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Aus der Neuen Solidarität Nr. 11/2009

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Die Zukunft des Euro

Professor Wilhelm Hankel, ehemaliger Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundesfinanzministerium unter Karl Schiller und ehemaliger Chefökonom der Kreditanstalt für Wiederaufbau, hielt bei der Rüsselsheimer Konferenz des Schiller-Instituts am 21. Februar die folgende Rede.

Als der Euro als europäische Gemeinschaftswährung eingeführt wurde, schrieb einer der bedeutendsten europäischen Ökonomen: „Jetzt finden Wirtschaftskrisen nicht mehr in Europa statt. Das ist eine Sache für die Dritte und die Vierte Welt.“ Meine Damen und Herren, wir sind in der Dritten und der Vierten Welt angekommen.

Die Finanzkrise, die im Mittelpunkt Ihrer Tagung steht, und die gerade erst anfängt und noch nicht zu Ende ist, hat nicht in Europa begonnen, nicht im Euro. Aber der Euro wird die Europäer jetzt leider daran hindern, ohne Blessuren aus dieser Krise wieder herauszukommen. Der Euro ist kein Mittel der Krisenverhinderung, sondern, ganz im Gegenteil, ein Krisenverstärker. Und das will ich begründen.

Als der Euro eingeführt wurde, machten die Hartwährungsländer mit Deutschland an der Spitze, der sogenannte D-Mark-Block, ihren europäischen Freunden ein generöses Zinsgeschenk. In den Ländern, die ich jetzt kurz „Club-Med-Länder“ nennen werde, weil sie mehrheitlich am Mittelmeer liegen - Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, „Ehrenmitglied“ im Club ist  Irland -, also in diesen Ländern wurden die Zinsen gehälftet bis gedrittelt. Spanien hatte Zinsen von 18%, Italien von 14%. Mit Einführung des Euro gingen sie alle auf deutsches Niveau - damals 6-7% - zurück.

Dieses Zinsgeschenk mußte dazu führen, daß die Länder eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Währungsunion, nämlich die Konvergenz von Wirtschaftsentwicklung und -politik, nicht erfüllten. In den Club-Med-Ländern brach von heute auf morgen ein Boom aus, der sich inzwischen zu einer Blase entwickelt hat - einer Kreditinflation aufgrund zu niedriger Zinsen. Ermöglicht wurde dies durch die von den alten Stabilitätsländern „geborgte Kreditwürdigkeit“, denn ihr schwacher Euro war plötzlich gleich dem starken Euro des alten DM-Blocks. Ein spanischer, irischer, italienischer, griechischer Euro hatte denselben Wert, und vor allen Dingen dieselbe Bestandsgarantie wie die deutschen, niederländischen oder österreichischen Euro. Der Garant dieser unechten Euro-Stabilität war die Europäische Zentralbank. Sie tauschte und tauscht bis heute alle diese im Wert so verschiedenen Euro einheitlich zum Kurs 1:1 um.

Ich habe bis heute nicht herausgekriegt, ob die Väter des Euro die Krise, die wir haben, nicht voraus geahnt haben. Denn wenn Sie in Ihr Portemonnaie schauen und einen x-beliebigen Euro-Schein herausnehmen, dann finden Sie vor der Nummer des Scheins einen Buchstaben. Der Buchstabe X steht für Deutschland, der Buchstabe U für Spanien und so weiter. Sie können bis heute jedem Euro ansehen, welche Zentralbank ihn ausgegeben und gedruckt hat. Und obwohl heute noch ein Wechselkurs 1:1 zwischen diesen verschiedenen Euro besteht, schließt das die Möglichkeit nicht aus - ich komme später darauf zurück -, vielleicht doch so etwas wie ein neues, differenziertes Wechselkursregime in Europa einzuführen.

Aber zunächst hat die 1:1-Einführung des Euro in 11 Ländern - inzwischen sind es 16 - zu einem Auseinanderdriften von Wirtschaftsentwicklung und, schlimmer noch, von Inflationsraten geführt. Die OECD hat erst kürzlich berechnet, daß der Inflationsvorsprung der Club-Med-Länder - also derjenigen, die ich eben nannte - gegenüber dem Zentrum zwischen 20%-30% seit Einführung des Euro liegt.

Dieses ist an sich schon schlimm genug und rechtfertigt die von Frau LaRouche erwähnte Klage, die ich vor zehn Jahren zusammen mit drei Kollegen vor dem Bundesverfassungsgericht eingebracht habe. Wir hatten, gestützt auf ein früheres Urteil desselben Gerichts aus dem Jahre 1993, geklagt. Damals hatte das höchste deutsche Gericht lapidar festgestellt - das steht in dem Urteil drin: „Sollte der Euro nicht so stabil sein wie die D-Mark, könnte“ - und ich füge hinzu, müßte - „jede deutsche Regierung wieder aus der Währungsunion austreten.“

Darauf hatten wir geklagt und argumentiert, daß 11 Länder (und erst recht nicht 16 wie heute) nach der Philosophie „one fits all“ niemals die Stabilität der D-Mark erreichen oder werden halten können. Das Gericht hat uns damals gesagt, ein deutsches Verfassungsgericht ist nicht dazu da, den Wahrheitsgehalt ökonomischer Theorien zu überprüfen. Inzwischen liegt er auf der Hand, er ist erbracht!

Hand in Hand mit der Inflationsdisparität aber ging etwas, was auch wir damals in seiner Dramatik unterschätzt haben, nämlich eine massive private Auslandsverschuldung der Club-Med-Länder. Investitionen in Griechenland, auch heute noch eines der instabilsten Länder, Investitionen in Irland, auch heute noch ein instabiles Land, nicht zu reden von Spanien, Portugal, Italien und anderen, hatten ja dieselbe Währungsgarantie, denselben Gläubigerschutz, wie Investitionen in stabilen Ländern. Das Ergebnis war und ist eine massive Auslandsverschuldung all der ehemaligen Schwachwährungsländer. Ob Irland, ob Portugal, ob Spanien, Italien oder Griechenland, nicht zu reden von dazugekommenen „Großstaaten“ wie Malta oder Zypern-Süd - sie alle sind heute weit über die Halskrause auslandsverschuldet. Ich rede nicht von Staatsschulden, ich rede von Privatschulden.

Und jetzt erleben wir in dieser Finanzkrise, wie diese Gelder abfließen. Sie fließen ab aus Irland, sie fließen ab aus Griechenland, sie fließen ab aus all diesen Ländern. Und damit taucht nicht nur in Irland, sondern in der ganzen Gruppe das Gespenst auf: Bankenbankrott plus Staatsbankrott.

„No Bail-out clause“ gegenstandslos

Der dem Euro zugrunde liegende EU-Vertrag enthält jedoch einen Paragraphen 103, der genau diesen Fall vorsieht, in der gegenwärtigen Krise jedoch offensichtlich verdrängt wird - die sog. „no bail-out clause“: Jeder Staat ist für seine Finanzen verantwortlich, und kein Staat hat einen Rechtsanspruch darauf, daß ihn andere auslösen. Und jetzt zeigt sich in dieser Krise, daß die „no bail-out clause“ plötzlich nicht mehr gelten soll. Denn der drohende Staats- und Bankenbankrott in möglicherweise 10 bis 11 von 16 Ländern bleibt natürlich weder ohne Rückentwicklung auf die Währungsunion, den Euro, noch auf den Zusammenhalt der EU...

Daher das verzweifelte Bemühen der europäischen Organe, der Kommission, aber auch der EZB, so etwas wie ein europäisches Beistandsprogramm zu organisieren, ein Stand-by-System. Doch die Frage ist: aus welchen Mitteln? Und die noch größere Frage ist, um welche Summen geht es, und wer bringt sie auf? Denn inzwischen zeigt sich jeden Tag deutlicher: Die vier Überschußländer der Euro-Union, nämlich Deutschland, die Niederlande, Österreich und in kleinerem Umfang Finnland, sind überhaupt nicht in der Lage, wie bisher mit ihren Überschüssen die Defizite der anderen Gruppe auszugleichen. Schon in der Vergangenheit war also die „no bail-out clause“ gegenstandslos, denn die Überschußländer haben ja mit ihren Überschüssen den Geldzufluß in die Defizitländer finanziert - ein Geldzufluß, der sowohl in Euro bestand und noch immer besteht, aber auch in Fremdwährungen wie US-Dollar.

Doch diese Bankiersrolle des ehemaligen D-Mark-Blocks ist ausgespielt. Denn jeden Tag zeigt sich deutlicher: Die Überschüsse schrumpfen - die deutschen geradezu katastrophal, aber auch die der anderen -, aber die Defizite der anderen steigen noch katastrophaler, denn zum Überkonsum und zur Überinvestition in den Club-Med-Ländern kommt nun die massive Kapitalflucht der Auslandsgläubiger.

Die Sache hat eine ironische Arabeske: Diese Kapitalflucht schwächt den Euro und stärkt den US-Dollar und damit das Herzland der Krise. Er wird für einen sichereren Hafen gehalten als der Euro. Deswegen erleben Sie seit einigen Wochen, daß der Euro nach unten geht und der Dollar nach oben, obwohl der Dollar eigentlich auch nach unten gehen müßte. Aber das nur nebenbei.

Die Frage, die sich jetzt in Europa stellt, ist von existentieller Bedeutung: Können die vier Überschußländer des früheren D-Mark-Blocks wie bisher, als Atlas, die Last des übrigen, inflationären und defizitären Europa tragen? Überfordert sie das nicht?

In Brüssel scheint man das nicht zu glauben, denn darauf läuft die französische Initiative hinaus, eine Wirtschaftsregierung aufzustellen und eine Gemeinschaftsanleihe aufzulegen. Diese Wirtschaftsregierung soll nur eines: die Quoten der benötigten Stand-by-Kredite festlegen.

Und man muß kein Ökonom sein, um vorauszusagen, daß die vier Überschußländer nicht in der Lage sind, die für die Gemeinschaftsanleihe benötigten Summen aufzubringen. Denn die Defizite erreichen astronomische Summen, und sie werden ja vermehrt durch die Defizite der Länder, die zur EU gehören, aber noch nicht im Euro sind, sondern vor der Tür stehen, dem sogenannten Wechselkurssystem Nr. 2 - also die Osteuropäer, die baltischen Staaten, Polen, Ungarn, Balkanstaaten usw. Und die Überschüsse der vier Gläubigerländer brechen in dramatischer Weise ein.

Europa versinkt in einer Orgie drohender Illiquidität sowohl im Bankensystem wie auch in den Staatsfinanzen, und die „Bankiers“, die das bisher bezahlen konnten, sehen sich inzwischen zuhause ähnlichen Problemen ausgesetzt. Weder reicht die deutsche Sparquote noch das deutsche Steueraufkommen auch nur im Entferntesten aus, um die inneren  Verpflichtungen zu erfüllen, geschweige denn, die jetzt geforderten zusätzlichen Lasten für andere zu übernehmen. Die europäische Solidarität scheitert an ihren Kosten!

Bereits jetzt erleben wir, was sich in den nächsten Monaten noch verstärken wird: Die Leistungsbilanzüberschüsse der einen gehen zurück, die Leistungsbilanzdefizite der anderen steigen. Das Gesamtdefizit der Eurozone eskaliert. Das bedeutet nach außen Wechselkursverfall, Abwertung des Euro, Verschärfung der Kapitalflucht und nach innen verschärfte Krise der Realwirtschaft, das wirtschaftliche Wachstum wird negativ, die Krise schlägt auf die Arbeitsmärkte durch. Überall in Europa droht Massenarbeitslosigkeit.

Die europäischen Organe, insbesondere Kommission und Europäische Zentralbank, aber auch das statistische Amt der europäischen Kommission, EuroStat, haben nichts unversucht gelassen, die sich seit längerem anbahnende  Krise zu verschleiern. Bis heute weigert sich die Europäische Zentralbank, die bilateralen nationalen Leistungsbilanzdefizite der Mitglieder auszuweisen. Wir kennen nur das Gesamtdefizit der Eurozone. Dasselbe gilt für EuroStat. Ich habe schon vor Jahren ein Mitglied aus Ihren Reihen zu EuroStat geschickt. Er kam zurück und berichtete: Bilaterale Zahlen über außenwirtschaftliche Performance der einzelnen Volkswirtschaften innerhalb der Eurozone werden nicht publiziert. Das heißt, man hat die Öffentlichkeit, vermutlich sogar die nationale Politik, über das langsame Heranreifen dieser Situation gesamteuropäischer Zahlungsunfähigkeit im Unklaren gelassen!

Doch ob das nun in der Statistik steht oder nicht, die Situation ist leider da. Tagtäglich mehren sich die Signale, daß immer mehr EU-Länder, sowohl draußen vor der Euro-Tür, aber mit Anspruch, das Euro-Haus zu bewohnen - Lettland, Ukraine, Polen -, wie auch  innerhalb der Eurozone - Irland, Griechenland, Spanien, Italien - immer näher an den Rand des Banken- und des Staatsbankrotts geraten. Ein vernünftiges Hilfskonzept gibt es nicht. „Weitermachen wie bisher“, heißt die Parole. Doch sie kommt dem politischen Offenbarungseid gleich.

Was hier geschieht, ist auch ein Armutszeugnis für die Wissenschaft. Denn es gab ja hier eine starke Bewegung, die glauben machte, daß man den Wechselkurs durch den Währungsraum ersetzen könne. Robert Mundells „optimaler Währungsraum“ erklärt ja Wechselkurse für überflüssig. Der Mann hat zwar den Nobelpreis für Ökonomie für diese Irrlehre erhalten und freut sich vermutlich noch heute über das Geld, aber - ich bin sicher - nicht mehr über die Gründe, die dazu geführt haben.

Wiederherstellung der nationalen Währungssouveränität

Wenn wir versuchen, das Problem rational zu betrachten, so gibt es nur einen Ausweg aus der Euro-Krise: die Wiederherstellung der nationalen Währungssouveränität. Staat und Währung gehören nicht zufällig seit 3000 Jahren zusammen. Und die Vorstellung, daß man eine NGO - das ist nämlich die Europäische Zentralbank, eine staatenlose Zentralbank - mit dem Management für eine Sechzehner-Währung betrauen könne, gehört eigentlich zu den Wahnvorstellungen unserer Zeit.

Wir brauchen wieder Wechselkurse, atmende Wechselkurse, ein System nationaler Währungen mit eigener Geldmengensteuerung, Kreditkontrolle und von Inflationsrisiken freien Zinsen. Und warum? Weil das die Voraussetzung dafür ist, den drohenden Staatsbankrott abzuwehren. Das kann nur durch eine Zentralbank geschehen, die die Zahlungsfähigkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft sicherstellt - möglicherweise um den Preis einer späteren Inflation. Aber manchmal ist die Aussicht auf eine spätere Inflation - in der Krise findet sie ohnehin nicht statt - weniger erschreckend als nicht ausgezahlte Löhne, Gehälter und  Sozialrenten und massenhaft wegfallende Arbeitsplätze.

Wir müssen zurück zu realistischen Wechselkursen, und das bedeutet die Totalrevision des bisherigen Währungssystems: ein neues Bretton Woods. Und es bedeutet die Totalrevision der Eurozone, dieses für die Stabilität der globalen Finanzen so wichtigen Subsystems.

Die Trennung von Staat und Währung und die daraus folgende weltweite Privatisierung des Kredits - das sind die beiden fatalen Irrtümer des Zeitgeistes, die uns in diese Krise gestürzt haben. Je eher das die Politiker diesseits und jenseits des Atlantiks begreifen und den Irrweg korrigieren, desto eher und billiger kommt die westliche Welt aus dieser Katastrophe heraus!

Geschieht das nicht, dann werden wir in Kürze erleben, wie die Eurozone auseinanderfällt: entweder durch Zahlungseinstellung oder durch Austritte - denn jeder Staat ist sich selbst der nächste. Ich könnte auch sagen, die Eurozone wird sich gesundschrumpfen, indem sie sich reduziert auf den alten D-Mark-Block. Denn der allein könnte sich eine gemeinsame Währung leisten. Hier waren schon zuvor die Wechselkurse wegen der intensiven Wirtschafts- und Handelsverflechtung strukturell stabil. Und wenn es „real“ stabile Wechselkurse gibt, dann kann man diesen Zustand auch legalisieren: durch eine gemeinsame Währung. Aber wenn Sie real überbewertete Kurse haben, wie in den „Club-Med-Ländern“, daraus folgend zu niedrige Zinsen bei zu hohen Inflationsraten, dann bestraft Sie früher oder später der Markt! Genau das geschieht jetzt!

Also: Entweder schrumpft sich die Eurozone zurück zu einer erweiterten D-Mark-Zone, was aber Deutschlands zahlreiche „Freunde“ in Europa nicht wollen. Und vermutlich zu verhindern wissen. Deswegen sollte man sich in dieser Sache einen Kompromiß zwischen „so viel monetäre Autonomie wie nötig - soviel europäische Kooperation wie möglich“ einfallen lassen. Er könnte in einer Umstrukturierung der Eurozone liegen. Diese ließe sich herstellen, indem die nationalen Zentralbanken entweder wieder ihre eigene Währung ausgeben, oder ihren eigenen Euro mit dem entsprechenden Buchstaben vor der Zahl, und man zwischen den diversen nationalen Euros ein System realistischer Wechselkurse entstehen läßt.

Die Europäische Zentralbank würde dann die Rolle eines europäischen  IWF spielen, einer Koordinationsstelle, und der alte Euro könnte als  Recheneinheit wie früher der ECU oder die Special Drawing Rights des IWF fortbestehen. Aber nicht mehr als umlaufendes Geld, sondern als abstrakte Recheneinheit und Wechselkursbezugsbasis…

Warum ist diese Lösung, die Rückabwicklung der Eurozone, letztlich unumgänglich?

Erstens, weil die politische und demokratische Verantwortung der Staaten für ihre Bürger und deren Wohlergehen und ihre soziale Stabilität von keiner NGO oder supranationalen Institution übernommen werden kann. Erst kürzlich hat ein Freund und Mitstreiter bei den Anhörungen vor dem Bundesverfassungsgericht über den Vertrag von Lissabon den deutschen Verfassungsrichtern erklärt: Eine supranationale Organisation wie die EU ist kein Staat. Und wenn er kein Staat ist, dann kann er auch weder die Verantwortung noch die Instrumente haben, die jetzt nötig sind, um die Krise zuhause in den übrigen Staaten Europas in den Griff zu kriegen.

Also, es führt kein Weg an der Rückkehr zur nationalen Währungssouveränität vorbei, denn eine aktive Struktur- und Konjunkturpolitik muß immer auf den zwei Beinen gehen: der Währungs- und der staatlichen Finanz- oder Fiskalpolitik.

Die Trennung zwischen der Währungspolitik, die supranational geworden ist, und der Fiskalpolitik, die national geblieben ist, muß wieder aufgehoben werden. Denn nur dann besteht berechtigte Hoffnung, daß sich die europäischen Staaten, die 16 in der Eurozone und die anderen 11 davor, durch nationale Kraftanstrengung wieder aus dem Würgegriff dieser Krise, deren Ende nicht abzusehen ist, befreien.

Das ist keine Utopie. Ich war um das Jahr 2000 als Regierungs- und Zentralbankberater in den heute brummenden ostasiatischen Tigerländern tätig: in China, Indonesien, Malaysia, Vietnam und anderen. Auch diese Länder mußten damals lernen, daß sie mit falschen Wechselkursen immer tiefer in die Krise rutschten, immer tiefer in die Auslandsverschuldung, denn ein falscher Wechselkurs verführt zur Illusion, daß Auslandskapital billiger sei als einheimisches. Doch wie teuer Auslandskapital wirklich ist, sieht man, wenn es wieder abfließt.

Diese Länder haben damals abgewertet, zwischen 20% und 30%, und sind heute völlig stabil. Seitdem brummt ihre Wirtschaft wieder.

Mein Vorschlag ist sowohl theoretisch schlüssig wie auch empirisch erprobt, und es wird jetzt davon abhängen, ob das, was ich hier vortrage, Gegenstand künftiger Politik wird. Dann haben wir durchaus die Hoffnung, daß Europa bei rechtzeitiger Umorganisation der Eurozone mit Hilfe nationaler Kraftanstrengung mit den schlimmsten Folgen und Kosten der jetzigen Krise fertig wird.

Was aber geschieht, wenn man das nicht tut, wage ich nicht auszumalen. Dann wird diese Krise in Europa schrecklichere Folgen haben als in Amerika. Denn einer der großen Unterschiede zwischen den beiden Seiten des Atlantik ist der, daß der neue US-Präsident Barack Obama beide Instrumente der Krisenbewältigung einsetzen kann: die Währungs- und die Fiskalpolitik.

Und er nutzt beide. Sie müssen sich nur die Dimensionen klarmachen: Das amerikanische Fiskalprogramm hat die Größenordnung von 700 Mrd. Dollar. Das ist fast derselbe Betrag, den Deutschland aufbringt: 580 Mrd. Euro. Nur, die Wirtschaftskraft der Vereinigten Staaten ist fast viermal größer als die Deutschlands, d.h. die Belastung des US-Bürgers mit Fiskalbürden - Schulden und demnächst Steuererhöhungen - ist nur ein Viertel so  hoch wie in Deutschland. Und warum ist das drüben möglich? Weil die Hauptlast der Kreditversorgung für Banken und Wirtschaft nicht beim Staat liegt, sondern beim Federal Reserve System.

Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll ist, daß eine Zentralbank Banken Schrottanleihen abkauft und sie auslöst. Aber jetzt geht es darum, das Ausufern der Krise zu stoppen und ihr Übergreifen auf die Realwirtschaft, also was Herr LaRouche die physische Wirtschaft nennt. Was man danach macht, steht auf einem anderen Blatt. Im Stopp dieser Krise ist Amerika jedenfalls sehr viel weiter als Europa.

Das ist ein Grund mehr, warum vernünftige Spekulanten längst begriffen haben, daß der Dollar bessere Karten hat also der Euro. Der Euro ist eine Währung auf Abruf, der Dollar nicht. Es geht jetzt auf dem alten Kontinent darum, die aus dem verfehlten Euro-Experiment resultierenden Schäden für die Realwirtschaft zu minimieren, sie so klein zu halten wie möglich. Damit wäre schon viel gewonnen.

Meine Damen und Herren, damit bin ich mit meiner Analyse am Ende. Ich habe skizziert, wie ein künftiges europäisches Währungssystem aussehen sollte. Es ist und bleibt natürlich ein, wenn auch weltwirtschaftlich wichtiges Subsystem. Wie ein künftiges Weltwährungssystem aussehen sollte, das zu skizzieren überlasse ich den Initiatoren dieses Kongresses. Aber meine Ansichten dazu weichen  nicht allzu sehr von den Ihrigen ab.

Ich bedanke mich.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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Dokumentation der Konferenz auf der Internetseite des Schiller-Instituts
- (externer Link)

 

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