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Neue Solidarität
Nr. 50, 12. Dezember 2012

Weltfrieden hängt am seidenen Faden:
Bundestag muß Patriot-Einsatz ablehnen!

Von Alexander Hartmann

Die Aufstellung von Patriot-Raketen in der Türkei ist Teil der Vorbereitung einer Flugverbotszone in Syrien - und damit eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges.

Kaum hatte US-Präsident Obama bei einer Tagung seines nationalen Sicherheitsteams am ersten Dezemberwochenende das weitere Vorgehen gegen Syrien abgesprochen, da verbreiteten die internationalen Medien unter Berufung auf angebliche „amerikanische Geheimdienstinformationen“ die Meldung, die syrische Armee habe „bereits Chemiewaffen auf ihre Raketen montiert“. Jeden aufmerksamen Beobachter mußte bei diesen Berichten ein Dejà-vu-Gefühl befallen: Hatte nicht derselbe Tony Blair, der im gerade erst beendeten US-Präsidentschaftswahlkampf Präsident Obama beriet, vor ziemlich genau zehn Jahren die Welt in ebenso schrillen Tönen gewarnt, Saddam Hussein habe „Massenvernichtungswaffen“, mit denen er innerhalb von 45 Minuten jede Stadt Europas angreifen könne?

Noch bevor die Inspekteure der IAEA das Gegenteil nachweisen konnten, befahl der damals ebenfalls von Tony Blair beratene Präsident Bush junior seinen Truppen den Einmarsch im Irak. Inzwischen weiß die Welt, daß Tony Blairs Behauptungen nicht nur unrichtig waren, sondern auch, daß das „Irak-Dossier“ damals vorsätzlich „aufgemotzt“ wurde, um einen Vorwand für einen Krieg zu schaffen, den man schon Monate vorher beschlossen hatte.

Es ist offensichtlich, daß Obama und Blair sowie Blairs Nachfolger Cameron heute nicht weniger entschlossen sind, so bald wie möglich den nächsten Feldzug zur Durchsetzung eines Regimewechsels zu führen, und sie hätten das schon längst getan, gäbe es nicht einen entschiedenen Widerstand dagegen von Seiten kühlerer Köpfe.

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung kam es bei einem informellen Abendessen der Außenminister der NATO-Mitgliedstaaten am 4. Dezember in Brüssel hierüber zu heftigen Auseinandersetzungen. Vor allem die Außenminister Deutschlands, Hollands, Tschechiens und Polens hätten sich vehement gegen den NATO-Generalsekretär gewandt, als dieser verlangte, man solle jetzt endlich nicht mehr gegenüber Syrien und Iran „den Kopf in den Sand stecken“.

Dies sei als Aufforderung verstanden worden, Pläne für eine Intervention gegen Syrien vorzubereiten - ein Schritt, den vor allem die deutsche und die niederländische Regierung ablehnen, weil schon die Einrichtung einer Flugverbotszone ein offensiver Kriegsakt und damit ein Bruch des Völkerrechts ist. Ein Teilnehmer des Außenministertreffens berichtete laut SZ, er habe den Eindruck gehabt, „Kriegstrommeln“ zu hören. Auf der Seite Rasmussens standen dem Zeitungsbericht zufolge Großbritannien, die USA und die Türkei; auch Frankreich tendiere in die Richtung einer „direkten oder indirekten militärischen Intervention“.

Auch wenn unklar ist, ob die ansonsten in NATO-Angelegenheiten nicht gerade mit Rückgrat gesegnete deutsche Bundesregierung sich letztendlich einem Militäreinsatz verweigern würde, will sie offenbar kurz vor der Entscheidung des Bundestages über die Entsendung der Patriot-Einheiten der Bundeswehr in die Türkei jeglichen Anschein vermeiden, daß dies ein Schritt zur Vorbereitung eines Angriffskrieges sein könnte. Militärexperten weisen jedoch zu recht darauf hin, aus Syrien sei bisher noch gar nichts in die Türkei gekommen, wogegen Patriot-Raketen helfen könnten (gegen Granatenangriffe nützen sie nichts), und auch bei den Granateneinschlägen sei unklar, ob diese von syrischen Regierungstruppen kamen oder von Rebellen, die dadurch einen Vorwand für eine Invasion schaffen wollten. Die Aufstellung der Patriot-Raketen macht jedenfalls nur dann Sinn, wenn sie dafür vorgesehen sind, eine Flugverbotszone in Syrien durchzusetzen. In diesem Sinne ist ihre Entsendung Teil der Vorbereitung eines Angriffskrieges, und schon deshalb muß dieses Ansinnen entschieden zurückgewiesen werden.

Die Meldungen über syrische Chemiewaffen dienen offensichtlich dem Zweck, diese Widerstände im eigenen Lager zu überwinden. „Viele europäische Außenminister“ trauten aber den US-Geheimdienstberichten nicht, schreibt die SZ. Europäischen Geheimdiensten wie dem BND lägen „keine Erkenntnisse“ in dieser Richtung vor. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte gegenüber den NATO-Außenministern am Dienstag in Brüssel aus russischer Sicht ebenfalls betont, diese Gerüchte hätten sich als nicht zutreffend erwiesen. Lawrow warnte ferner: „Wir hoffen, daß es keine ausländische Einmischung geben wird. Syrien ist nicht Libyen.“

Auch die syrische Regierung selbst widersprach den Behauptungen. „Syrien betont erneut, zum zehnten und zum hundertsten Male, daß es, selbst wenn es solche Waffen hätte, diese nicht gegen sein eigenes Volk einsetzen würde. Wir sind doch keine Selbstmörder“, erklärte der stellvertretende syrische Außenminister am 6. Dezember.

Wer soll auf Assad folgen?

Ein Problem, das etliche Beobachter zur Zurückhaltung in Bezug auf eine Intervention in Syrien raten läßt, ist die Tatsache, daß im Fall des Sturzes von Assad Kräfte in Syrien an die Macht kommen würden, die möglicherweise noch viel unangenehmere Zeitgenossen wären als dieser - eine Entwicklung, die man aus dem Irak, aus Afghanistan und aus Libyen bereits zur Genüge kennt.

Diese Beobachter fragen, ob man wirklich riskieren will, daß z.B. syrische Chemiewaffen in die Hände islamistischer Gruppen fallen, die in den letzten Monaten der ganzen Welt demonstriert haben, daß sie keinerlei Hemmungen haben, Massaker an der Zivilbevölkerung zu verüben, wenn diese nicht bereit ist, die Anschauungen dieser Gruppierungen zu übernehmen und zu unterstützen. Obwohl es in der „Freien Syrischen Opposition“ etliche Kräfte gibt, die für ihre Zugehörigkeit oder Nähe zu Al-Kaida oder zum Dschihad bekannt sind, wird diese vom Westen wenigstens verbal und von Saudi-Arabien und Kuwait auch finanziell und militärisch unterstützt. Am 4. Dezember verurteilte der stellvertretende russische Außenminister Michael Bogdanow in einem Interview mit ITAR-TASS die Tatsache, daß trotz des offiziellen Waffenembargos weiterhin große Mengen an Waffen an die syrische Opposition geliefert werden, darunter „sehr gefährliche Systeme“, wie z.B. Stinger-Raketen.

Völkerrechtsbruch

Auf der Internetseite Antiwar.com wies der Analyst John Glaser unter der Überschrift „Obamas Syrien-Politik kommt der ,Bush-Doktrin’ gefährlich nahe“ darauf hin, daß der Einsatz von Chemiewaffen angesichts der zahlreichen Massaker für die Zivilbevölkerung kaum schlimmer sein könne als das, was schon jetzt in Syrien stattfindet. Außerdem könne man den Einsatz von Chemiewaffen nicht durch eine Flugverbotszone oder Luftangriffe verhindern, dazu sei eine Intervention von Bodentruppen mit mindestens 75.000 Mann erforderlich. Darauf würde letztendlich auch ein begrenzter Militäreinsatz hinauslaufen. Die Folge wäre ein Regimewechsel ohne lebensfähige Übergangsregierung und damit eine langandauernde Besetzung des Landes wie im Irak, die Hunderttausende von Menschenleben und Billionen Dollars kosten würde.

Glaser zitiert die Völkerrechtsexperten Paul R. Williams, J. Trevor Ulbrick und Jonathan Worboys, die in einem Artikel in Foreign Policy warnten: „Die Regierung Obama läßt die viel geschmähte Bush-Doktrin von der ,präventiven Verteidigung’ wiederaufleben.“ Tatsächlich könne man sich aber nur dann auf das Recht zur Verteidigung berufen, wenn ein Angriff tatsächlich erfolge oder unmittelbar bevorstehe. Die Invasion des Irak, die von der Regierung Bush mit dem Recht auf Verteidigung begründet wurde, schreibt Glaser, „war ein klares Kriegsverbrechen, denn sie beruhte auf fingierten Belegen für eine nicht-existierende Bedrohung und entbehrte damit jeder glaubwürdigen Rechtfertigung als Verteidigung. Die derzeitige Lage in Syrien ist etwas anders gelagert, aber es ist bemerkenswert, daß die Kalkulation der Regierung Obama für eine Intervention auf der gleichen, fast universell als Kriegsverbrechen verurteilten Logik der Regierung Bush beruht.“

Tatsächlich stammt diese Logik nicht von Präsident Bush (wie sollte sie auch?), sondern von Tony Blair.

Es geht gar nicht um Assad

Ebenso klar ist - und hier liegt der eigentliche Grund für den entschiedenen Widerspruch Rußlands und Chinas -, daß es gar nicht um Syrien geht, sondern darum, die übrige Welt zur Unterwerfung unter das neue, mit amerikanischen Muskeln versehene, bankrotte Britische Empire zu zwingen. Insbesondere Rußland und China sollen eingeschüchtert werden, indem man sie einkreist und an kleineren Mächten - erst Irak, dann Libyen, dann Syrien, dann der Iran - Exempel statuiert, und dies gleichzeitig benutzt, um die Truppen auch gegen Rußland und China in Stellung zu bringen. Um angeblich drohende Raketen des Iran abwehren zu können, werden Raketenabwehrsysteme installiert, mit denen Rußland überwacht und seine Zweitschlagskapazität geschwächt werden kann, und das neue Landstreitkräftekommando der NATO, das im türkischen Izmir eingerichtet werden soll, ist ebenso nah an Rußland wie an Syrien oder dem Iran. All dies ist Teil einer allgemeinen Neuausrichtung der NATO-Kräfte auf Einsätze außerhalb des NATO-Vertragsgebiets, in Afrika, am Persischen Golf und sogar in Südasien.

Rußland und China haben klargemacht, daß sie nicht nachgeben werden, und anders als der Irak, Syrien oder der Iran haben Rußland und China Atomwaffen. Deshalb ist dieses „Angsthasenspielchen“ nicht nur völkerrechtswidrig, sondern ein Spiel mit dem thermonuklearen Feuer, das sehr leicht zum Ende unserer Zivilisation oder gar zum Aussterben der Menschheit führen kann.

Anstatt dem Druck der imperial denkenden Regierungen in Washington, London und Paris nachzugeben, muß sich die Bundesrepublik Deutschland daher klar von diesen Bestrebungen distanzieren - und der erste Schritt hierzu wäre die Ablehnung der Entsendung der Patriot-Einheiten durch den Deutschen Bundestag, um einer weiteren Eskalation der militärischen Entwicklungen bis hin zu einem offenen Krieg mit unkalkulierbaren Folgen entgegenzuwirken.

Aber der zweite, noch viel wichtigere Schritt muß es sein, das imperiale Paradigma der Blair-Doktrin durch eines zu ersetzen, das mit den vielbeschworenen Werten der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts der Völker tatsächlich im Einklang steht, nämlich ein Paradigma der wirtschaftlichen Entwicklung und der Zusammenarbeit der Regierungen im gemeinsamen Interesse der Menschheit. Genau das war das Thema einer internationalen Konferenz des Schiller-Instituts am letzten Novemberwochenende („Ein neues Paradigma für das Überleben der Zivilisation“), deren Beiträge wir allen politischen Entscheidungsträgern und Bürgern nachdrücklich zum Studium empfehlen. Die Dokumentation der Beiträge finden Sie auf der Internetseite des Schiller-Instituts unter http://www.schiller-institut.de/konferenz-november-2012/konf.html.