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Neue Solidarität
Nr. 25, 19. Juni 2013

Demonstrationen in der Türkei spiegeln Wut über die Syrien-Politik wider

Am 11. Juni gab es in Istanbul eine Demonstration von Zehntausenden, wogegen die Regierung ein großes Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern und Tränengas einsetzte; der Ärzteverband der Türkei berichtete von 5000 verletzten Demonstranten. Außerdem wird von zwei Toten gesprochen. Trotz scharfer Warnungen der Regierung demonstrierten am folgenden Tag erneut mehr als 10.000 auf dem Taksim-Platz. Aber was man derzeit in der Türkei sieht, ist kein „türkischer Frühling“. Informierte Beobachter aus Istanbul erklärten gegenüber EIR, die Massendemonstrationen seien in hohem Maße eine Reaktion gegen die verräterische Politik der Regierung in der Syrienkrise, weil diese Politik als gescheitert und gefährlich betrachtet wird.

Die Unterstützung der Regierung für die bewaffnete syrische Opposition, hinter der Briten und Saudis stehen, hat das Land bereits tief gespalten, und eine organisierte NATO-Militärintervention mit der Türkei als Ausgangsbasis wäre katastrophal. Durch die Politik der Regierung Erdogan kam die Türkei in die „sunnitische Allianz“ mit Saudi-Arabien, Katar und den Emiraten (VAE), die die Rebellen mit Milliarden Dollars an Waffen, Söldnern und anderem unterstützen, wobei ein Großteil davon über türkisches Gebiet geschleust wird. In ihrer gesamten Geschichte als Republik hat sich die Türkei noch nie in einer solchen Lage befunden.

Die von Saudis und Katar gestützten Kämpfer, darunter viele mit Al-Kaida-Verbindungen, greifen syrische Minderheiten an, wie Alewiten, Aserbeidschaner, Kurden und Christen, deren Siedlungsgebiete sich mit den benachbarten türkischen Provinzen überlappen. Diese Minderheiten, die bis zu 40% der türkischen Bevölkerung (76 Mio.) ausmachen, sind meist keine Anhänger der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Und die von Saudi-Arabien angeführte „sunnitische Allianz“ praktiziert einen fundamentalistischen Wahabismus, der auch vielen gläubigen türkischen Muslimen verhaßt ist.

Der wichtigste Urheber dieser Politik in der Türkei ist Außenminister Ahmed Davutoglu, der aus seiner Bewunderung für das Osmanische Reich keinen Hehl macht. Er setzte sich sogar dafür ein, daß die Nachkommen des letzten Sultans an Staatsfeierlichkeiten teilnehmen wie dem „Tag der Eroberung“ zum Gedenken an die osmanische Eroberung Konstantinopels.

Diese Politik trägt dazu bei, das Land immer weiter zu spalten. Nach Einschätzung informierter Kreise war das Vorhaben der Regierung, am Getzi-Park auf dem Taksim-Platz in Istanbul ein Einkaufszentrum nach den Bauplänen alter Armeekasernen zu bauen, nur der letzte Auslöser für die Proteste, die schon länger in der Luft lagen. Ein gewichtigerer Grund war die Autobombe in der Provinz Hatay nahe der syrischen Grenze am 11. Mai, durch die 56 Türken starben, was als Übergreifen des syrischen Konflikts auf die Türkei gesehen wird. Die Anwohner haben den Bäumen im Getzi-Park sogar Namen nach diesen 56 Toten gegeben.

Die Demonstranten stehen für ein breites Spektrum der Bevölkerung, nicht nur „Säkularisten“, sondern auch Minderheiten wie Alewiten und Kurden sowie Islamisten, die mit der Regierung unzufrieden sind. Außerdem leiden größere Bevölkerungsteile weiter wirtschaftliche Not und die Verteidigung der Menschenrechte ist auch ein Faktor.

Auf jeden Fall sind die Demonstrationen viel verbreiteter, als die sich selbst zensierenden türkischen Medien berichten. In Istanbul gibt es bisher nur deshalb keine Großdemonstrationen, weil die Bevölkerung Angst vor Tränengas und Wasserwerfern der Polizei hat, aber bis zu 2 Mio. Menschen in der Stadt haben sich schon an Protesten irgendeiner Art beteiligt, meist in ihren jeweiligen Stadtteilen. Dies kann etwa die Form annehmen, daß ein paar hundert Menschen vor ihren Häusern auf die Straße gehen oder Lärm mit Töpfen und Pfannen machen, Slogans skandieren u.ä. Nach 9 Uhr abends ist die ganze Stadt erfüllt mit dem Lärm solcher Aktionen. Das letztemal, daß es so verbreitet Protestkundgebungen gab, war kurz vor dem Militärputsch der 80er Jahre.

Die Frage ist nun, ob die Türkei ihre Syrienpolitik ändert und aus dem anglo-saudischen Bündnis ausschert.

eir