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Der Milliardär Bill Gates ist ein wichtiger Geldgeber für die medizinische Forschung weltweit, aber auch ein überzeugter Malthusianer. In einem Interview mit Ezra Klein in der Washington Post vom 19. Mai gibt Gates auf die Frage „Wie entscheiden Sie, was es zu finanzieren wert ist?“ eine vielsagende Antwort.
Gates, der als fanatischer Anhänger der Vorstellung einer „Überbevölkerung“ gilt, ergreift die Gelegenheit, seine Berechnungen darzulegen, die an die Argumentation von den „nutzlosen Essern“ bei Hitlers Euthanasieprogramm erinnern. Gates antwortet:
„Man spricht darüber folgendermaßen: ,Was ist ein Lebensjahr wert?’ Man nennt das ein ,behinderungsbereinigtes Lebensjahr’ (Disability Adjusted Life Year, DALY). Wenn man ein Gesundheitssystem in einem armen Land leitet, dann kann man einem Lebensjahr nicht mehr Wert beimessen als, sagen wir, 200-300 Dollar, sonst würde man sein Gesundheitssystem sofort ruinieren. Deshalb tut man nichts gegen Krebs, mit wenigen Ausnahmen...
Selbst einfache Dinge bestehen den Test nicht. Wir stehen kurz vor der Entscheidung, daß man in Afrika Medikamente gegen Bluthochdruck verwenden sollte, weil es inzwischen Generika gibt und sie so billig geworden sind und weil es ein so allgemeines Problem ist, hinsichtlich der Todesfälle durch Herzinfarkt.
Aber hier kommt die gute Neuigkeit für diese Länder. Wenn man weniger als 2% von dem ausgibt, was die reichen Länder ausgeben, aber dieses Geld für Impfstoffe und Antibiotika ausgibt, dann bekommt man dafür schon mehr die Hälfte von allem, was die Krankenversorgung dazu beiträgt, Leben zu verlängern...“
Der Post-Journalist schluckt die Argumentation ohne Widerrede. Später bittet er Gates, dieselbe Logik auf das US-amerikanische Gesundheitswesen anzuwenden. Gates sagt: „Leider ist im Gesundheitswesen der reichen Länder die Innovation gleichzeitig unser Freund und unser Feind. Durch Innovation erfindet man ein Ersatzorgan, ein Ersatzgelenk. Wir finden Wege, neue Dinge zu tun, die 300.000 Dollar kosten, und geben so Menschen, die über 70 sind, sagen wir, durchschnittlich zwei bis drei zusätzliche Lebensjahre. Und dann muß man angesichts der begrenzten Ressourcen entscheiden: Sollen wir zwei oder drei Lehrer entlassen, damit wir diese Operation durchführen können? Und bei Chemotherapien gibt es Dinge, wo wir unsere Dollars für eine Behandlung ausgeben, bei denen das Leben mit mehr als 10 bis 20 Millionen Dollar bewertet wird... - was natürlich, wenn man unendlich reich wäre, kein Problem wäre.
Die meisten Innovationen steigern also leider die Nettokosten des Gesundheitssystems. Es gibt ein paar, die eine Ausnahme bilden, vor allem, wenn es um chronische Krankheiten geht. Wenn man Alzheimer heilen könnte, wenn man Diabetes verhindern könnte - damit könnte man enorme Summen einsparen. Aber das Leistungssystem begünstigt das nicht.“
Der Post-Reporter Klein greift dann die Kritiker der Sparpolitik an: „Eine Voraussetzung für solche kostensparenden Innovationen, von denen Sie reden, ist die, daß man bereit ist, ein Urteil darüber zu treffen, was ein Menschenleben wert ist. Aber sobald man auch nur versucht, die Menschen dazu zu bringen, über diese Entscheidungen nachzudenken, dann schreien die Leute: ,Todesräte!’“
Gates stimmt ein: „Ja, jemand in der Gesellschaft muß sich der Realität stellen, daß die Ressourcen endlich sind und wir Dinge gegeneinander abwägen müssen... Als man entschied, die Ärzte dafür zu bezahlen, wenn sie fragen: ,Wollen Sie eine heroische Behandlung am Lebensende?’, da war das ein Todesrat. Aber es war kein Todesrat! Es ging nur darum, jemanden zu bitten, eine Entscheidung zu treffen.“
Daß man sich mit einer funktionierenden Wirtschaft, die nicht Billionen Dollars ausgibt, um bankrotte Banken zu stützen, ein modernes Gesundheitswesen sehr wohl leisten kann - auf diesen Gedanken kommen weder Gates noch sein Interviewer.
Bill Gates wurde übrigens im März 2005 von der britischen Königin Elisabeth II. ehrenhalber geadelt und darf sich seither „Sir“ nennen.
eir