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Neue Solidarität
Nr. 5, 30. Januar 2013

Ein „30jähriger Krieg“ in Afrika und Nahost?

Der Versuch, durch Unterstützung islamistischer Extremistengruppen Regimewechsel zu bewirken, hat den Nahen Osten und Afrika ins Chaos gestürzt.

Die Massengeiselnahme in Algerien ist der jüngste Hinweis, daß der britisch-saudische Plan für einen neuen 30jährigen Krieg mit endlosen Religions-, Konfessions- und Stammeskonflikten in Afrika, am östlichen Mittelmeer und am Persischen Golf immer weiter voranschreitet. Wie Prinz Philip und andere aus der britischen Elite offen gesagt haben, ist das Ziel dieser Politik eine massive Entvölkerung der Welt. Es bleibt zu hoffen, daß die Geiselnahme in Algerien und der Konflikt allgemein kühlere Köpfe zu der Erkenntnis bringt, daß diese Politik dringend geändert werden muß.

Letzte Woche begann die französische Regierung mit einer militärischen Intervention in Mali, nachdem die Machtübernahme von Rebellen aus dem Umfeld von Al-Kaida in dem Land drohte. Die Franzosen erhalten dabei Unterstützung von Großbritannien, den USA und anderen Ländern, und laut unbestätigten Berichten will auch Rußland Transportflugzeuge bereitstellen. Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution zugestimmt, daß eine afrikanische Eingreiftruppe Malis Regierung gegen einen Großangriff von Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AKIM) und die Separatisten, die Landesteile im Norden erobert haben, unterstützt.

Bei der Eskalation der Destabilisierung Malis sind zwei Entwicklungen entscheidend: der anglo-französisch-amerikanische Krieg gegen Libyen mit der Ermordung von Staatschef Gaddafi sowie der Putsch in der Hauptstadt Bamako im März 2012. Im Rahmen des Krieges gegen Libyen hatte die westliche Koalition Tuareg aus der libyschen Armee mit Geld dazu verleitet, zu desertieren. Damit kam es zur ersten Verstärkungswelle für die Rebellen im Norden Malis. Als dann Gaddafi gestürzt wurde, erhielten diese Kräfte Zugang zu den libyschen Waffenarsenalen.

Zwei Jahre zu spät räumte sogar die New York Times am 20. Januar ein: „Gaddafi hatte Recht“, nämlich: „Als der Aufstand sich ihm bedrohlich näherte, warnte der libysche Diktator Oberst Muammar Gaddafi, wenn er stürze, dann würde ganz Nordafrika von Chaos und heiligem Krieg erfaßt. Bin Ladens Leute würden kommen und zu Land und zu Wasser Lösegeld nehmen, sagte er Reportern. Wir fielen zurück in die Rotbart-Zeit der Piraten, der Osmanen, die von Schiffen Lösegeld erpressen.“

Das Ziel: Destabilisierung

Unabhängig davon, ob die französische Militärintervention mehr nützt oder mehr schadet, machen der Konflikt in Mali und der seit längerem vorbereitete Angriff von AKIM auf das Erdgasfeld eines von BP geleiteten Konsortiums in Algerien sehr deutlich, daß ganz Nordafrika ein barbarischer Krieg bevorsteht, der ein oder mehrere Jahrzehnte ständiges Blutvergießen und Massensterben bringen kann, wenn er nicht umgehend beendet wird. Die jüngsten Entwicklungen in Afrika sind ganz auf der Linie des britischen Plans, überall in der islamischen Welt eine ständige blutige Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten zu schüren. Der Konflikt in Syrien, der in sein drittes Jahr geht, ist inzwischen ein bösartiger Religionskrieg sunnitischer Dschihadisten gegen Schiiten, Alawiten, Christen und andere Minderheiten. Saudi-Arabien bleibt der wichtigste Geld- und Waffenlieferant für die Dschihadisten.

Letzte Woche berichtete die der Hisbollah nahestehende libanesische Zeitung Al-Manar, der saudische Geheimdienstchef Prinz Bandar Bin Sultan versorge die Al-Nusra-Front, einen Ableger von Al-Kaida im Irak (AKI), mit Geld und Waffen, um in Syrien Präsident Assad zu stürzen und rivalisierende Oppositionelle in der Freien Syrischen Armee auszuschalten. Al-Nusra besteht aus syrischen, jordanischen und irakischen Neosalafisten, die gegen die US-Besatzung im Irak kämpften und Anfang 2011 nach Syrien gingen, als dort der Aufstand gegen die Regierung Assad begann. Obwohl das US-Außenministerium Al-Nusra auf seine Liste internationaler Terrororganisationen gesetzt hat, steht die große Mehrheit der syrischen Rebellengruppen weiter zu ihr - aus dem einfachen Grund, daß Al-Nusra die am besten bewaffnete, finanzierte und effektivste Kampftruppe gegen die syrische Armee ist.

Da die militärische Lage in Syrien weiterhin ein Patt bleibt, mußten amerikanische und europäische Analysten schließlich doch zugeben, daß der Vorstoß von NATO, Saudis und Katar zum Sturz Assads den Boden für einen sich ausweitenden Machtkampf aller gegen alle bereitet hat, der bald die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Türkei und Irak erfassen wird. Aber London geht es hier gar nicht darum, wer gewinnt oder verliert, sondern ob dieser konfessionelle Konflikt zur „Lösung des Problems der Überbevölkerung“ beiträgt, also wieviel Menschen dabei sterben oder heimatlos werden.

Gefahr der Ausweitung

Doch so schlimm das schon ist, die noch größere Gefahr ist die, daß die regionalen Konflikte im Nahen Osten und Afrika sich zu einer militärischen Machtprobe zwischen den Supermächten USA auf der einen und Rußland/China auf der anderen Seite ausweiten. Die Russen veranstalteten letzte Woche im östlichen Mittelmeer das größte Seemanöver seit dem Kalten Krieg und die russische Führung sieht in der im Aufbau befindlichen Raketenabwehr der USA bzw. NATO immer noch einen Casus belli.

Präsident Obama schickte seinen Nationalen Sicherheitsberater Tom Donilon mit einem persönlichen Brief an Präsident Putin nach Moskau. Was immer in dem Schreiben steht, wird Putin vermutlich nicht zufriedenstellen, denn es ist klar, daß die im Aufbau befindliche Raketenabwehr des Westens an den Grenzen Rußlands und Chinas sich keineswegs in erster Linie gegen den Iran oder Syrien, sondern gegen die konkurrierenden Großmächte richtet.

Ein früherer hochrangiger US-Diplomat, der kürzlich in Moskau eine Vortragsreihe gehalten hat, berichtete in einem Hintergrundgespräch beunruhigt, Rußlands Verhältnis zu China, der Türkei und Deutschland sei besser denn je, das zu den USA jedoch auf einem Tiefpunkt. Scheinheilige persönliche Gesten Obamas änderten nichts an der Tatsache, daß die Supermächte sich auf eine direkte Konfrontation zubewegen, und der Nahe Osten und Afrika seien nur der Kampfplatz, von dem der dritte Weltkrieg ausgehen könnte.

In der russischen Führung weiß man nur zu gut, wie anfällig die gegenwärtige Weltlage ist. Während Moskau offenbar das französische Vorgehen in Mali unterstützt, arbeitet es auch zusammen mit dem Sondergesandten der UNO und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, und sogar mit dem US-Vizeaußenminister William Burns daran, die Rahmenbedingungen für eine diplomatische Lösung in Syrien zu schaffen. Aber mächtige Teile der saudischen Monarchie bleiben fest entschlossen, eine positive Regelung für Syrien und dessen Verbündeten Iran zu verhindern.

Im Vorfeld einer neuen Gesprächsrunde der iranischen Regierung mit der 5+1-Gruppe (USA, Rußland, China, Frankreich, England, Deutschland) veröffentlichte David Albright von der auf „Atomwaffengefahr“ spezialisierten privaten Denkfabrik ISIS letzte Woche eine verlogene und provokative Studie, in der behauptet wird, der Iran stehe gefährlich nahe vor der Fähigkeit, eine Atombombe zu bauen. Dazu werden Dokumente der UNO und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) herangezogen, aber in einer Weise interpretiert, die nichts mehr mit der Wahrheit zu tun hat. Die anglo-amerikanische Fraktion hinter Albright will sicherstellen, daß die Gespräche mit dem Iran zusammenbrechen und in diesem Jahr ein Krieg für einen „Regimewechsel“ stattfindet.

In der vergangenen Woche hielt sich eine IAEA-Delegation in Teheran auf und verhandelte erneut mit der iranischen Regierung über eine gemeinsame Absichtserklärung, die der IAEA gründlichere Inspektionen iranischer kerntechnischer Anlagen, Gespräche mit deren Forschern und Zugang zu Unterlagen über frühere iranische Kernwaffenforschung am Zentrum Parchin ermöglicht.

Destabilisierung Pakistans

Während die Lage in Nordafrika und dem Nahen Osten sich immer bedrohlicher einem Regionalkrieg nähert, in den die USA, Rußland und China hineingezogen werden, verschärft sich gleichzeitig auch die Lage in Südasien. Der pakistanisch-indische Grenzkonflikt in Kaschmir flammt wieder auf, und in Pakistan läuft eine brutale Offensive fundamentalistischer Sunniten gegen Schiiten. Allein bei Anschlägen in Quetta in der Provinz Belutschistan, die an Afghanistan und den Iran grenzt, starben fast hundert schiitische Gläubige.

Als Reaktion darauf löste Staatspräsident Asif Ali Zardari die Regierung Belutschistans auf, entließ den Präsidenten der Region und dessen Kabinett und unterstellte die Provinz seiner eigenen Aufsicht. Die belutschische Gruppe Dschundallah organisiert seit zwei Jahren in der benachbarten iranischen Grenzregion Morde und Sabotageakte gegen die iranischen Revolutionsgarden.

Nach dem Besuch des afghanischen Präsidenten Karsai in Washington und seinem Treffen mit Präsident Obama Mitte des Monats laufen in Afghanistan letzte Vorbereitungen für Gespräche der USA mit den Taliban über eine Machtverteilung nach dem US-Abzug bis Ende 2014. Nach seinem Treffen mit Karsai hatte Obama angekündigt, den Zeitplan für die Übergabe von Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Polizei- und Militärkräfte zu straffen. Er sagte auch, Karsai habe den erneuten Verhandlungen der USA mit den Taliban zugestimmt.

Eine Voraussetzung für ernsthafte Bemühungen um eine Stabilisierung der Region nach dem Rückzug von USA und NATO wäre eine Regionalkonferenz mit China, Rußland, Pakistan, Indien, Iran, den zentralasiatischen Republiken und den USA, um gemeinsame regionale Ziele zu definieren und Pläne für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit zu entwickeln.

Die scheidende US-Außenministerin Hillary Clinton hat sich zwar öffentlich für ein solches Vorgehen ausgesprochen, aber Präsident Obama zeigt bisher keinerlei Interesse an einem kollektiven Rahmen für Wirtschaft und Sicherheit in der Region. Damit bleibt Südasien genauso wie der Nahe Osten und Afrika mitten in der Gefahrenzone permanenten Krieges.

Jeffrey Steinberg