian, ist ein typischer Ausdruck des oft als "heidnisch" oder "pantheonfreundlich" bezeichneten oligarchischen Prinzips, das die Leute auszeichnet, die wir als die größten Verderber der europäischen Kultur verabscheuen müssen - die praktisch existentialistische, philosophisch reduktionistische Tradition der griechischen Sophisten und verwandter Gruppen.12

Nachdem soviel als unvermeidliche Vorarbeit gesagt ist, wollen wir nun weiter voranschreiten.

Das Argument der klassischen Humanisten (christlichen Humanisten) ist, daß das einzelne Mitglied der menschlichen Gattung sich dadurch grundlegend von den Tieren unterscheidet, daß in ihm die Fähigkeit angelegt ist, wirksames Wissen über universelle physikalische Prinzipien - wie Johannes Keplers Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation - zu entdecken und weiterzugeben.13 Die Fähigkeit des individuellen menschlichen Geistes, experimentell beweisbares Wissen universeller Naturprinzipien zu entdecken und weiterzugeben, ist der experimentelle Ausdruck dieses grundsätzlichen Unterschieds zwischen Mensch und Tier. Aufgrund dieser Fähigkeit zur praktischen Kenntnis universeller Naturprinzipien unterscheidet sich der Mensch von den Tieren im wesentlichen dadurch, daß er "nach dem Ebenbild des Schöpfers geschaffen ist". Dieser einzige, universelle Schöpfer ist - wie Philon von Alexandria neben anderen wichtigen Leuten, einschließlich Christen, gegen die Aristoteliker seiner Zeit argumentierte - ein Gott, der lebendig, wirksam tätig und unsterblich ewig anwesend ist und damals wie heute eine universelle Kraft für unendlich weitergehende Veränderung im Universum darstellt.

Diese Auffassung der wechselseitigen Natur und Beziehung von Schöpfer und menschlichem Individuum bildet sowohl das Wesen des Besten der europäischen Kultur als auch innerhalb dieser europäischen Kultur die einzige Voraussetzung, die eine dauerhafte, ökumenische Übereinkunft z.B. zwischen europäischen und asiatischen Kulturen möglich macht - die einzige Voraussetzung dafür, daß die asiatischen Kulturen einem solchen Abkommen wirklich trauen können.

Das Leugnen der Existenz dieser Eigenschaft des Menschen und seines Schöpfers drückt sich im pantheonischen oder oligarchischen Prinzip aus. Die zeitgenössischen Feinde des Sokrates und Platon verbanden dieses oligarchische Prinzip beispielsweise mit dem babylonischen oder persischen Gesellschaftsmodell; auf dieses oligarchische Modell stützte sich die Gründung des später imperialen Römischen Reiches. Der bösartige Pantheon der Götter von Zeus' Olymp - Zeus als der leibhaftige Satan aus der Aischylos-Trilogie - ist typisch für dieses oligarchische Modell.14

Obwohl die ersten modernen Nationalstaaten im 15. Jahrhundert entstanden, zeichnet sich diese klassische Tradition in der europäischen Zivilisation, die sich bis auf den beispielhaften Einfluß der Pythagoräer, von Thales, Solon und Platon zurückverfolgen läßt, wesentlich dadurch aus, daß sie sich von Anfang auf das Ziel verpflichtete, eine verfassungsmäßige Republik aufzubauen, wie sie die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 definiert und die Präambel der Verfassung der USA von 1787-89 mit ihrer obersten Autorität ausdrückt.15

Auch wenn dieses Ziel bisher nur ansatzweise und gemessen an der gesamten europäischen Geschichte seit Solon von Athen nur für sehr kurze Zeit verwirklicht wurde, hat die Absicht, die souveräne Republik als höchste Körperschaft des Rechts einer Nation aufzubauen, seit der Antike bis zur Gegenwart von Anfang an und immer bestanden. Dieser ständige Blick hin auf die Entwicklung und Erhaltung einer Ordnung souveräner nationalstaatlicher Republiken in der Geschichte ist Ausdruck der besonderen Eigenheit und Errungenschaft der europäischen Zivilisation.

Die Gesamtheit der europäischen Zivilisation im richtigen Sinn ist ein langer Kampf - insbesondere innerhalb der europäischen Kulturen - für den Aufbau der souveränen nationalstaatlichen Republik anstelle des Erbes so verderblicher Einflüsse wie dem des olympischen Zeus. An die Stelle der Vorstellung der Herrschaft einer regierenden unsterblichen Oligarchie über den Menschen und sein Universum tritt eine Ordnung souveräner Nationalstaaten, in deren Menschenbild der Mensch von den Tieren grundsätzlich verschieden ist und über ihnen steht. Jeder einzelne ist als schöpferisches Wesen als Ebenbild und Diener eines einzigen lebendigen Schöpfers geschaffen, und der Schöpfer hält ihn verantwortlich für die Ordnung und Herrschaft über das ständig verbesserte Universum, das die Menschheit bewohnt. Mit anderen Worten: Im Widerstand eines menschlichen Helden, Prometheus, gegen die bösartige Oligarchie, für die der olympische Zeus steht, drückt sich die wichtigste Frage der gesamten europäischen Kultur aus.

Das Prinzip der souveränen Republik hat also eine Einschränkung, es unterliegt dem Naturrecht, wie es in Platons Dialogen definiert ist. Das lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Fragen, die der Gebrauch des Begriffs "prometheischer Mensch" aufwirft.

Die Auseinandersetzung zwischen dem olympischen Zeus und Prometheus in der Aischylos-Trilogie dreht sich um den Vorwurf, daß Prometheus den Menschen das Wissen über den Gebrauch des Feuers weitergab.

Empirismus: Zeus als Satan

Der entscheidende Punkt ist: Ob in Form des Bildes von Zeus' fabelhaftem Olymp oder in Form der reduktionistischen philosophischen Schulen der europäischen Neuzeit wie dem Empirismus oder den Phrasen der Anhänger Bertrand Russells und der Existentialisten - die Oligarchie bestreitet fanatisch, daß der Mensch die Fähigkeit zur Entdeckung und Umsetzung von Prinzipien hat, die als universelle Naturprinzipien experimentell nachweisbar, aber mit den Mitteln bloßer Sinneswahrnehmung nicht erkennbar sind. In der Politik drückt sich dies darin aus, daß die lebende Oligarchie alles tut, um die Verpflichtung der neuzeitlichen Zivilisation auf wissenschaftlichen Fortschritt zur Steigerung der Macht des Menschen über unser Universum zu bekämpfen und zu unterdrücken. Sie wollen ein System der Unterdrückung, das der menschlichen Natur widerspricht, wo wissenschaftlich-technischer Fortschritt des Menschen als etwas "Schlechtes" verboten ist - so wie der heidnische olympische Zeus der Aischylos-Trilogie Prometheus eben deswegen verdammt.

Indem er den Menschen das Wissen um universelle Naturprinzipien wie das Prinzip des Feuers und dessen Anwendung verbietet, verdammt Zeus die Menschheit dazu, statt als Geschöpf im Ebenbild des Schöpfers wie Tiere zu leben. Das ist genau das satanische Prinzip. Der neuzeitliche Empirismus tut das gleiche in etwas abgeänderter Weise - aber mit dem gleichen Endergebnis, das sieht man an den letzten vier Jahrzehnten Niedergang der europäischen Zivilisation unter wissenschaftsfeindlichen "Zurück zur Natur"-Kulten, eine Art gesellschaftlicher Krankheit, die "Syphilis der Gegenkultur", die ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre immer größere Teile der Jugend befallen hat.

Die Absicht der Sekte des Empirismus, die der Venezianer Paolo Sarpi mit eben diesem Ziel gründete, zeigte sich ganz direkt und offen an den Sektenkreisen Bertrand Russells und seiner Anhänger wie seinen ergebenen Dienern Norbert Wiener und John von Neumann. Mit der Behauptung, alle wissenschaftliche Erkenntnis lasse sich von algebraischen Funktionen schlimmster arithmetischer Art ableiten, wollte Russell - wie er auch ganz offen bekannte - den Fortschritt der Wissenschaften aufhalten, indem er die Methode verbot, mit der Studenten und andere Entdeckungen experimentell gültiger Naturprinzipien nachvollziehen können.16

Aber das war nicht Russells eigene Idee; es war die Standardlehre der anglo-holländischen liberalen Sekte und die Grundlage des physiokratischen Schwindels, den Adam Smith bei François Quesnay und Turgot abschrieb. Wichtig an Quesnay ist in diesem Zusammenhang, daß er steif und fest behauptet, die Bauern auf dem Grund und Boden eines Gutsbesitzers stünden auf einer Stufe mit dem Vieh. Diese Annahme ist das Wesentliche an Adam Smiths Lehre vom "Freihandel", war aber auch schon der Hauptgedanke in Smiths Theorie der moralischen Empfindungen (Theory of Moral Sentiments, 1759) und der Sozialdoktrin von Galileos Schüler Thomas Hobbes.

Dieses Unterdrücken der bewußten Beteiligung der großen Masse der ärmeren Menschen am wissenschaftlichen und verwandten Fortschritt ist die üble Kraft, die uns heute in Form einer neuen faschistischen Gefahr innerhalb der europäischen Zivilisation gegenübersteht, und sie ist das politische Motiv für Veränderungen in der Weltzivilisation unter dem Deckmantel des "Umweltschutzes", die den größten Holocaust in der bekannten Menschheitsgeschichte auslösen würden - eine Verringerung der Weltbevölkerung von mehr als sechs Milliarden Menschen auf weniger als eine halbe Milliarde größtenteils verelendeter Menschen mit sehr kurzer Lebenserwartung, die in einer Weise dahinvegetieren, die an Schimpansenhorden erinnern würde.

Diese Perversion der praktizierten europäischen Kultur heute ist ein Ausdruck der Doktrin des olympischen Zeus. Dies ist die Lehre des modernen Empirismus. Darum ging es in Carl Gauß' Angriff gegen den bösartigen Fehler der Empiristen d'Alembert, Euler, Lagrange usw. zum Fundamentalsatz der Algebra in seiner Doktorarbeit 1799. Darum ging es auch, als Gauß seine eigenen Beiträge zur Entdeckung einer antieuklidischen Geometrie (nicht zu verwechseln mit der nichteuklidischen Geometrie von Lobatschewskij und Janos Bolyai) aus Furcht vor Verfolgung unterdrückte.

Die Vernunft unterscheidet den Menschen vom Tier und stellt ihn über es. Unter Vernunft verstehen wir die Fähigkeit zur Entdeckung universeller physikalischer Prinzipien, etwas, was kein Tier nachvollziehen kann. Dies steht in Wechselbeziehung zu dem Gedankengang bei Wernadskijs Definition des experimentellen prinzipiellen Beweises der Existenz der Noosphäre, der auf das gleiche hinausläuft: daß der menschliche Geist die Kraft zur grundlegenden Veränderung der Ordnung des Universums - über das innerhalb der Grenzen des abiotischen Bereichs und der Biosphäre Mögliche hinaus - erkennen und anwenden kann.

Der Mensch ist also einerseits ein sterbliches Wesen wie die Tiere auch; aber andererseits verkörpert er im Universum etwas, was über allen anderen Lebewesen steht: die Schöpferkraft, die experimentell mit den Wirkungen der Noosphäre verbunden ist. Diese Schöpferkraft, die durch das Wesen eines einzelnen Menschen erzeugt wird, vermittelt sich als Kraft, als Wirkung auf andere Menschen und zukünftige Generationen. Dieses wirksame Vermitteln solchen universellen Wissens über lange Zeiträume auf zukünftige Generationen, nicht das sterbliche Fleisch, ist der Hauptinhalt der menschlichen Identität. Dies ist die unsterbliche Seele in Platons und Moses Mendelssohns Phaidon. Diese menschliche Identität ist der wahre Inhalt sozialer Beziehungen, sie ist die einzige angemessene Grundlage für den Begriff "Gesellschaft" und für das Prinzip, aus dem sich die Verpflichtung der Gesellschaftsform des souveränen Nationalstaats zur Förderung des Gemeinwohls der Menschheit ableitet.

Bei Prometheus geht es also um das gleiche wie bei der Absicht hinter Platons Staat, wie sie sich bei Solon von Athen und in allen platonischen Dialogen ausdrückt. Es ging und geht um die Geburt der neuzeitlichen europäischen nationalstaatlichen Republik im 15. Jahrhundert - jene großartige Errungenschaft, die heute immer noch in Gefahr ist - : eine Gesellschaftsform, die ausdrücklich dem Ziel dient, daß alle Menschen bewußt an der Ordnung des wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts in den allgemeinen menschlichen Verhältnissen mitwirken und sich daran erfreuen. Wenn man diese Prometheus-Frage nicht in diesem Sinne versteht, dann gibt es auch keine klare Absicht, kein Prinzip, auf dem man eine Vertragsorganisation, die den Zielen einer Gemeinschaft moderner souveräner Nationalstaaten gerecht wird, aufbauen kann.

wird fortgesetzt


Anmerkungen

5. Das Wort "liberal" beschreibt einen Zustand, wo die Vorstellung der Wahrheit grundsätzlich ausgeschlossen wird, eine moderne Sophisterei, die von den Anhängern des Gründers des modernen Empirismus, des Venezianers Paolo Sarpi, ausgeheckt wurde. (Der Liberalismus zeichnet sich also durch den Ausschluß jedes Wahrheitsprinzips aus.) Zu den entsprechenden Anhängern Sarpis gehören sein Hausdiener Galileo Galilei, Francis Bacon und Thomas Hobbes aus England und solche Gründer des anglo-holländischen und französischen Liberalismus des 18. Jh. wie John Locke, Bernard Mandeville, François Quesnay, David Hume, Voltaire, d'Alembert sowie Lord Shelburnes Lakaien Adam Smith, Edward Gibbon und Jeremy Bentham. Der Begriff Liberalismus ist gleichbedeutend mit Begriffen wie "Die französische und englische Aufklärung des 18. Jh." oder die "Venezianische Partei" des 18. Jh. Dies wäre immer noch die eigentlich richtige Bezeichnung für den "liberalen Imperialismus" der Fabianerfraktion in der britischen Regierung unter Tony Blair und für den Kantianismus, der als Denkgebäude auch kein Wahrheitsprinzip gelten läßt. Alle diese Vorläufer der Regierung Blair stehen für eben diesen anglo-holländischen, liberalen Imperialismus, der mit dem Pariser Vertrag vom Februar 1763 für die Interessen der Britischen Ostindiengesellschaft begründet wurde. Das Amerikanische System der politischen Ökonomie, wie es US-Finanzminister Alexander Hamilton und andere definierten, ist der wahre Gegenpol des philosophischen Liberalismus, seit der Pariser Vertrag die Wurzeln der Amerikanischen Revolution anlegte, indem er das Weltreich des liberalen Imperialismus der britischen Ostindiengesellschaft zum Hauptfeind unserer Nation machte. Der Begriff "imperialistisch", wie ihn der britische liberale Imperialismus heute verkörpert, bezeichnet den Versuch einer Wiederbelebung der "ultramontanen" Weltordnung des Mittelalters, die nationalstaatsfeindliche Herrschaft der venezianischen Geldoligarchie im Bündnis mit den normannischen Rittern, die im neuen finsteren Zeitalter des 14. Jh. in sich zusammenbrach.

6. Mit einer großen Zwischenphase von Schmelze und Überflutung um 10 000 v.Chr., wie Platon berichtet. Ich verweise auch auf jüngere Studien über Siedlungen am Schwarzen Meer aus der Zeit, als der Anstieg des Wassers es von einem Süßwassersee in ein Salzwassermeer verwandelte.

7. Bal Gangadhar Tilak, Orion (1893) und The Artic Home in the Vedas (1903).

8. Dies ist keine Übertreibung, keine bloße Vermutung. Der Wissenschaftler Wladimir Wernadskij weist mit seiner Beschäftigung mit der Noosphäre auf die hieran beteiligten Prinzipien. Siehe Lyndon LaRouche, The Economics of the Noösphere, EIR News Service, Washington 2001. Siehe die Beschäftigung mit dem Thema weiter unten.

9. Dies ergänzt das mit dem Stichwort "Kettenlinie" angesprochene Prinzip der universellen geringsten Wirkung in Leibniz' kategorisch infinitesimalem Kalkulus.

10. Schillers Antrittsrede an der Jenaer Universität Was ist und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? vom 26.-27. Mai 1789.

11. Siehe Kardinal Nikolaus von Kues, De pace fidei, dt. Der Friede im Glauben, Trier 1982.

12. Da das Thema dieses Berichtes eine Ordnung brüderlicher Beziehungen insbesondere zwischen europäischen und asiatischen Kulturen ist, muß die praktische Definition von "christlich" an dieser Stelle präzise und wissenschaftlich streng sein. Wenn ich in dieser und anderen Schriften den Begriff "Christ" verwende, bezeichne ich damit die Lehre und Praxis eines Glaubens an die wesentlichsten Grundsätze einer gebildeten, humanistischen Auslegung des ersten Kapitels der Genesis und des Inhalts des Neuen Testaments, insbesondere des Johannesevangeliums und der Paulusbriefe - alles verstanden aus Sicht der Methode des Johannes und Paulus, die im Grundsatz mit der Methode im Timäus und anderen Dialogen Platons übereinstimmt. Unter "Christen" verstehe ich die Menschen, die diese Glaubensgrundsätze, wie sie die klassische Methode des Johannes und Paulus definiert, entweder ausdrücklich teilen oder deren Wirkung als Grundlage ihres eigenen Glaubens und Handelns angenommen haben. Menschen ohne angemessene Kenntnis der Prinzipien der Epistomologie bezeichnen meine Erklärung oft als methodisch "idealistisch", was den verräterischen Einfluß radikal reduktionistischer Methoden auf ihre Meinung zum Ausdruck bringt. Der physikalische Bereich der platonischen Methode ist identisch mit der Vorstellung eines mathematisch-physikalisch komplexen Bereichs, wie ihn Carl Gauß und Bernhard Riemann für den modernen wissenschaftlichen Gebrauch beispielhaft definiert haben.

13. Nicht zu verwechseln mit den "Stoßmich-schlagmich-ziehmich"-Begriffen der kartesischen und verwandter Lehren.

14. Die schrecklichen Folgen des Peloponnesischen Krieges lösten das Bestreben aus, ein neues Reich nach dem Vorbild der mesopotamischen Reiche zu schaffen, welches die Reichweite der griechischen, ägyptischen und nah-mittelöstlichen Kulturen in sich vereinen sollte. Platons Anhänger in der Athener Akademie konnten dieses Vorhaben "umdrehen", indem sie sich mit der Sache Alexanders des Großen, Sohn Philipps von Makedonien und Gegner des Aristoteles, verbündeten. Dies führte im östlichen Mittelmeerraum zur Auflösung des Achämenidenreiches und der zeitweiligen Vorherrschaft einer hellenistischen Kultur - diese ihrerseits kulturell beherrscht vom klassischen griechischen Erbe der Platonischen Akademie von Athen und Cyrenaica (der des Eratosthenes), deren Zentrum nun im ptolemäischen Ägypten lag. Durch eine Absprache Oktavians (des späteren Kaisers Augustus) mit den Priestern des Mithrakultes - die auf der Insel Capri getroffen wurde, die von da an bis etwa 500 n.Chr. heiliger Besitz der Cäsaren war - kam dann die Gründung des "neuen Perserreiches" zustande. Als der Mithrakult sich gegen Antonius und Kleopatra auf die Seite Oktavians stellte, war entschieden, wer an der Spitze dieses "neuen Perserreiches", das die Christen die "Hure Babylon" nannten, stehen würde. Nichts davon ist als "zufällig" oder unwillkürlicher Niedergang der Kultur Athens aufzufassen. Die Kultur eines Volkes, hier die fortgeschrittenste Strömung der griechischen Kultur eines Thales, Solon und der Pythagoräer, wurde von den Feinden dieser Kultur, den Eleaten, Sophisten usw., planmäßig verdorben - und hinterher gaben sich die Griechen sozusagen selbst den Rest.

15. Der entscheidende Rechtsgrundsatz, auf den sich die Gründung der amerikanischen Republik unter Benjamin Franklins Führung im Jahr 1776 stützte, war die Ablehnung des Prinzips des anglo-holländischen Liberalismus, das den Kern von John Lockes Abhandlung über den menschlichen Verstand ausmacht. Im Mittelpunkt der Vorbereitungen auf den amerikanischen Unabhängigkeitskampf - der eine Reaktion auf die Gründung des britischen Weltreichs der britischen Ostindiengesellschaft mit dem Pariser Vertrag 1763 war - stand Benjamin Franklins internationale Persönlichkeit, und Leibniz' Angriff auf Locke in seiner Neuen Abhandlungen über den menschlichen Verstand hatte auf sie wesentlichen Einfluß. Daher taucht in der Unabhängigkeitserklärung Leibniz' entsprechender Ausdruck als zentrales affirmatives Prinzip des universellen Naturrechts auf: das Recht auf "Streben nach Glück", statt des Lockeschen Prinzips des "Eigentums" (d.h. "Shareholder value"), worauf sich die Sklavenhalter beriefen. Dies wurde 1787-89 als Präambel der Verfassung erneut zum grundlegenden Verfassungsrecht der amerikanischen Bundesrepublik erklärt. Dieses Naturrechtsprinzip (das "Gemeinwohl", für das auch das Frankreich Ludwigs XI. und England Heinrichs VII. gegründet worden waren) ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Verfassungsrecht der USA und dem Verfassungsrecht west- und mitteleuropäischer Staaten heute. Unter der Verfassung der USA ist eine unabhängige Zentralbank, das Kennzeichen des venezianischen Systems, zumindest vom Prinzip her verboten.

16. Diese Streitfrage veranlaßte Russells Kreise, darunter John von Neumann, den Wissenschaftler Kurt Gödel aus Zorn über dessen Aufsatz "Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme" (Monatshefte für Mathematik und Physik, 38 (1931), S.173-198) kaltzustellen. Gödels Schrift ist das herausragendste unter den wissenschaftlichen Werken, die radikal positivistische Schwindel wie Norbert Wieners Informationstheorie und v.Neumanns/Morgensterns Spieltheorie in Theory of Games and Economic Behaviour widerlegen. Das RLE am MIT ist eines der wichtigen Kultzentren der Ableger von Russells radikal irrationaler Lehre.

 

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