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Neue Solidarität
Nr. 31, 29. Juli 2009

Helga Zepp-LaRouche im Gespräch

An den Vortrag von Frau Zepp-LaRouche schloß sich eine 90minütige, von Rainer Apel und Portia Tarumbwa-Strid moderierte Diskussion an, in der sie Fragen beantwortete, die nicht nur aus Deutschland kamen, sondern auch aus Italien, der Türkei, Schweden, Frankreich und anderen Ländern. Wir bringen Auszüge.

Rainer Apel: Wer die Aktivitäten der BüSo und von Frau Helga Zepp-LaRouche aufmerksamer verfolgt hat, der weiß, daß Frau Zepp-LaRouche öfter in Italien war, und zwar nicht der Sonne wegen - das vielleicht auch -, sondern, weil sie eingeladen wurde von Angehörigen des italienischen Parlaments und des Senats und anderen, daß sie dort sehr interessante Gespräche hatte, und von daher freut es uns auch sehr, daß wir eine Anfrage haben aus Italien.

Sie kommt aus dem Provinzialrat von Massa Carrara. Das wird viele Leute erstaunen. Warum das? Nun, dieser Provinzialrat von Massa Carrara ist der erste, europaweit, soweit ich sehe, der eine Anfrage gestellt hat zur Dringlichkeit der Einrichtung einer Pecora-Kommission. Das ist die Kommission, die einmal die ganzen Machenschaften und verschachtelten Aktivitäten der Bankiers, Finanziers und Hedgefonds-Manager untersuchen sollte, in der Tradition Ferdinand Pecoras, der ja sehr gute Dienste geleistet hat in den USA 1932, 33 und 34 mit seiner Untersuchungskommission, die dann sehr erfolgreich war.

Die Frage wird also hier gestellt zu dem Problem, daß eigentlich die Debatte in der Bevölkerung über die Ursachen der Krise nicht richtig vorhanden ist, ob man erwarten kann, daß sich andere Gemeinden in Europa - in Deutschland, Frankreich - dieser Debatte anschließen, ähnlich wie Massa-Carrara, und ob dies Klarheit unter den Politikern schaffen kann, die ja, wie wir gesehen haben, manchmal gar nicht wissen, worüber sie entscheiden - oder wird es doch so laufen, daß am Ende die Banken weiter bestimmen über die Wirtschaft in Europa?

Zepp-LaRouche: Ich denke, so eine Pecora-Kommission ist wirklich absolut dringend notwendig. Pecora war ein Staatsanwalt in New York, der zunächst vor Roosevelt, aber dann vor allem ermutigt durch Roosevelt genau untersucht hat: Wie konnte es zu dem Crash von 1929 kommen? Und er hat festgestellt, daß das eben nicht nur wirtschaftliche Inkompetenz war, sondern eben auch Insider-Handel, kriminelle Stehlerei - also genau das, was wir heute auch haben. Denken Sie zum Beispiel an den Madoff-Skandal: Der ehemalige Chef der NASDAQ, der New Yorker Technologie-Börse - also nicht irgend jemand, sondern der Chef der Börse! - der seine Kunden um 50 Milliarden Dollar erleichtert hat. Das zeigt das Ausmaß, in dem diese Betrügereien passieren.

Und Pecora hat damals festgestellt, daß das auch eine Rolle spielte bei dem Crash von 1929. Pecora hat damals das Recht erhalten, Vorladungen auszustellen. Alle Leute, die er vorladen wollte, mußten dann unter Eid aussagen vor seinem Ausschuß. Er hat darüber ein sehr gutes Buch geschrieben, „Wall Street unter Eid“, das kann ich Ihnen nur empfehlen... Pecora beschreibt darin, wie er den Chef von J.P. Morgan „gegrillt“, also ausgefragt hat. Also zum Beispiel: „Wann haben Sie zum letzten Mal Einkommenssteuer bezahlt?“ - „Äh, äh, ich weiß es nicht.“ Das ist da alles ausführlich beschrieben. Das war dann die Grundlage für eine ganze Reihe von Gesetzen, die Roosevelt gemacht hat, um gewissermaßen die Löcher für die Spekulanten zu stopfen.

Und in gewisser Weise ist das heute auch notwendig. Heute ist es sogar noch dringender notwendig als damals, weil diese Sachen heute natürlich durch die Globalisierung im Weltmaßstab stattfinden. Und solange nicht eine wirkliche Untersuchung stattfindet - also, mit ein paar kleinen Regelungen, einige Oasen schließen, aber andere offen lassen - wird das Problem nicht zu lösen sein...

Obama will es mit Sicherheit nicht. Nancy Pelosi hat gerade erfolgreich eine Gesetzesvorlage für eine Pecora-Kommission in den USA blockiert, was aber jederzeit wieder aufbrechen kann, weil jetzt die Basis, in gewisser Weise die Opfer dieser Politik, diese Pecora-Kommission fordert. Und auch im Senat gibt es entsprechende Anstrengungen. Und ich denke, die Leute, die von diesen Machenschaften betroffen sind, die brauchen eine Vertretung, die ihre Interessen repräsentiert.

Aufarbeitung notwendig

Ich denke, diese Pecora-Kommission wäre deshalb wichtig, weil sie auf rationale Weise den Finger darauf legen könnte, was geändert werden muß. Und das würde meiner Meinung nach ein großes Problem adressieren, daß nämlich die Bevölkerung längst das Vertrauen in die Elite verloren hat - in die politische Elite, in die Manager, die sich die Taschen vollstopfen, obwohl sie Zehntausende von Leuten entlassen, und in die kulturelle Elite sowieso, weil die auch nicht gerade das beste Bild abgibt.

Und die Gefahr ist natürlich, wenn es zu weiteren Zusammenbrüchen kommt, daß wir dann jakobinische Unruhen bekommen. Es hat ja schon Unruhen gegeben, in Griechenland, in Lettland, in Frankreich.

Das ist natürlich keine Lösung. Wenn erst einmal Jakobinismus, also in der Form sich der Unmut der Bevölkerung Luft macht, dann ist sehr schnell Unregierbarkeit, dann ist sehr schnell Chaos. Und das ist wirklich eine Gefahr, die ich sehe: ein Absturz ins Chaos, wo Regierungen keine Macht mehr haben, das irgendwie zu kontrollieren.

Wir haben es in Albanien gesehen, 1997, als damals diese Pyramidenfirmen zusammengebrochen sind, und plötzlich die Banken dicht gemacht haben. Es gab kein Geld mehr, die Leute haben Nahrungsmittellager gestürmt, Waffenlager gestürmt, und wenn die italienischen Carabinieri nicht gekommen wären und quasi von außen Ordnung geschaffen hätten, dann wäre das Land wahrscheinlich jetzt noch im Chaos.

Und das ist eben die Gefahr. Und deshalb denke ich, die Leute, die irgendein Verantwortungsgefühl haben, die sollten sich einer solchen Untersuchungskommission nicht widersetzen. Es ist die geordnete Weise, wie man etwas wieder in Ordnung bringen kann.

Denn wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, daß es keine Instanz gibt, an die man sich wenden kann, das ist ganz schlecht! Und wir haben heute schon 40% Nichtwähler. Das ist ein Ausdruck davon, daß 40% der Wähler sagen: Es bringt nichts, irgendeine von diesen Parteien zu wählen. Das ist für die Demokratie sehr, sehr gefährlich.

Deshalb denke ich: ...Bürgermeister Stadträte, Juristen, Leute, die sich irgendwie berufen fühlen und denen es um das Gemeinwohl geht - die sollten diese Initiative von Massa-Carrara aufgreifen und verabschieden, und dann in Gremien zusammenkommen, um diese Sachen zu untersuchen.

Können wir die Lobbyisten zähmen?

Portia Tarumbwa-Strid: Im Rahmen unserer Kampagne gegen die Pläne von Frau Schmidt haben wir festgestellt, daß viele Menschen gar nicht verstehen, was der Zusammenhang ist zwischen der Gesundheitskrise und der Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden. Im Zuge unserer Mobilisierung haben wir aber auch andere Leute gefunden, die in diesem Bereich tätig sind und das eingesehen haben. Nun kommt eine Frage von Dr. Jan Döllein aus Neuötting in Bayern, der die BüSo durch diese Aktivitäten in Bayern kennt, und er schreibt: „Sehr geehrte Frau Zepp-LaRouche, auf dem Altar der Marktwirtschaft wird derzeit das beste Gesundheitssystem der Welt bankrottiert und an große Klinikkonzerne veräußert. Das BMG, die Bertelsmann-Stiftung und die Rhön-Klinikum AG kollaborieren hierbei mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen. Wie wollen Sie die unendliche Macht der Lobbyisten zähmen, um den Bürgern ihre ärztliche Versorgung zu retten?“

Zepp-LaRouche: Ich denke, daß da die Schlacht in den USA wirklich entscheidend sein wird. Denn wenn es nicht gelingt, diese sogenannte Gesundheitsreform in Amerika zu stoppen, dann fürchte, daß die Dämme hier auch sehr bald einbrechen werden. Aber wenn es gelingt, diese Politik zu ändern, durch eine wirkliche Mobilisierung der Masse der Bevölkerung, und Amerika auf den Weg zurückzubringen, der eigentlich seine positive Tradition ist - die amerikanische Revolution, die amerikanische Verfassung, die Unabhängigkeitserklärung, die Tradition von John Quincy Adams in der Außenpolitik, die souveräne Republiken will, von Lincoln, von Roosevelt, wie sie heute eben von LaRouche und seinen Mitstreitern vertreten wird - dann denke ich, ist es ganz einfach, daß wir in Deutschland auch in diese Richtung gehen.

Jeder kämpft für sich, anstatt für alle

Für diesen Fall müssen wir uns aber vorbereiten. Das heißt, wir müssen im Grunde die Bevölkerung mobilisieren, damit die Leute einfach die Themen kennen. Das Hauptproblem, das ich im Augenblick sehe, ist, daß zwar ganz viele gesellschaftliche Gruppierungen merken, daß ihre Existenzgrundlage verschwindet: die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhausärzte, das Pflegepersonal, die Milchbauern, die Opel-Arbeiter, ich könnte wahrscheinlich noch eine endlos lange Liste machen von Leuten, die merken, daß dieses System kollabiert. Und man sieht ja auch periodisch immer wieder Streiks und Demonstrationen; es gab vor dem Bundeskanzleramt eine Demonstration von Milchbäuerinnen, die den Punkt gemacht haben, daß es bald keine Milchbauern mehr geben wird, wenn die Politik der EU so weitergeht.

Das Problem bei allen diesen Anstrengungen ist: Sie sind auf ihr Einzelthema beschränkt. Und das kann nicht funktionieren. Wir haben es immer wieder gesehen, daß die Leute sich mobilisieren, sie strengen sich an, und dann irgendwann geht die Luft heraus, weil Abfindungen gezahlt werden, die Leute müssen an ihre persönliche Existenz denken, die Solidarität bricht ein, und irgendwann hört das dann auf, und die Leute sind demoralisiert. Und das, worum es eigentlich ging, geht verloren.

Und deshalb denke ich, sind wir jetzt in einer Situation, wo wir nicht mehr um sogenannte „kleine Themen“ reden können. Daß ich dem Gesundheitssystem große Aufmerksamkeit widme, das ist, glaube ich, aus meinen Ausführungen deutlich geworden. Aber man kann das Gesundheitsthema nicht separieren von dem allgemeinen Wirtschaftskollaps und dem Kollaps des Finanzsystems.

Und deshalb ist mein dringender Appell an alle Leute, die sich mit ihrem Thema beschäftigen, daß sie bitte jetzt über den Tellerrand blicken und das größere Ganze sehen müssen... Wenn z.B. die Milchbauern sagen würden: Wir brauchen ein neues Finanzsystem, wir brauchen eine weltweite Nahrungsmittelsicherheit, wir brauchen mehr Nahrungsmittel weltweit, denn wir haben eine Hungerkatastrophe, wir haben eine Lage, wo über eine Milliarde Menschen täglich hungert, und es werden täglich 50.000 mehr - das sind die jüngsten Zahlen der FAO - d.h., wir haben ein System, das auseinanderbricht. Und da muß jede Gruppierung sich wirklich Gedanken machen, wie man in diesem Land eine Debatte erzeugen kann über einen Ausweg aus dieser Krise.

Der Grund dafür, daß ich mich so einsetze, ist, daß ich eben sehe, daß die anderen Parteien, die im Bundestag vertreten sind - da hat keine Partei eine Lösung. Keine Partei, die jetzt im Bundestag vertreten ist, redet davon, wie diese Krise zu überwinden ist. Alle haben dem Rettungspaket für die Banken zugestimmt - alle, von CDU, CSU, FDP, SPD, Linkspartei, Grüne. Alle. Und das ist einfach ein Zeichen dafür, daß sie kein Konzept haben. Und die ganzen kleinen Parteien, die habe ich mir jetzt nicht alle angesehen, aber die sind einfach mit einem Thema beschäftigt. Sie haben kein Konzept für eine wirkliche Lösung...

Verbündete in aller Welt

Ich habe mich seit spätestens 1997 für ein neues Bretton-Woods-System eingesetzt. Ich habe damals einen Appell verfaßt, an Präsident Clinton, für eine neue Bretton-Woods-Notkonferenz, und dieser Aufruf wurde von einigen Tausend Prominenten - Parlamentariern, Militärs, Gewerkschaftern - unterschrieben. Ich habe diesen Aufruf wiederholt, ich glaube, im Jahr 2000 und 2006, also mit anderen Worten, wir haben eine international wachsende Gruppierung von Leuten, die der Ansicht sind, daß das, was wir vorschlagen, der richtige Weg ist.

Und zum Glück ist es so, daß die Ideen von LaRouche in Rußland, China und Indien sehr bekannt sind. Wenn Sie z.B. LaRouche auf russisch richtig schreiben, dann finden Sie mehr als 1000 Webseiten, die alle Artikel von LaRouche mindestens kommentieren und zum Teil auch bringen. Im Chinesischen müssen Sie auch auf die richtige Buchstabierung von LaRouche achten, denn wenn Sie es falsch machen, dann geht es nicht... dann werden Sie auch feststellen: Es gibt dort Hunderte von Webseiten, wo die Ideen von LaRouche ausführlich dargestellt und diskutiert werden. Und in Indien gilt mein Mann sowieso als legendäre Figur, wegen unserer Zusammenarbeit mit Indira Gandhi, mit der wir schon in den siebziger Jahren an einem 40-Jahr-Entwicklungsprogramm für Indien gearbeitet haben, und da gilt LaRouche als der einzige Amerikaner, dem man in Indien trauen kann.

Mit anderen Worten: Wenn LaRouche heute sagt, es müssen diese vier Nationen sein, das nicht einfach so aus dem hohlen Bauch, das sind dreißig Jahre Arbeit, die wir da hinein gesteckt haben - Konferenzen, Seminare, etc. Es gibt in Rußland mehr Wissenschaftler, die sich intensiv mit LaRouche beschäftigen, als irgendwo anders. Und zwar deshalb, weil in Rußland die intellektuelle Tradition einfach sehr viel besser ist als im Westen. Das war schon zur Zeit der Sowjetunion so, und das ist noch nicht ganz verschwunden.

Deshalb denke ich: Man muß in dieser Krise eine Lösung haben für die Gesamtkrise, oder man sollte besser still sein. Ich denke wirklich, wer heute sagt, „Freiheit im Internet“, aber keine Antwort hat für das, was ich angesprochen habe, daß wir vor dem Kollaps des Systems sind - das ist eigentlich eine Verwirrung der Bevölkerung.

Natürlich beruht das auf Vorlieben, Marotten, es gibt natürlich viele Leute, die ihr Leben im Internet verbringen, und die fühlen sich natürlich davon angesprochen. Aber das löst die Probleme nicht. Und deshalb ist das, was wir vorschlagen, daß wir eine wirkliche Bürgerbewegung aufbauen von Staatsbürgern, die sich um alles Gedanken machen - das ist natürlich viel schwieriger. Die Oligarchie hat es viel leichter, mit der Verdummung der Bevölkerung. Es ist viel leichter, die Leute zu verflachen, durch endlose Seifenopern - manche Leute leben mehr in ihren Seifenopern-Familien als in ihrer realen Familie. Andere Leute sind mehr in irgendwelchen Videospielen zuhause als im realen Leben.

Es ist also leichter, die Leute abzulenken und fremdzubestimmen, und es ist sehr viel schwieriger, die Leute zum eigenen Denken zu gewinnen.

Aber das ist der einzige Weg, wie wir aus dieser Krise herauskommen. Wir brauchen mehr selbstdenkende Leute, die auch mal an den Bücherschrank gehen, oder auch mal ins Gutenberg-Projekt im Internet, und die Klassiker lesen. Sie haben Schätze, die unglaublich sind! Kepler, Nikolaus von Kues - da ist eigentlich alles drin, was wir heute brauchen.

Und deshalb denke ich: Die einzige Chance, die wir haben, ist, daß die BüSo als Bürgerrechtsbewegung sich so verstärkt in diesem Land durch denkende Individuen, die sich verantwortlich erklären für die Wirtschaftspolitik, für die Gesundheitspolitik, für die Bildungspolitik, für die Außenpolitik - das müssen wir hinkriegen, dann ist Deutschland in gutem Zustand. (Applaus.)