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Neue Solidarität
Nr. 35, 28. August 2013

Die Schlacht von Atlanta und das Ibykus-Prinzip

Tim Rush vom LaRouche-Aktionskomitee berichtet vom Kampf für das Glass-Steagall-Trennbanken-Gesetz bei der Jahreskonferenz der amerikanischen Landtagsabgeordneten.

Sieben Aktivisten des LaRouche-Aktionskomitees LPAC, angeführt von den ehemaligen Kongreßkandidaten Diane Sare und Bill Roberts und unterstützt vom Präsidenten des Schulrats von Detroit LaMar Lemmons, gelang beim Jahreskonvent der Nationalen Konferenz der Landtagsabgeordneten (NCSL) vom 12.-15. August in Atlanta/Georgia eine eindrucksvolle Demonstration des „Ibykus-Prinzips“, das Friedrich Schiller in seiner Ballade Die Kraniche des Ikykus so schön dargestellt hat. Gleichzeitig war es ein anschaulicher Beleg dafür, daß das Prinzip der Flanke im Kern nicht materiell, sondern psychologischer Natur ist: Ohne die von ihrer Wut getriebene Überheblichkeit und Brutalität unserer Gegner hätten wir nicht halb so viel erreicht. Im folgenden Bericht will ich mich daher darauf konzentrieren, wie sich das politische und psychologische Klima im Lauf der Ereignisse entwickelt und verändert hat.

In der Woche vor der Konferenz hatten Aktivisten und Unterstützer des LaRouche-Aktionskomitees einen großen Teil der rund 800 Landtagsabgeordneten, die an der Veranstaltung teilnehmen würden, angerufen oder per E-Mail kontaktiert, insbesondere die Mitglieder des Ausschusses für Kommunikation, Finanzdienstleistungen und den Handel zwischen den Bundesstaaten (CFI). Nur relativ wenige Abgeordnete wurden persönlich erreicht, aber die Nachrichten, die wir ihnen übermittelten, machten sie zumindest auf die Auseinandersetzung über die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankengesetzes aufmerksam. Einige Abgeordnete erhalten bereits regelmäßig unseren Nachrichtenbrief für Politiker Legislator Alert. Besonderes Gewicht legten wir auf die Unterstützer der Resolutions- und Gesetzesanträge in den verschiedenen Bundesstaaten (in 24 Bundesstaaten liegen derartige Resolutionen in den Landtagen vor oder wurden bereits beschlossen).

Als wir dann in Atlanta eintrafen, stellten wir fest, daß auch die Bankster der Wall Street entsprechende Telefonanrufe gemacht hatten, ebenfalls mit dem Schwerpunkt auf den etwa 60 Mitgliedern des CFI-Ausschusses. Da sie wußten, daß es schwierig sein würde, die Machenschaften der Wall Street direkt zu verteidigen, drängten sie alle diejenigen Abgeordneten, die sie nicht ohnehin schon in der Tasche hatten, sich in der Frage „neutral zu verhalten“. Ein Abgeordneter aus Maryland sagte uns, daß „Finanzinteressen Delegierte anrufen“, darüber sei in der Delegation seines Bundesstaats gesprochen worden.

Am Konferenzzentrum eingetroffen, ging das LPAC-Team sofort daran, so viele Abgeordnete wie möglich persönlich anzusprechen. Innerhalb von vier Tagen sprachen wir mit rund 200 Abgeordneten. Viele, die sich dafür entschieden, den Kampf für Glass-Steagall zu unterstützen, waren sich völlig im klaren darüber, wie die Wall Street ihre Bundesstaaten oder Territorien ausraubt, wie z.B. ein Delegierter aus Puerto Rico, der derzeit mitten in einem Kampf mit der schweizerischen Großbank UBS steht, weil dort Pensionen um 50% gekürzt werden sollen.

Die Geier steigen nieder

Die Konferenzleitung hatte der Landessenatorin Cathy Cloutier aus Delaware, die eine Resolution zur Unterstützung von Glass-Steagall eingebracht hatte, 15 Minuten Zeit beim „Financial Services Update“-Forum des CFI-Ausschusses am späten Montagnachmittag bewilligt, um ihren Antrag zu begründen, als Vorbereitung für die Sitzung des Ausschusses am kommenden Morgen, in der über die Resolution abgestimmt werden sollte. Eine halbe Stunde vor Beginn des Forums trafen die Heuschrecken ein. Ein führender nationaler Lobbyist von JP Morgan Chase, begleitet von seinem Sprecher in Delaware, Don Mell, der schon bei der Anhörung im Landtag von Delaware durch seine Drohungen unangenehm aufgefallen war, tauchte vor dem Konferenzraum auf. Innerhalb einer Stunde wurden mindestens weitere acht Banklobbyisten gesichtet, darunter ein „Senior Vice President“ der Bank of America aus Washington sowie Lobbyisten von Citibank, Wells Fargo und Goldman Sachs. Die Morgan-Sprecher wollten die Antragstellerin einschüchtern, aber ein Mitglied des LPAC-Teams intervenierte und hielt ihnen ihre Verbrechen und ihre Arroganz vor. Sie platzten fast vor Wut.

Bei dem Forum hielt zunächst eine Vertreterin des Verbands der Bankaufsichten der Bundesstaaten einen langatmigen Vortrag, sah sich dann aber gezwungen, auch Glass-Steagall als eine von drei Möglichkeiten aufzuzählen, die erwogen würden, um die Mängel des Dodd-Frank-Gesetzes (Barack Obamas Scheinreform des Bankwesens) auszugleichen. Sie versuchte es so darzustellen, als würde keine der drei Alternativen weiterführen, aber schon dieser kleine Realitätsschimmer reichte aus, um alle im Raum aufmerken zu lassen.

Das war jedoch noch gar nichts im Vergleich zu dem, was dann auf die Bankster zukam. Cloutier, sekundiert von Landessenator Perry Clark aus Kentucky und von LaMar Lemmons, prangerten in scharfen Worten die Kriminalität der hochmütigen und mächtigen Bankiers an - in den dreißiger Jahren, als Franklin Roosevelt und Ferdinand Pecora gegen sie vorgingen, und heute. (Den Wortlaut ihrer Ausführungen finden Sie in Neue Solidarität 34/2013.) Während dieser Vorträge sah man die ganze Zeit über an der Wand über den Rednern ein Bild Ferdinand Pecoras, der sich die Wall-Street-Mogule vorknöpfte.

Das war der Abschluß des formellen Forums und gleichzeitig der Beginn eines Aufruhrs der Bankster, die im Pulk auf die Redner losgingen, um sie zur Rede zu stellen. Ein typisches Beispiel: Ein Lobbyist für Wells Fargo beschwerte sich gegenüber LaMar Lemmons über die „skandalöse Vorträge“. Lemmons: „Ich denke, da müssen wir respektvoll feststellen, daß wir verschiedene Meinungen haben.“ Der Bankier: „Nennen Sie das, was da drin abgelaufen ist, respektvoll?“

Über die nächsten 18 Stunden folgten Nötigung und Einschüchterung hoch drei, wobei Strohmänner der Banken in der Delegation aus Delaware unermüdlich die Antragstellerin, Landessenatorin Cloutier, und auch andere Abgeordnete mit „Zuckerbrot und Peitsche“ und Verleumdungen gegen LaRouche bearbeiteten. Unmittelbar vor der Sitzung am folgenden Morgen informierte Cloutier die LPAC-Aktivisten, daß sie sich gezwungen sähe, ihren Resolutionsantrag zurückzuziehen. Ein führender nationaler Lobbyist für JP Morgan Chase, der dabei hinter ihr stand, verkündete im wahren Mafiosostil: „Es ist tot.“ Wir erklärten ihm, nicht Glass-Steagall sei tot, sondern seine Bank. Im Raum selbst hörte man vor der Behandlung des Glass-Steagall-Antrags die Bankster triumphierend flüstern: „Sie wird es zurückziehen.“

Das Ibykus-Prinzip wirkt

Doch ab diesem Punkt entfaltete das Ibykus-Prinzip seine Wirkung.

Die Kombination aus der monatelangen intensiven Werbung des LaRouche-Aktionskomitees für das Glass-Steagall-Programm in allen Landtagen und den intensiven Aktivität beim Konvent selbst - nicht zuletzt dem sehr wirksamen Einsatz von LaMar Lemmons, der den Ausschuß der farbigen Abgeordneten („Black Caucus“) und andere über die Zerstörung der Stadt Detroit durch die Banken informierte - hatte insgesamt den Effekt, daß der Moment des Triumphs der Banker auch gleichzeitig der Beginn ihrer Niederlage wurde.

Denn bei derartigen Veranstaltungen herrscht gewöhnlich ein Klima der Höflichkeit und der Kameradschaft, und das hatten die Banklobbyisten zerstört. Es kommt sonst so gut wie nie vor, daß eine Resolution so abrupt zurückgezogen wird, und erst recht nicht, daß die Antragstellerin dazu in offensichtlicher Gewissensnot erklärt: „Ich bin immer noch für Glass-Steagall, aber meine Delegation hat darauf bestanden, daß ich den Antrag zurückziehe.“

Wie in Schillers berühmten Gedicht ging daraufhin im Saal das Wort „von Mund zu Munde schnell“: „Ja, ich habe auch gehört, daß da etwas Seltsames vorgegangen ist. Was hat es damit auf sich?“ Und dieses Gefühl, daß hier etwas faul war und etwas Unrechtes geschehen war, breitete sich im weiteren Verlauf des Tages aus und wuchs immer mehr.

Am nächsten Morgen verteilten wir ab 7:30 Uhr, als die Teilnehmer des Konvents aus ihren Hotels zum Veranstaltungsort kamen, ein Flugblatt über den ganzen Vorgang. Innerhalb von etwa zweieinhalb Stunden verteilten wir rund 500 Flugblätter, die meisten an Abgeordnete. Etliche von ihnen blieben kurz stehen und sagten uns, daß sie davon schon gehört hatten. So sagte uns ein Teilnehmer aus Louisiana: „Man hat bei der Konferenz mit uns darüber gesprochen.“ Gleichzeitig verschickten wir das Flugblatt und einen Artikel des Magazins Politico über die Auseinandersetzungen an alle Abgeordneten, die wir auf unserer E-Mail-Liste hatten. Jemand sagte uns: „Mir hat schon jemand den Politico-Artikel geschickt.“

Das alles gefiel den Bankstern gar nicht. Einer ihrer Strohmänner im CFI-Ausschuß, ein prominenter Landessenator, war sehr ungehalten, als er das Flugblatt sah und ihm der LPAC-Aktivist, der es ihm gegeben hatte, erklärte: „Der Kampf um Glass-Steagall hat gerade erst begonnen.“ Er rief verzweifelt: „Nein, er ist vorbei. Vorbei!!

An einem anderen Hotel griff sich ein bulliger Kerl das Flugblatt und fing an, die zierliche LPAC-Aktivistin, die es verteilte, zu beschimpfen. Da er kein Namensschild trug, fragte sie ihn, wer er überhaupt sei. Er antwortete: „Ich bin Wells Fargo!“ Als sie ihm daraufhin die Verbrechen seiner Bank vorhielt, brüllte er: „Warum hassen Sie mich?“

Nach fünf Minuten kamen Mitarbeiter des Hotels heran, wenig später gefolgt von einem Polizisten, und behaupteten, die Konferenzleitung habe verlangt, daß sie das Verteilen des Flugblatts unterbinden sollten. Als wir darauf hinwiesen, daß wir uns auf einem öffentlichen Trottoir befanden - was auch aus der Sicht des Polizisten bedeutete, daß wir das Recht hatten, dort Flugblätter zu verteilen -, versteifte sich das Hotelmanagement auf die Behauptung, wir dürften sie aber nicht selektiv „nur Teilnehmern der NCSL-Konferenz“ geben. Die LPAC-Aktivistin gab daraufhin einem Obdachlosen, der zufällig in der Nähe war, auch ein Flugblatt, und setzte die Verteilaktion fort.

Das andere Element des Ibykus-Prinzips war die Reaktion der Abgeordneten, die mit uns schon länger oder erst neu zusammenarbeiteten. Die Erpressungsmethoden der Bankster befeuerten ihren Kampfgeist, weit mehr, als wenn der Ausschuß einfach weiter über die Resolution debattiert und abgestimmt hätte (und wegen der sehr hohen Abstimmungshürden wäre er dann wahrscheinlich gar nicht an das Plenum weitergeleitet worden).

So sammelte sich im Verlauf des Mittwochs eine Kerngruppe von Landtagsabgeordneten um uns, die bereit war, weiter für den Glass-Steagall-Antrag zu kämpfen. Wir sahen uns die Statuten des NCSL noch einmal genau an und sahen, daß man eine Glass-Steagall-Resolution in der Plenarsitzung zur Abstimmung bringen konnte, wenn man sie als inhaltlich relevanten Änderungsantrag zu einer anderen Resolution einbringt. Dafür bot sich eine Resolution zu den Sparprogrammen zur Reduzierung der Defizite und ihren Auswirkungen auf die Bundesstaaten an.

Was sich dann am Donnerstag morgen im Plenum ereignete, wird den Lobbyisten der Wall Street und ihren Marionetten unter den Delegierten sicherlich noch lange Alpträume bereiten. Erst hatten sie gedacht, sie hätten den Widerstand schon am Dienstag in beispielhafter Manier erstickt. Inzwischen wußten sie, daß wir einen neuen Antrag stellen würden, dachten aber, sie könnten das mit dem simplen formalen Trick blockieren, den Änderungsantrag als „nicht sachrelevant“ zurückzuweisen. Dazu schickten sie einen erfahrenen Apparatschik vor, die Abgeordnete Dolores Kelley aus Maryland.

Doch die Ereignisse glitten ihnen aus den Händen. Als der Wortlaut des Änderungsantrags an die Wände rechts und links vom Podium projiziert wurde, wirkte das wie das „Mene Tekel“ an der Wand bei Belsazars Festmahl. Die 500 Personen im Raum, davon etwa 300 Abgeordnete, waren sofort total gespannt und es war ein lautes Gemurmel im Saal zu hören.

Da wir bei einem Treffen am Morgen schon ausführlich darüber gesprochen hatten, welche Methode die Gegenseite wählen würde, und unser Vorgehen genau geplant hatten, stand die Gruppe unserer fünf Mitstreiter unter den Abgeordneten bereit, um an jedem der vier oder fünf entscheidenden Momente in den folgenden Ereignissen im richtigen Moment zu intervenieren.

Nachdem der Änderungsantrag formell gestellt wurde und daraufhin die Gegenseite, wie erwartet, behauptete, er sei „nicht sachrelevant“, und die Konferenzleitung dem stattgab, erfolgte der Einwurf: „Ich erhebe Einspruch gegen die Entscheidung der Vorsitzenden“, jeweils unterstützt von den anderen vier Delegierten. So erzwangen sie eine ausführliche Debatte über diese Frage. Schließlich erzwangen sie auch eine formelle Abstimmung über die Entscheidung der Konferenzleitung, den Antrag zurückzuweisen. Während der ganzen Zeit war der Text des Änderungsantrags an den Wänden des Saals zu lesen.

Bei der Abstimmung, bei der jeder Bundesstaat eine Stimme hatte (nachdem sich die einzelnen Landesdelegationen untereinander abgesprochen hatten), erklärte dann ein volles Drittel der Delegationen entweder den Antrag für legitim, d.h. unterstützte ihn, oder enthielt sich der Stimme, weil es innerhalb der Delegation weder dafür noch dagegen eine Mehrheit gab.

Da die Delegationen auf dem Konvent nicht unbedingt repräsentativ sind und auch nicht alle Delegierten an der Plenarsitzung am letzten Konferenztag teilnahmen, sollte man die jeweilige Entscheidung der Landesdelegationen nicht überbewerten. In einigen der größten Bundesstaaten - Kalifornien, New York, Illinois und Michigan - liefen zu der Zeit noch Landtagssitzungen, weshalb sie kaum Vertreter zu dem Konvent entsandt hatten. Dennoch zeigt das Ergebnis, daß es durchaus beträchtliche Unterstützung für den Glass-Steagall-Antrag gibt. Die Nachrichten über das, was sich bei diesem Konvent ereignet hat, werden mit Sicherheit auch die rund 5000 Landtagsabgeordneten in den 50 US-Bundesstaaten erreichen, die nicht bei dem Konvent waren.

Wichtig ist auch, daß unser Aktivistenteam etliche Gäste aus anderen Ländern traf, die an dem Konvent teilnahmen, darunter wichtige Abgeordnete aus Australien, Südafrika, Nigeria, Portugal und Deutschland. Die dramatische Wirkung des unermüdlichen Einsatzes der LPAC-Delegation für Glass-Steagall machte großen Eindruck auf sie.

Jeder aufmerksame und moralische Teilnehmer wird sich im Rückblick auf diesen Konvent an nicht viel anderes erinnern als an den massiven Ausbruch des Kampfs um Glass-Steagall. Einige der Abgeordneten zeigten sich der Situation in einer Weise gewachsen, wie sie die Gegenseite nicht erwartet hatte. Die Herausforderung ist nun, den Kampf bis zum Sieg weiterzuführen, das Glass-Steagall-Gesetz durchzusetzen und so den Handlangern des britischen Finanzimperiums an der Wall Street das Handwerk zu legen, bevor sie ihre mörderische Politik durchzusetzen und das Leben der sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten in Gefahr bringen können.