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Aus der Neuen Solidarität Nr. 48/2008

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Kreativität in Kunst und Wissenschaft

Die letzte Frage, die Lyndon LaRouche in seinem Internetforum vom 18. November beantwortete, betraf das Thema, was die Künstler von heute tun müssen, um eine neue Renaissance herbeiführen zu können.

Schlanger: Ich muß sagen, ich bin ziemlich beeindruckt von der Bandbreite der Fragen, die buchstäblich aus aller Welt hereinkommen. Ich sollte hier übrigens erwähnen, daß es neben den schon angesprochenen Versammlungen in Iberoamerika auch in Westeuropa zahlreiche Treffen der LaRouche-Jugendbewegung im Rahmen dieses Internetforums gibt, und auch an zahlreichen Universitäten in den Vereinigten Staaten. Ich weiß, daß das an der Universität von Texas so ist, an der Universität von Houston, im Großraum Boston und entlang der gesamten Westküste. Wir werden nicht die Zeit haben, alle diese Fragen zu beantworten, aber wir werden sicherstellen, daß sie an Herrn LaRouche weitergeleitet werden. Wenn Ihre Frage heute nicht beantwortet wurde, werden wir sehen, was er im Rahmen seiner Möglichkeiten tun kann.

Aber ich habe eine Frage, von der ich denke, daß sie dir gefallen wird, Lyn. Sie kommt von einem jungen klassischen Künstler aus dem Herzen Europas, der schreibt, er habe Umgang mit vielen talentierten Malern, Bildhauern, Poeten und Musikern, die alle deine Person und deine Ideen unterstützen. „Und da wir alle sehr damit übereinstimmen, daß eine neue Wiedergeburt, eine neue Renaissance, der einzige Weg ist, das Augenmerk wieder auf die physische Produktion und die Untersuchung der wahren Wissenschaften zu richten, habe ich die folgenden, wichtigen Fragen über die Kunst: Was, außer dem Studium der Natur und ihrer Prinzipien, würden Sie einem Künstler in einer Zeit der Postmoderne raten? Wenn wir unsere Fähigkeiten vervollkommnet haben, wohin sollen wir uns dann wenden? Gibt es heute Leute auf der Welt, die bereit sind, uns zu unterstützen und zuzuhören? Und wie sollen wir diejenigen erkennen, die wirklich edel sind, und sie von den Betrügern unterscheiden?“

Der zweite Teil der Frage lautet: „Welche Themen würden Sie für die wichtigsten halten, die in einer neuen Literatur, in einer wiedergeborenen dramatischen Kunst und in der Malerei behandelt werden sollten? Große Taten, seien sie gut oder böse, sind ein herrliches Thema für Dramen, und da unser Renaissance-Projekt über Generationen fortlaufen könnte, bitten wir um Ihren Rat, daß wir das richtige Fundament legen.“

LaRouche: In dieser Frage kann ich eure Aufmerksamkeit auf etwas lenken, was ich gerade geschrieben habe, was gerade in EIR veröffentlicht wurde und bald auch andernorts zur Verfügung stehen wird, zu dem Thema, daß Mathematik keine Wissenschaft ist. Und das betrifft zwei Bereiche - vor allem die Naturwissenschaft, denn kein Naturprinzip kann durch Mathematik bestimmt werden. Schon ihrer Definition nach liegen Prinzipien der Naturwissenschaft außerhalb der Domäne der Mathematik, und das wird nirgendwo besser illustriert als durch den Fall der einzigartigen und ursprünglichen Entdeckung des universellen Prinzips der Gravitation durch Johannes Kepler. Das hat Einstein betont, der die Angelegenheit von Bernhard Riemanns Standpunkt aus betrachtete - daß das Prinzip selbst außerhalb der Mathematik liegt und die Mathematik begrenzt.

In ähnlicher Weise kann man das Prinzip der Kreativität in der Kunst in verschiedener Weise betrachten. Nehmt den Fall des klassischen Dramas als relevantes Beispiel, insbesondere die klassische Tragödie. Nun, so etwas wie einen individuellen Helden oder eine tragische Figur gibt es im klassischen Drama nicht. Das heißt, keine Figur im klassischen Drama qualifiziert sich als eine individuelle tragische Figur - sonst ist es kein klassisches Drama... Nehmt alle Stoffe des klassischen Dramas, fangt an mit dem, was wir über die europäische Geschichte wissen. Fangt an mit dem ersten berühmten klassischen Drama, das Homer zugeschrieben wird. Was ist die Ursache der Tragödie in der Illias? Ihr habt, außer einer Figur, die in den meisten Fällen als individueller Held wirkt, alle diese Götter und Halbgötter, und das sind Penner. Und diese armen Leute hören auf den Rat, den ihnen diese Götter und Halbgötter, die mit ihren verschiedenen Plänen herumlaufen, in die Ohren flüstern, usw. Und deshalb gibt es ein Gemetzel.

Nun, wenn ihr die Gesamtheit der klassischen griechischen Tragödie nehmt - sie beruht auf diesem Modell der Illias. „Stimmen, Stimmen von außen, haben mir diese mysteriöse Botschaft übermittelt, ich muß mich daran halten.“ Oh! Tragödie - nicht wahr? Und dann gibt es solche Desaster.

Deshalb ist das Prinzip des klassischen Dramas einfach, daß es keine tragischen Helden gibt. Es gibt kein Individuum, das an der Tragödie schuld wäre - das ist einfach romantischer Unsinn. Die Leute sagen das zwar, aber ich will nicht sehen, wie sie die Stücke aufführen. Sie ekeln mich an. Die Tragödie liegt in der Tatsache, daß die Gesellschaft auf die eingebildeten Götter hört, und unfähig ist, rational zu handeln, weil sie in dem gefangen ist, was sie von diesen verrückten Göttern eingeflüstert bekommt, oder von dem, was sie für diese verrückten Götter hält. „Wir können das nicht tun! Bitte tut das nicht!“ „Tut das nicht!“ „Es wird etwas geschehen, wenn ihr das tut!“ Und deshalb ist die Gesellschaft gefangen wie in einem Stacheldrahtzaun oder elektrischen Zaun, durch eine Reihe von Ängsten, mysteriösen Ängsten, und sie können nicht handeln.

Manchmal gibt es eine Figur, die sagt: „Genug von diesem Unsinn! Ich werde es tun. Es muß geschehen, aus rationalen Gründen. Ich will nicht auf die Stimmen der Götter hören.“ Und sie handelt, und handelt als Held, um diese Gesellschaft vor sich selbst zu retten. Aber im Normalfall, wie im Fall vieler unserer Präsidenten in letzter Zeit, war der Präsident - so talentiert er auch sonst war - ein verdammter Narr, der auf das Geflüster hörte: „Du wirst nicht als erfolgreich gelten, wenn du das nicht tust. Wir werden dich nicht mögen, wir werden dir nicht helfen, wenn du das nicht tust.“ Und so verwandelt er sich in einen kriecherischen Feigling, der Dinge aus Bequemlichkeit tut. „Sehen Sie nicht, daß Sie das nicht wagen würden? Sie sind närrisch...“ - „Ja, ich würde das tun!“ -  „Nein, ich kann das nicht tun!“

Bumm, Krach - Die Gesellschaft geht zur Hölle. Und deshalb existiert der Held in den tragischen Fällen nicht als Individuum. Der Held ist jemand, dem es gelingt, die Gesellschaft zu überzeugen, wie es Roosevelt tat oder wie es Lincoln tat, um die Gesellschaft zu erheben, daß sie das tut, was notwendig ist, ohne Rücksicht auf die närrische Furcht vor dem Geflüster der Leute, die mit den Göttern tuscheln. Der Held existiert also, aber nicht als individuelle tragische Figur.

Tragisch ist die Gesellschaft als solche. Eine Gesellschaft von Menschen, die auf das Geflüster hört: „Tue das nicht! Mutter sagt, tue das nicht! Vater sagt, du tust das besser nicht! Der Nachbar, der ein sehr gut informierter Mann ist, sagt, daß das keine gute Idee ist, weißt du? Sie könnten dich schnappen.“ Und das bringt dich um. Und deshalb existiert die Idee des Helden, des tragischen Helden - aber das tragische Individuum existiert nicht. Nehmt den berühmten Fall, Schillers Wallenstein. Wallenstein ist eine Tragödie, aber auch wiederum nicht, jedenfalls nicht die von Wallenstein. Wallenstein ist nicht in der Lage, eine Lösung zu erkennen, die außerhalb des ihm gesteckten Rahmens liegt.

Und man bekommt ein Gefühl dafür im ersten Teil des Wallenstein, Wallensteins Lager: Die Ansammlung dieser riesigen Armee, um einen Religionskrieg zu führen, der alles zerstören wird. Und das Drama, die Trilogie, endet mit Wallensteins Tod. Aber der Dreißigjährige Krieg endete damit nicht. Und Schiller schrieb dies auf der Grundlage seiner Studien nicht nur über den Dreißigjährigen Krieg, sondern auch über den Niederländischen Krieg, der ihm voranging. Er kombinierte beide - den Krieg in den Niederlanden und Wallensteins Krieg, den Dreißigjährigen Krieg - oder einen Teil davon, als Einheit.

Die Tragödie liegt in unserer Gesellschaft, nicht in ihren führenden Individuen. Die Gesellschaft will ihre führenden Individuen für das verantwortlich machen, was sie sich selbst angetan hat! Etwa für das, was die Vereinigten Staaten sich selbst angetan haben! Es gab keinen Präsidenten, der das getan hat, was den Vereinigten Staaten seit Roosevelt angetan wurde. Die meisten Präsidenten der Vereinigten Staaten waren tragische Figuren in diesem Sinne, aber sie waren tragisch, weil sie auf die Mächte hörten, die die Vereinigten Staaten kontrollieren, auf die flüsternden Götter und Göttinnen, und die närrischen Leute auf der Straße. Und wo ihnen die Vernunft geraten hätte, anders zu handeln, sagten sie: „Sie müssen die Gefühle meiner Familie bedenken. Sehen Sie, meine Frau würde sich scheiden lassen!“ Und so weiter, und so fort. Alle diese Ängste.

Und das Problem in der Politik und im wirklichen Leben ist das, womit sich das wirkliche Drama befaßt. Die größten Dramatiker sind nicht irgendwelche Faulenzer, die sich in ihrem Kämmerlein Geschichten ausdenken. Sie sind Leute, die die Realität wie eine große Dichtung betrachten, wie ein weiteres großes Drama. Sie betrachten die Realität und leiten von der Realität einen Weg ab, mit dem sie versuchen, den Menschen die Realität zu zeigen, in der sie leben. Warum sie sich so verhalten, wie sie es tun. Warum sich die Gesellschaft so verhält, wie sie es tut. Es geht nicht darum, Sie mit einer überraschenden Geschichte anzuregen. Es geht darum, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie man aus einer Gesellschaft herauskommt, die Ihnen Angst einflößt. Als Mitglied des Publikums kommt man herein, und man hat es mit einer Lage zu tun, die man nicht versteht, die man nicht lösen kann. Und wenn der Dramatiker gute Arbeit leistet und die Schauspieler gute Arbeit leisten, dann kommt man heraus, nicht mit einem Gefühl, daß man das Problem vollkommen verstanden hätte, aber mit dem Gefühl, daß es etwas ist, was man verstehen kann! Es ist etwas, womit man umgehen kann. Es erinnert Sie an Situationen im Leben, mit denen man möglicherweise umgehen könnte, an die Gesellschaft, im großen Maßstab.

Das ist also die Beziehung. Das ist Wissenschaft. In der Wissenschaft geht es um den Versuch des Menschen, sich das Universum untertan zu machen, wie es im ersten Kapitel der Genesis heißt. Mann und Frau sind einzigartig in ihrem Verständnis des Schöpfungsprozesses, und darin, daß sie in der Lage sind, etwas zu tun, um diesen Prozeß zu verändern als Unterstützer einer notwendigen darauf folgenden Änderung dieses Prozesses. Unsere Aufgabe ist, das Universum zu verstehen, unsere Umwelt zu verstehen, die Bedingungen zu verstehen, die uns und unser Leben und unsere Nationen formen. Und den menschlichen Geist - seine kreativen Fähigkeiten, seine Einsichten - zu nutzen, um zu sehen, was die Lebensbedingungen sind, und wie wir sie zum Wohle der Menschheit ändern können.

Roosevelt hat das getan. Abraham Lincoln hat das getan. George Washington hat das getan. John Quincy Adams hat das getan. In gewissem Sinne hat das auch Bismarck getan. Tatsächlich war Bismarck ein Held, in dem, was er tat, in dem Rahmen, in dem er wirkte. Er ist nicht gescheitert. Lazare Carnot war ein Held im Rahmen dessen, was er tat. Er ist nicht gescheitert. Viele große Wissenschaftler waren Helden in dem Sinne, daß sie sich einer Herausforderung mit Erfolg gestellt haben... Martin Luther King war einer der größten Helden der Vereinigten Staaten. Er war ein Mann, der aufgestanden ist und etwas getan hat, was kein anderer tun konnte. Er hätte Präsident sein sollen - deswegen wurde er wohl umgebracht. Er hatte jene Qualität, die keiner um ihn herum hatte. Einzigartig. Er war ein wahrer Held.

Und das ist es, was wir in der Tragödie zu verstehen suchen. Und wir müssen die gleiche Haltung einnehmen gegenüber der klassischen Kunst wie gegenüber Fragen der Wissenschaft. So ist das Universum organisiert. Die beiden sind also im Wesentlichen das gleiche. Und dabei geht es darum, einen höheren Geisteszustand zu erreichen, wie es der Fragesteller sagte, als er von einer Gruppe von Menschen sprach. Sie haben gewisse Fertigkeiten. Können sie den nächsten Schritt machen? Ja, gut, fein, sie wissen dieses oder jenes. Kannst du das, wovon du sprichst, auch wirklich verstehen, wie es im wirklichen Leben gilt? Kannst du es wirklich begreifen? Das ist die Herausforderung. Es ist die gleiche Herausforderung in der Naturwissenschaft...

Ich meine, das klassische Drama ist eines der besten Beispiele. Ich habe das kürzlich in diesem Aufsatz geschrieben. Ich beziehe mich auf den letzten Absatz von Shelleys „Verteidigung der Dichtkunst“. Dort ist eine Zusammenfassung des Geisteszustandes, den das Individuum haben muß, einen kreativen Geisteszustand; die Funktion der Poesie und ähnlicher Aspekte, um die Gesellschaft zu verstehen und um zu verstehen, was man tun muß, um die Gesellschaft so zu beeinflussen, daß sie ihre Probleme löst. Diese Haltung findest du auch in der Art, wie Rembrandt ein Bild malt - seine wunderbare Darstellung der Büste des Homer, die sich das lächerliche Spektakel des Aristoteles betrachtet. Das ist es, was man wahrnehmen muß.

Und du mußt dich selbst als jemanden sehen, der einem Naturwissenschaftler vergleichbar ist, in der Kunst, in dem Versuch, die Menschheit besser zu machen, wenn man die größten Werke der größten Künstler betrachtet, und zu sehen, was sie dir wirklich geben können. Was macht sie zu großen Künstlern? Was ist das Große an Leonardo da Vinci, neben seinen wissenschaftlichen Fähigkeiten, in einigen seiner Gemälde? Dinge dieser Art. Und das Motiv, die Befriedigung kommt aus der Erfahrung, daß man sich gut fühlt, weil man die Menschheit ein bißchen besser versteht als man es zuvor getan hatte. Und weil man sich selbst ein bißchen besser versteht als man es zuvor getan hatte. Und dieses Gefühl ist in der Naturwissenschaft und in der großen klassischen Kunst genau dasselbe.

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