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Neue Solidarität
Nr. 26, 27. Juni 2012

Zum Gedenken an Walter Rathenau:
Führungsstärke in Krisenzeiten

Die Welt steht heute unmittelbar vor dem Ausbruch einer Hyperinflation. Es wäre das erste Mal, daß sich so etwas im globalen Maßstab ereignet, aber in kleinerem Maßstab, dem einer einzelnen Nation, hat es das schon gegeben. Es geschah im Herbst 1923 in Deutschland, als das Land in dem verzweifelten Bemühen, die Kriegsschulden aus dem Versailler Vertrag abzutragen, erst Milliarden und dann Billionen von Reichsmark druckte.

Auf diese törichte Politik des hyperinflationären Gelddruckens verfiel Deutschland nicht aus freien Stücken. Genau wie auch heute in Kontinentaleuropa und Amerika wurde diese Politik von äußeren Kräften, die ihr Zentrum in London hatten, als Teil der britisch-imperialen Politik erdacht und durchgesetzt.

Das Vorbild für diesen britischen Plan für Deutschland war das erfolgreiche britische Vorgehen gegenüber Frankreich bis hin zur Gründung der napoleonischen Diktatur: Frankreich wurde zuerst zu einer Serie von Kriegen auf dem europäischen Kontinent verleitet, um dann seine geschwächte Volkswirtschaft in eine schwere Krise zu stürzen, und anschließend wurde die Bevölkerung durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rechts und links in den Wahnsinn getrieben, was dann zur Errichtung einer Diktatur führte, bis schließlich Frankreichs Diktator als Kriegsherr auf alle Nachbarstaaten losgelassen wurde.

Wie wir wissen, ist es dem Britischen Empire gelungen, dieses erfolgreiche Experiment, durch das Frankreich und Europa im 18. und frühen 19. Jahrhundert zerstört wurden, im 20. Jahrhundert in Deutschland zu wiederholen. Das Hitler-Regime war das unvermeidliche Resultat der Hyperinflation der Weimarer Regierung und der anschließend von den Alliierten durchgesetzten „Lösungen“. Aber in den Jahren 1920-22 stießen die Briten auf ein Hindernis, an dem ihre grandiosen Pläne zu scheitern drohten. Der Name dieses Hindernisses war Walther Rathenau - der deutscher Außenminister, der vor genau neunzig Jahren, am 24. Juni 1922, ermordet wurde.

Wir werden im folgenden über Rathenaus Leistungen in der Industrie, in der Politik und in der Diplomatie berichten. Aber es reicht nicht, nur die gewaltige Liste der Leistungen Rathenaus als Industrieller aufzuzählen, weil er sich selbst gar nicht primär als Industrieunternehmer sah. Ebensowenig reicht es, seine Leistungen in der Politik und als Diplomat aufzuzählen, denn er sah sich auch nicht primär als Politiker oder Diplomat. Er betrachtete sich vor allem als Schriftsteller, als Philosoph, als Dichter, als Künstler und Musiker.

Daher waren seine Überlegungen, wenn er sein Vorgehen erwog, niemals gleich auf das ausgerichtet, was andere als „praktisch“ betrachtet hätten, er sah seinen Kampf gegen das Britische Empire vor allem als eine kulturelle Auseinandersetzung, als einen Kampf um die „Seele“ der deutschen Nation.

Rathenau diente als offizieller und inoffizieller politischer Berater fast aller deutschen Regierungen seit der Jahrhundertwende - den Kabinetten Kaiser Wilhelms II. vor dem Krieg, den Notstandsregierungen während des Ersten Weltkriegs und in der chaotischen Lage nach der Demobilisierung, die von Putsch- und Gegenputsch-Versuchen geprägt war, und dann den Regierungen der Weimarer Republik, bis zu seiner Ermordung. In allen diesen Fällen stellte er seine Persönlichkeit in den Dienst des Landes, die vom besten der deutschen klassischen Tradition geprägt war. Ob er Pläne für die Entwicklung der Kolonien in Afrika entwarf, den Rapallo-Vertrag mit Rußland aushandelte oder auch nur die verschiedenen Konzerne und Unternehmen aufbaute, mit denen er und sein Vater verbunden waren, stets war sein Vorgehen bewußt geleitet von jenem deutschen Geist, „der für die Welt gesungen und gedacht hat“, einem Geist, dem nach dem Krieg durch die „vom Haß Verblendeten“ die Vernichtung drohte.

Judy Hodgkiss