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Neue Solidarität
Nr. 37, 11. September 2013

Leserforum: Glass-Steagall und die AfD

Der Euro-Gegner Prof. Joachim Starbatty wollte sich bei einer Veranstaltung in Jena in seiner Antwort auf eine Frage zur Glass-Steagall-Bankentrennung nicht recht festlegen.

Am Freitag, dem 30. August, sollte hier im schönen Jena in der Friedrich-Schiller-Universität ein Kolloquium „Tatort Euro” mit Prof. Joachim Starbatty stattfinden. Die Veranstaltung mußte aber aufgrund massiven Drucks durch eine Internet-Kampagne der Piratenpartei, des hiesigen Studentenrates und ein paar Linker auf einen anderen Standort ausweichen, da der Rektor der Uni nicht für die Sicherheit der Veranstaltung garantieren wollte oder konnte. Das ganze fand dann im traditionsreichen Hotel Zum Schwarzen Bären statt und artete ganz offen in eine Wahlkampfveranstaltung der AfD aus. Prof. Starbatty hielt nun seine Rede nicht als emeritierter Professor der Volkswirtschaft der Uni Tübingen, sondern als Spitzenkandidat der AfD.

Viele seiner Argumente, die den Euro betreffen, decken sich mit denen der BüSo, und obwohl mehrfach der Punkt gemacht wurde, daß man keine Ein-Themen-Partei, also keine reine Anti-Euro-Partei sei, so drehten sich die Hauptargumente jedoch genau um diese Probleme in der Euro-Zone. Der Zuhörer konnte leicht den Eindruck gewinnen, daß die Probleme hauptsächlich durch die existierenden Staatsschulden dominiert werden. Prof. Starbatty prangerte zwar die Tatsache der verschiedensten Bankenrettungsmechanismen an und lieferte auch eine Analyse darüber ab, wie es denn zu der heutigen Situation gekommen sei, jedoch präsentierte er zu keiner Zeit eine Lösung, die nicht rein monetaristischer Natur gewesen wäre.

Der wesentliche Unterschied zu den Inhalten der BüSo besteht darin, daß die AfD keine Notwendigkeit für eine staatliche Kreditschöpfung für strukturelle Impulse in der Form von groß angelegten Wirtschaftsprogrammen sieht - Zitat: „Das System in Deutschland ist, daß wir sagen, man kann diese finanziellen und wirtschaftlichen Entscheidungen nicht den Politikern überlassen.“ Weiterhin ist die Einschätzung der Ursachen der Krise meines Erachtens nicht tiefgehend genug. Sie hört bei monetären-technischen Details auf und prangert die Aktionen einzelner Institutionen an, ohne jedoch tiefer in die Gründe für ihre betrügerischen Maßnahmen eingehen und diese geschichtlich korrekt klassifizieren zu können, geschweige denn eine konkrete Lösung vorzuschlagen.

Ich habe Herrn Prof. Starbatty zu seinem Standpunkt zum Glass-Steagall-Gesetz befragt. Zum einen war in seiner Antwort eine gewisse Undeutlichkeit über die Tragweite dieses Gesetzes zu spüren. Ich würde vermuten, daß Prof. Starbatty nicht den vollen Rahmen des Glass-Steagall Gesetzes erfaßt hat, zumal er kategorisch von der Annahme ausging, daß das Glass-Steagall-Gesetz nicht dazu beitragen würde, daß Haftungs- und Entscheidungsträger in persona vereinigt werden würden. Ich weiß jedoch aus guter Quelle, daß Glass-Steagall eigentlich genau das tut. Er ging auch mit keinem Wort auf den Umstand ein, daß Glass-Steagall bis 1999 trotz zunehmender Unterhöhlung durch ausufernde Liberalisierung und Deregulierung erfolgreich das Finanzsystem weitestgehend in seinen Bahnen gehalten hat und erst nach seiner Abschaffung jene Entwicklungen frei ihren Lauf nehmen konnten, deren katastrophale wirtschaftliche Folgen wir jetzt deutlich zu spüren bekommen. Inflation und Bankenrettung durch kalte Enteignung (Wir sind nicht mehr beim Bail-Out, Herr Starbatty, sondern bereits beim Bail-In!) der Bevölkerung und eine sich zunehmend zuspitzende Kriegsgefahr, die nicht unbedeutend mit dem drohenden Zusammenbruch des transatlantischen Finanzsystems zusammenhängt.

Starbatty verlor in seiner Antwort viele Worte über die Rolle von Rating-Agenturen, welche die Banken und die Anleger verführt hätten. Die Banken hätten jene daraufhin gebeten, ihre Anlagen und Produkte etc. öffentlichkeitswirksam zu bewerten. Die Rating-Agenturen hätten dann im Konkurrenzdruck oft falsche Bewertungen abgegeben und so sei es dazu gekommen, daß die Haftung nicht mehr bei den „Playern“ lag, die diese Einschätzung, bzw. Maßnahme veranlaßt hätten, weil ja die Ratings nur reine Meinungsäußerung seien und „Standard and Whores“, Moody’s and Fitch nicht für den Wahrheitsgehalt ihrer Ratings haften müßten. Darin sah Prof. Starbatty scheinbar einen Hauptgrund allen Übels, wenn man seine Antwort an jenem Abend zu Grunde legt.

Aber mal ehrlich. Sollte das wirklich die alleinige Hauptursache gewesen sein? Sicher gab es Rating-Agenturen auch während der Zeit, in der das Glass-Steagall-Gesetz aktiv war. Möglicherweise haben diese Rating-Agenturen auch in dieser Zeit Anlagen und Krediten aus dem Geschäftsbankensektor ihren Stempel aufgedrückt und somit vermeintlich das Verhältnis zwischen Risiko und Ertragsmöglichkeit von Krediten und Anlagen als Investment bestimmt, … aber da war eben noch das gute alte Glass-Steagall-Gesetz, welches genau diese Investmentaktivitäten auf dem Geschäftsbankensektor verbot. Das heißt, es war unter dem eigentlichen strikten Glass-Steagall-Standard in den Vereinigten Staaten nicht möglich, Kredite und Anlagen einer Geschäftsbank als Investment, oder sollen wir lieber sagen, als Spekulationsobjekt auf den sogenannten Finanzmärkten zu handeln. Somit wären die Ratings zumindest für den amerikanischen Geschäftsbankensektor rein informativer Natur gewesen.

Bei Glass-Steagall gilt vielmehr, daß diejenigen, die ein hohes Risiko eingehen wollen, es nur im Investmentbankensektor tun können, es dabei aber in eigener Verantwortung tun müssen und beim Ausfall ihres „Investments“ nicht den Geschäftsbankenteil in Mitleidenschaft ziehen können. Auf diese Weise hat Glass-Steagall einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Realwirtschaft und deren notwendige Investitionen zu schützen.

Sicher liegt in diesen Ausführungen von Prof. Starbatty eine gewisse Realität, die den stattgefundenen systematischen Raubbau am Glass-Steagall-Gesetz indirekt beschreibt. Daß dieses Gesetz jedoch genau die korrekte Haftungszuordnung, die Starbatty selbst anmahnt, in strengsten Prinzipien verkörpert, schien er nicht anerkennen zu wollen. Auch wenn Glass-Steagall ein amerikanisches Gesetz gewesen ist, so ging sein Einfluß doch weit über den Kontinent hinaus und sorgte dafür, daß auch in Europa ihrem Wesen nach ähnliche Regulierungsmaßnahmen getroffen wurden, die einen stabilisierenden Effekt auf das europäische Universalbankensystem  hatten, jedoch nach 1999 langsam aber sicher ähnlichen giergetriebenen Deregulierungsbestrebungen einer Finanzoligarchie zum Opfer fielen.

Ich war überrascht, zu erleben, daß Prof. Starbatty allein einer Glass-Steagall-Lösung nicht zutraut, dieses Haftungsproblem zu beseitigen. Ich würde gern verstehen, wieso, denn ich gehe davon aus, daß durch eine Trennung des Geschäftsbankenwesens vom Investmentbanking die Risiken genau von denen getragen werden, die sie auch eingehen, und systemische Risiken, die bei Investmentbankengeschäften auflaufen können, durch einen quarantäneartigen Glass-Steagall-Schutz nicht auf die Realwirtschaft übergreifen können. Dieser Sinn und Zweck kam aber bei Starbattys Antwort überhaupt nicht zum Ausdruck.

Dennoch lehnte Starbatty Glass-Steagall nicht komplett ab, sondern meinte, man kann und müsse darüber reden. Ob diese Aussage von Wahlkampftaktik geprägt oder ernst gemeint war, bleibt abzuwarten.

Alles in allem erhärtet sich der Eindruck, daß mit der AfD eine weitere Partei die Arena zu betreten versucht, die derzeit keine wirkliche Alternative darstellt, sondern genau wie die etablierten Parteien darauf ausgerichtet ist, Probleme ausschließlich mit monetären Mitteln lösen zu wollen. Die Scheu der AfD vor einer Stellungnahme zum Glass-Steagall-Gesetz läßt sich womöglich damit begründen, daß sie eine kleine bürgerliche Klientel unseres Landes vertritt, die einen Teil ihres Vermögens in genau solchen Investment- und Spekulationsgeschäften gebunden haben, von denen kluge Leute bereits wissen, daß sie in der Realität nichts wert sind. Jedoch will man nicht das Risiko eingehen, diese möglicherweise noch spendable Klientel zu verprellen. Man könnte auch eine gewisse abwartende Haltung daraus ableiten, zumal die Diskussion um Glass-Steagall in den Vereinigten Staaten gerade ein großes, nicht abebbendes Momentum erfährt, welches sicher auch Herrn Prof. Starbatty und den AfD-Leuten nicht entgangen sein dürfte.

Man darf leider keine Gemeinsamkeiten mit der BüSo hinsichtlich gezielter impulsgebender europäischen Infrastrukturentwicklung und einer dafür notwendigen staatlichen Kreditschöpfung im Rahmen eines Hamiltonschen Kreditsystems erwarten. Stattdessen ist bei der AfD altbekannter Monetarismus an der Tagesordnung. Die AfD will über Glass-Steagall reden. Ich entscheide mich da lieber für eine Partei, die dahingehend handeln will.

Viele Grüße aus Jena

Thomas Trautzsch