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Neue Solidarität
Nr. 45, 7. November 2012

Griechenland zwischen Euro-Tyrannei und Hoffnung

Zwei Vertreter der LaRouche-Bewegung berichten über ihre Beobachtungen und Gespräche bei einem einwöchigen Aufenthalt in Griechenland.

Griechenland liegt im Auge des Sturms, der jetzt die Welt in ein neues finsteres Zeitalter zu stürzen droht. Die Kriegsgefahr, die Besetzung durch eine faschistische Finanzdiktatur, die Notwendigkeit des Widerstands gegen diese Tyrannei spürt man überall im Land. In dieser kritischen Zeit verbrachten zwei Vertreter der weltweiten LaRouche-Bewegung vom 21.-28. Oktober eine Woche in Griechenland, um dort mit Politikern, Ökonomen, Regierungsvertretern, Journalisten und pensionierten Offizieren zu sprechen. Man muß wohl kaum erwähnen, daß LaRouches Warnungen vor der Gefahr eines thermonuklearen Krieges, falls Obama amerikanischer Präsident bleibt, auf großes Interesse und entsprechende Besorgnis stießen. Gleichzeitig herrschte großes Interesse an seinen Vorschlägen für eine Notstands-Finanzreform zur Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken und für die wirtschaftliche Entwicklung des Mittelmeerraums.

Die Politik der Europäischen Union in ihrem verzweifelten Versuch, das bankrotte Banken- und Eurosystem zu retten, hat eine gewaltige menschliche Katastrophe angerichtet. Das ganze Land lebt praktisch im finanziellen Belagerungszustand, und die Bevölkerung wird in Not und Elend gestürzt. Die Verschlechterung der Lage im Vergleich zu einem Besuch im September 2011 war unübersehbar. Man sieht deutlich mehr Bettler auf den Straßen, darunter auch Kinder, und Menschen, die den Müll nach Verwertbarem durchsuchen, und die Bevölkerung macht allgemein einen verarmten Eindruck. Inzwischen leben 750.000 Familien, d.h. zwischen zwei und drei Millionen der zehn Millionen Griechen, unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 25% und man erwartet, daß sie bis Ende des Jahres auf 30% ansteigen wird, real liegt sie eher bei 50%. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt offiziell bei 55% und ist damit die höchste in Europa.

Die Bankenrettung preßt durch brutalen Raub an der Bevölkerung den gesamten Reichtum aus dem Land heraus, und weil Griechenland Mitglied der Eurozone ist, vollzieht sich dieser Prozeß mit einer gnadenlosen Effizienz. Es läuft viel direkter als bei der „Schocktherapie“ der neunziger Jahre in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas, als deren Währungen plötzlich wertlos wurden. Da Griechenlands Währung der Euro ist, können die internationalen Gläubiger des Landes die Bevölkerung ganz direkt durch Steuern, Rentenkürzungen und Verweigern (schon bezahlter) lebensnotwendiger Dienstleistungen insbesondere im Gesundheitswesen die Bevölkerung gnadenlos ausplündern.

Die Griechen sehen sich als Opfer einer feindlichen Besatzungsmacht und in ihrer Regierung Kollaborateure, die die Anordnungen der berüchtigten Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF ausführen. Wegen der Haltung von Bundeskanzlerin Merkel und ihrer Regierung sowie der Propaganda der deutschen Medien über „faule Griechen“ gilt Deutschland als Hauptvollstrecker dieser Politik, manchmal sogar noch mehr als die EU. Deutsche Unternehmen werden nicht selten als Partner der verbreiteten Korruption unter den Politikern betrachtet. Unternehmen wie Siemens und andere sind an verschiedenen größeren Vorhaben beteiligt, und die Griechen sehen darin Profitmacherei auf Kosten ihres Landes.

Es ist zweifellos Teil der Politik der EU, den Griechen systematisch Krankenversorgung und insbesondere Medikamente zu verweigern, um sie zu terrorisieren und zu erpressen. Teure lebensrettende Medikamente bei Krankheiten wie Krebs und Diabetes sowie lebensrettende Operationen bekommen die Griechen nicht, weil die Regierung die Gelder aus dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Bedienung der Auslandsschulden verwendet. Da die Griechen Krankenversicherungsbeiträge einbezahlt haben und auch weiter zahlen, werden sie schlicht und einfach um ihr Geld und ihr Leben betrogen. Dieser Zustand hat eine tiefgehende psychologische Wirkung, und den Menschen wird Angst eingeflößt, daß sie gar keine Medikamente mehr bekommen, wenn das Land den Euro aufgibt oder sich gegen die Bankenrettungspolitik wehrt.

Ein griechischer Journalist, der oft in Italien ist, berichtete uns, daß dort inzwischen wie in Griechenland die Kunden in den Apotheken Schlange stehen und von den Apothekern erfahren, daß der Staat bei der Kostenerstattung im Rückstand ist. Das gleiche hört man aus Portugal, und das zeigt, daß es sich um eine bewußte Politik der EU handelt, die in allen Ländern durchgesetzt werden soll.

Ständig gibt es neue Steuererhöhungen und Lohn- und Gehaltskürzungen. Wer noch Arbeit hat, ob im privaten oder im staatlichen Sektor, mußte inzwischen Kürzungen zwischen 25% und 50% hinnehmen, und viele haben ein Vierteljahr, manche sogar bis zu 20 Monate keinen Lohn bekommen. Trotzdem muß jeder Steuern, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge bezahlen, weil er sonst seine Ansprüche verliert.

Ein Journalist gab einen dramatischen Bericht über den psychologischen Zustand der Bevölkerung; es herrscht Depression, Furcht, Hoffnungslosigkeit, aber auch Wut. Das unverschuldete Elend treibe selbst ehrliche Menschen dazu, illegale Dinge zu tun. So werden z.B. die Fahrpreise für U-Bahn, Bus und Bahn bis zum Jahresende um 25% angehoben, und sehr viele Menschen werden schwarzfahren. Viele tun das schon jetzt, und viele Athener geben aus Solidarität ihren Fahrschein weiter, wenn sie ihr Ziel erreicht haben, weil der 90 Minuten lang gültig ist.

Die Löhne, die schon immer zu den niedrigsten in der Europäischen Union gehören, sind noch weiter gesunken und liegen jetzt meist zwischen 750 und 1500 Euro pro Monat. Ein Beamter im mittleren Dienst, der mit seiner Qualifikation in Deutschland mehr als 2000 Euro im Monat verdienen würde, bekommt in Griechenland weniger als 1000 Euro. Mieten und Hypotheken sind aber nicht billiger als hier, und Nahrungsmittel sind sogar noch teurer, wie die Autoren beim Besuch eines Supermarkts feststellen konnten. Milchprodukte, Brot, Fleisch und Getränke wie Bier und Wein sind teurer als hier, nicht selten sogar um bis zu 30%. Nun hat die Regierung eine Erhöhung der Treibstoff- und Strompreise um 40% angekündigt. Für viele ist das ein lebensbedrohlicher Anstieg. Heizöl kostet 1,60 Euro - doppelt soviel wie in Deutschland und vergleichbar dem Preis von Superdiesel für Luxusfahrzeuge mit Turbodieselantrieb.

Der sogenannte „Schuldenschnitt“ von 50% für Besitzer von Staatsanleihen in diesem Jahr hat die ausländischen Gläubiger praktisch gar nicht getroffen, ruinierte aber die griechischen Banken, die den größten Teil dieser Anleihen hielten. Die französische Crédit Agricole daraufhin hat ihre griechische Tochter, die Emporiki-Bank, verkauft.

Weil der Kreditmarkt in Griechenland ausgetrocknet ist, verlegen Unternehmen ihren Sitz und ihre Börsennotierung ins Ausland, mit der Folge, daß der Regierung noch mehr Steuereinnahmen entgehen. So verlegte die Coca Cola Hellenic Bottling Co. SA, die neben Griechenland noch 28 weitere Länder beliefert, ihren Sitz in die Schweiz und ihre Börsennotierung nach London, wodurch der Gesamtwert der an der Athener Börse geführten Unternehmen laut Bloomberg von 39,2 auf 31 Mrd. Euro sank. Eine der größten Molkereien des Landes, Fage, verlegte den Sitz nach Luxemburg, weil sie in Griechenland die notwendigen Kreditlinien nicht bekommen konnte. Das sind nur die größten Unternehmen, die aus dem Land geflüchtet sind. Dutzende von Unternehmen verlagerten in den letzten drei Jahren ihre Produktion nach Bulgarien, um den höheren Steuern zu entgehen.

Die ganze Banken- und Euro-Rettungspolitik ist selbst nach den verrückten Maßstäben der Troika ein völliger Fehlschlag. Als Griechenland den Rettungspaketen zustimmte, entsprachen die Schulden 115% des Bruttoinlandsproduktes, im kommenden Jahr wird das Verhältnis voraussichtlich auf 189% ansteigen. Wegen des Einbruchs der Steuereinnahmen, der mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft einhergeht, wird das Haushaltsdefizit auf 5,2% steigen. Seit Beginn der Rettungspakete ist die griechische Volkswirtschaft um 20% geschrumpft und für 2013 wird mit weiteren 4,5% gerechnet. Das ist das Jahr, in dem die Wirtschaft nach dem ursprünglichen Plan der Troika schon wieder wachsen sollte.

Dabei hat Griechenland die zugesagten Stützungskredite gar nicht erhalten. Im Juni hätte das Land 31 Mrd. Euro bekommen sollen, aber die Auszahlung wurde bis nach den Parlamentswahlen zurückgehalten. Aber obwohl sie die Regierung bekamen, die sie wollten, haben Griechenlands Gläubiger das Geld immer noch nicht freigegeben. Andererseits spielt das für das Land eigentlich gar keine Rolle, weil das Geld ohnehin gleich an die Banken weiterflösse.

Die Griechen sehen die Kriegsgefahr

Viele Griechen spüren nicht nur die Gefahr eines neuen Krieges im Nahen Osten, sondern sehen dies durchaus als Bestandteil der repressiven europäischen Politik, die ihnen aufgezwungen wird. Man ist sich der wichtigen geostrategischen Lage des NATO-Mitgliedslandes im östlichen Mittelmeer bewußt. Die USA nutzen griechische Militärbasen und Großbritanniens wichtigste überseeische Basen sind auf Zypern. Bereits jetzt bekommen die Griechen die Folgen der besonderen geostrategischen Lage zu spüren, denn die meisten illegalen Flüchtlinge, die über die Grenze zur Türkei ins Land strömen, stammen aus den Kriegsgebieten Afghanistan und Irak. Nun fürchtet man, daß bald eine Flut syrischer und iranischer Flüchtlinge folgen wird.

Die EU benutzt das und schürt bei den Griechen Ängste, um zu verhindern, daß sie eine Politik im nationalen Interesse betreiben und durch ein Schuldenmoratorium und einen Euro-Austritt das ganze Kartenhaus der Eurozone zum Einsturz bringen.

Die Politik der Türkei unter Außenminister Ahmet Davutoğlu wird als aggressiv osmanisch eingeschätzt, und viele befürchten, daß die Türkei Griechenland erpressen könnte, wenn es nicht so mehr eng an die NATO und die EU gebunden wäre. Viele erkennen auch den Hintergrund der Kriegsgefahr in der aggressiven Politik der Obama-Administration und der EU gegenüber Rußland und China.

Rußland hat - nicht zuletzt aufgrund des gemeinsamen orthodoxen Glaubens - starkes Interesse an Investitionen in Griechenland bekundet. Außerdem ist Rußland der Hauptlieferant Griechenlands für Öl und Gas, und russische Touristen stehen als Besucher ganz oben auf der Liste. China wiederum hat eines der beiden Containerterminals im wichtigsten griechischen Hafen Piräus gepachtet und so das Land zum Haupteingangstor für seine Exporte nach Europa gemacht. Es wird aber beständig Druck auf Griechenland ausgeübt, diese Verbindungen nicht auszubauen. Es heißt sogar, wenn das Land Geld von Rußland oder China liehe, würde es wegen Verletzung der Bedingungen für die westlichen Rettungspakete bestraft.

Die Gefahr eines thermonuklearen Krieges wird meistens weniger gesehen. General Kostas Konstandinidis, Generalmajor a.D. und Gründungsmitglied der Organisation NATO-Generale gegen Atomkrieg, war sich der Kriegsgefahr wohl bewußt, aber skeptisch in Hinsicht auf die Gefahr eines Nuklearkrieges. Nach einem längeren Briefing ließ er seine Skepsis fallen. Auch wenn er schon über achtzig ist, sieht er es doch als seine Verpflichtung, seine Kreise gegen die Kriegsgefahr zu mobilisieren.

Einführung von Glass-Steagall und Beerdigung des Euro

Wenn Griechenland überleben soll, dann müssen die Vereinigten Staaten und Europa eine Glass-Steagall-Bankentrennung durchsetzen und ein neues Kreditsystem einrichten. Dazu müssen aber die Nationen Europas ihre Souveränität wieder erlangen, indem sie den Euro ein für allemal begraben und zu Landeswährungen zurückkehren und indem sie mit Hilfe angemessener Kreditinstitutionen das Programm der LaRouche-Bewegung „Für ein Wirtschaftswunder in Südeuropa, dem Mittelmeerraum und Afrika“ finanzieren - besonders den darin enthaltenen „Marshallplan für Griechenland“. Dies war die Botschaft der LaRouche-Repräsentanten an unsere griechischen Partner.

Das Interesse an dem Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm war gewaltig, doch schnell tauchte immer wieder die Frage auf: „Wie soll man das finanzieren?“ An dieser Frage entzündeten sich die wirklichen Diskussionen und Debatten. Es gab zwar weitgehende Unterstützung für eine Bankentrennung, aber viele wollen nicht wahrhaben, daß es keine andere Möglichkeit gibt, als den Euro aufzugeben - auch bei denen, die die Troika hassen.

Es wird versucht, diese Opposition für allerlei dubiose „europäische“ Pläne zu gewinnen, wie Stärkung des Föderalismus, gemeinsame EU-Haushalte, EZB-Finanzierung von Staaten und verschiedene Vorschläge zum „Recyceln“ der sogenannten „Überschüsse“ des Nordens in den Süden. Deshalb stand die Diskussion über ein wirkliches „Kreditsystem“ bei allen Gesprächen im Mittelpunkt.

Außerhalb des Parlaments gibt es jedoch eine wachsende Bewegung gegen den Euro, die von Leuten mit beträchtlicher Glaubwürdigkeit angeführt wird.

Wir hatten Gelegenheit, den Anführer der sogenannten „Drachmen-Bande“ zu sprechen, den Ökonomen und früheren Abgeordneten Theodore Katsanevas, einen der nachdrücklichsten Verfechter der Rückgewinnung der Souveränität Griechenlands durch die Rückkehr zur Drachme. Er sagte: „Das ist die schlimmste Zeit für Griechenland, es ist, als wären wir wieder ein besetztes Land.“ Wer sich gegen den Euro ausspreche, der werde von den Medien und der politischen Klasse massiv angegriffen; man werde dann entweder als Verrückter hingestellt, weil Griechenland angeblich mit einer neuen Drachme in einen tiefen Abgrund stürzen würde, oder es werde unterstellt, man sei Teil einer Mafia mit dicken Bankkonten in der Schweiz, die nach der Rückkehr zur Drachme alles billig aufkaufen wolle.

Von seinem neuen Buch über den Ausstieg aus dem Euro, das gerade während unseres Aufenthalts erschien, wurden bereits 5000 Exemplare verkauft. Sein Plan sieht vor, aus dem Euro auszutreten und die Drachme wieder einzuführen, den Wert der Schulden durch Verhandlungen auf 50% zu reduzieren, ein zweijähriges Moratorium auf alle Schuldendienste zu erklären, Regierungskontrollen gegen Spekulation einzuführen etc. - alles Schritte, die ein souveränes Land im Rahmen seiner Verfassung ergreifen könnte, die aber im imperialen Eurosystem ausdrücklich verboten sind.

Es ist eine weit verbreitete Überzeugung, daß nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl ausgehend von Griechenland eine große Finanzkrise ausbrechen wird, die noch vor Jahresende den Sturz der jetzigen Koalitionsregierung aus der konservativen Nea Dimokratia, der sozialdemokratischen PASOK und der Demokratischen Linken auslösen wird, und daß dann eine Kombination verschiedener Gegner der bisherigen Politik - die linke SYRIZA, die nationalistischen Unabhängigen Griechen und irgendeine neue Partei - die Regierung bilden wird.

Andererseits erkennen viele Griechen, daß man etwas über das Parteiensystem hinaus tun muß, und sie hoffen, daß eine außergewöhnliche Persönlichkeit eine Regierung zur Rettung des Landes zustandebringt, in der politische Kräfte von rechts bis links zusammenarbeiten. Der Komponist und Widerstandskämpfer Mikis Theodorakis hat zwar bewiesen, daß er Millionen Griechen zum Widerstand und für eine Politik zur Rettung der Nation inspirieren kann, sein hohes Alter und seine schwache Gesundheit verhindern aber, daß er selbst diese Position einnimmt. Allen ist klar, daß er heute Regierungschef wäre, wenn er zehn Jahre jünger wäre. Nun müssen andere diese Führungsrolle übernehmen.

Andrea und Dean Andromidas