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Neue Solidarität
Nr. 22, 29. Mai 2013

Berliner „Muckefuck“-Gesetz: Weichenstellung für EU-„Bail-in“?

Das neue Berliner „Trennbankengesetz“ soll Finanzspekulationen nicht unterbinden, sondern erleichtern.

Die BüSo hat in Deutschland die strikte Glass-Steagall-Bankentrennung auf die politische Tagesordnung gesetzt, um den Weg freizuräumen für die Wiederankurbelung der Realwirtschaft. Das jetzt verabschiedete sogenannte Trennbankengesetz der Bundesregierung ist hingegen eine mit Hilfe der staats- und bankentreuen Medien verpackte Muckefuck-Variante, die außerdem die wirklichen Prozesse auf der EU-Ebene hin zu einer Finanzdiktatur verschleiert. Daß die SPD ihrerseits noch schneller als alle anderen eine europäisch kontrollierte Banken- und Fiskalunion will, macht ihre „Opposition“ gegen das Gesetz auch nicht besser. Keiner der Abgeordneten im Bundestag, gleich welcher Partei, hatte in den letzten Monaten den Mut, das im Kongreß vorliegende Glass-Steagall-Gesetz auch nur öffentlich zu erwähnen, obwohl die BüSo sie in zahllosen Gesprächen ausgiebig informiert hatte!

Daß der demokratische US-Senator Tom Harkin nun - einen Tag vor der Verabschiedung des Berliner „Trennbankengesetzes“ im Bundestag - das im Repräsentantenhaus bereits vorliegende Glass-Steagall-Gesetz für eine strikte Bankentrennung auch im US-Senat eingebracht hat, hat die Karten global neu gemischt: damit ist seine kurzfristige Verabschiedung in den USA in greifbare Nähe gerückt, was auch den Weg öffnet, um in Europa die EU-Pläne für eine Finanzdiktatur zur Rettung bankrotter Banken zu stoppen. Damit würde das, was in Berlin gerade beschlossen wurde, über Nacht faktisch in Makulatur verwandelt.

Das deutsche Gesetz erhebt überhaupt gar nicht erst den Anspruch, die Realwirtschaft befördern zu wollen, sondern verschreibt sich nur der „Rettung der Finanzstabilität“. Es zeichnet sich durch völlig zahnlose Maßnahmen zur möglichen Trennung weniger Geschäftsbereiche unter bestimmten Bedingungen (Risikopositionen mehr als 100 Milliarden Euro oder 20% der Bilanzsumme) aus. Das Deutsche Institut der Wirtschaft (DIW) schreibt, das Gesetz mache es den Banken sehr einfach, spekulative Eigengeschäfte als erlaubtes „Market Making“ umzudeklarieren. Solange scheinbar getrennte Banken immer noch in einer Holdinggesellschaft vereint seien, könne man den Effekt dieses Gesetzes bestenfalls als marginal bezeichnen. Außerdem soll eine mögliche Abspaltung erst zum Juli 2016 vollzogen werden müssen. Selbst das Handelsblatt schrieb, die vorgesehenen Maßnahmen seien sogar noch weit von den (unzulänglichen) Trenn-Forderungen der Liikanen-Kommission entfernt.

Das Gesetz wird also dem eigenen Anspruch, effektiv gegen die Systemgefährdung durch Spekulationsorgien anzugehen, bei weitem nicht gerecht. Es enthält in der Essenz vor allem Hinweise an Banken, wie man sich reorganisieren muß, um weiter spekulieren zu können - vor allem, da der Geldsegen durch die EZB immer munter weiter ins Casino fließt.

Weil das so offensichtlich ist, ist das „Schweigen der Lämmer“ in allen Parteien zu einem anderen Aspekt des Gesetzes - dem „Bail-in“ - besonders interessant. Denn genau dies sollte - vor allem nach den Ereignissen von Zypern - die Alarmglocken schrillen lassen und genauer untersucht werden.

Das Gesetz „zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen“ bezieht sich ausdrücklich auf die Richtlinien des Finanzstabilitätsrates (FSB) von Oktober 2011 (Key Attributes) und die „Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie“ der EU-Kommission von Juni 2012. Beide verlangen offen das „Bail-in“ als Instrument zur Rettung der Finanzindustrie - nachdem die Bezahlung der Wettschulden durch die Steuerzahler („Bail-out“) auf offensichtliche Grenzen trifft. Mit „Bail-in“ wird der Zugriff auf „Fremdkapital“ in Banken, einschließlich von Kundeneinlagen, ermöglicht, wie es kürzlich im Fall Zypern vorexerziert wurde.1

Der einleitende Passus „Problem und Ziel“ im Gesetzentwurf der Bundesregierung listet bei den EU-Plänen zuerst das „Bail-in“ als „Instrument zur Abschreibung beziehungsweise Umwandlung von Fremdkapital“ auf, gefolgt von „Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie Vorschriften zur Koordination der Abwicklung von grenzüberschreitenden Gruppen“.

Im Gesetz findet sich die Referenz zum Bail-in u.a. unter dem Punkt: „Erstellung eines Abwicklungsplans“ über die Grundsätze in § 47 f (4) 4. Dort heißt es: „Nach den Anteilsinhabern sollen die Gläubiger des in Abwicklung befindlichen Instituts nach Maßgabe der Regelungen des §§ 48 a bis 48 s die Verluste tragen, soweit dies mit den in Absatz 2 genannten Abwicklungszielen vereinbar ist.“ Es solle dabei sichergestellt werden, daß kein Gläubiger einen höheren Verlust tragen soll, als er bei einem regulären Insolvenzverfahren erleiden würde. Dann heißt es weiter, die Insolvenzquote könne nach der neuen Regelung „pauschal“ auf der „Basis der zu diesem Zeitpunkt ermittelten Kapitallücke“ ermittelt werden. Dabei bleibt natürlich die Frage, wer die Größe dieser sog. „Kapitallücke“ feststellt, und wie bestimmt wird, was an wen zu zahlen ist (z.B. welchen Stellenwert Derivatpositionen haben).

Das Gesetz definiert klar als oberstes Abwicklungsziel, eine Gefährdung des Finanzsystems zu vermeiden. Mit den jetzt dafür vorgeschlagenen Mitteln zur zaghaften Abtrennung einer sehr begrenzten Zahl spekulativer Geschäfte wird genau das aber absolut unmöglich sein - das ist jedem klar, der sich in der Finanzwelt auskennt. Es müssen also andere Wege beschritten werden, um an Liquidität zu gelangen. Da fällt man aber nicht mit der Tür ins Haus. So heißt es dann auch entsprechend vorsichtig in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf:

Als zwar wichtig, aber klar nachgeordnet, werden im Gesetz dann weitere Ziele, die auch berücksichtigt werden sollen, aufgezählt:

Die Gewichtung für „die Systemstabilität“ kommt auch in der Erläuterung zum Gesetzentwurf bezüglich § 47d (Bewertung der Abwicklungsfähigkeit) deutlich heraus. Dort heißt es zunächst, es sei sicherzustellen, daß „die Schieflage eines Instituts ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bewältigt werden kann“. Aber gleichzeitig müsse dabei auch „Sorge getragen“ werden, „daß Eigen- und Fremdkapitalgeber die erwarteten Verluste des Kreditinstituts so weit wie möglich selbst tragen“.

Über die Geltungsdauer des Gesetzes heißt es, es sei unbefristet gültig, „...sofern nicht zwischenzeitlich in seinem Regelungsbereich europarechtliche Vorschriften geschaffen werden, die eine den Inhalten des Gesetzes vergleichbare Umsetzung erfordern.“

Fazit: Dieses Finanzsystem kann nicht mehr „stabilisiert“ werden“. Es ist so hoffnungslos bankrott, daß es als ganzes einem geordneten Insolvenzverfahren - nach dem strikten Glass-Steagall-Standard der Trennung zwischen Geschäftsbanken- und Investmentbankaktivitäten -unterzogen werden muß. Schluß mit der Augenwischerei! Allein die Derivatpositionen der Deutschen Bank liegen dem Vernehmen nach in einer Größenordnung von 60-70 Billionen Euro. Wer soll eine „Kapitallücke“ dieser Größenordnung jemals schließen?

Helfen Sie jetzt mit bei der Mobilisierung der BüSo; machen Sie Ihren Abgeordneten Dampf und schreiben Sie Unterstützungsbriefe zur schnellen Verabschiedung von Glass-Steagall an den US-Kongreß! Dies ist der erste Schritt, um den Giftmüll beiseite zu räumen und mit einem Kreditsystem souveräner Nationen statt bankrotter Banken die Rekonstruktion der Weltwirtschaft und das Gemeinwohl der Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Elke Fimmen


Anmerkung

1. Schon die EU-Richtlinie vom 6.6.2012 beinhaltet ein Bail-in-Schema, das u.a. die Beschlagnahmung von Kundenguthaben über der (bisher) garantierten Grenze von 100.000 € vorsieht; die Schweiz führte dieses Regime bereits Ende 2012 ein. Helga Zepp-LaRouche wies in ihrem Artikel „EU bereitet Zugriff auf Banken vor - Nur Glass-Steagall kann Sie retten“ (Neue Solidarität 20/2013) auf die Pläne von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hin, das Zypern-Modell, d.h. die Enteignung von Bankguthaben im Falle von Bankpleiten, für die ganze EU vorzubereiten. Wie das Magazin Focus berichtet habe, könne man „nach all den Tabubrüchen und ,roten Linien’, die man nie habe überschreiten wollen, ... nicht ausschließen, daß man bald schon ab einem Euro (1,-) haften müsse, und die Versprechungen von Merkel und Steinbrück vom Oktober 2008 über die angebliche Staatsgarantie für Einlagen bis zu 100.000 Euro seien heute Makulatur.“ Das europaweite „Bail-in“ habe Gerüchten zufolge schon auf der Tagesordnung des jüngsten Treffens der EU-Finanzminister gestanden.