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Neue Solidarität
Nr. 11, 12. März 2014

Das Prinzip des Staatskredits verallgemeinern

Von Michael Kirsch

Im zweiten Teil seines Vortrags vom 29. Juli 2013 beschrieb Michael Kirsch, wie die von Präsident Franklin Roosevelt gegründeten Kreditbehörden zur Überwindung der Depression beitrugen.

Hinter den Kreditbehörden von Präsident Franklin Roosevelt wie hinter der Nationalbank stand der Grundsatz, Möglichkeiten der Kreditvergabe zu eröffnen oder aktive Vereinbarungen zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor abzusichern.1 Ein gutes Beispiel hierfür ist die Commodity Credit Corporation. An der Formulierung der Präsidialverfügung vom 16. Oktober 1933, mit der sie geschaffen wurde, wird die wirkliche Einstellung dahinter sichtbar:

Dieser Tonfall, den man seit Lincolns Zeiten in Washington nicht mehr gehört hatte, zeigte die Entschlossenheit der Regierung, zu sagen: „Wir sind da, wir sind eine Macht, die den Zweck der Nation verkörpert; die Nation ist nicht dazu gedacht, wie eine ,einfache Maschine’ für Andrew Jacksons Freihandel zu fungieren oder zum Werkzeug privater Finanzmächte zu werden.“

Die Commodity Credit Corporation war ein Beispiel dafür, wie man mit Hilfe der Befugnisse des Kongresses die notwendigen Mittel beschafft, um die gesteckten Ziele zu erreichen: „Um die Bestimmungen der genannten Gesetze zu verwirklichen, ist es zweckmäßig und notwendig, daß eine Behörde mit solchen Befugnissen und Funktionen ausgestattet wird, wie sie notwendig erscheinen, um die Absichten genannter Gesetze zu erreichen.2 Die Gesetze wurden verabschiedet, und jedes Gesetz definierte eigene Ziele und Zwecke. Dann oblag es der Regierung, die jeweils besten Mittel bereitzustellen, um diese Ziele zu erreichen, wobei es einen Ermessensspielraum gab. Deswegen wurden Kreditbehörden als Mittel gegründet, um die Gesetzesziele umzusetzen.

Heute hat kaum noch jemand eine klare Vorstellung davon, welchen Zweck die Gründung einer Kreditbehörde durch die Regierung hat, da die meisten nur noch monetaristisch denken. Die verbreitete Meinung lautet: „Was geschehen ist, ist geschehen, und es kann nicht unsere Aufgabe sein, da einzugreifen und den Prozeß unter Kontrolle zu bekommen.“

Hinter der Commodity Credit Corporation stand hingegen die Idee, die einzelnen Bereiche des Privatsektors zu integrieren, damit die Zyklen unterschiedlicher produktiver Systeme besser ineinandergreifen. Wenn es diese Verzahnung nicht gäbe, würde es ansonsten darauf hinauslaufen, daß Betriebe bankrott gehen und die Regierung zusieht und sagt: „So ist das eben...“

Ziel der Commodity Credit Corporation war es, einen Beitrag zur Stabilisierung der Agrarpreise zu leisten, indem es den Erzeugern ermöglicht wurde, ihre Produkte zurückzuhalten, anstatt sie sofort auf den Markt werfen zu müssen, was die Preise drücken würde. Roosevelt drückte sich so aus: „Den Farmern muß dadurch geholfen werden, daß sie sich Geld auf ihre Ernteüberschüsse leihen können, um diese weiter auf Lager halten zu können, anstatt sie auf bereits gesättigten Märkten zu verschleudern.“

Die Rolle der Kreditvergabe kam in Form staatlicher Krediteinrichtungen ins Spiel, die es Banken oder anderen örtlichen Geldinstituten ermöglichte, Farmern Geld zu leihen, so daß diese nicht gezwungen wären, ihre Güter unmittelbar zu niedrigen Preisen zu verkaufen und die Märkte zu überschwemmen. Wenn eine Bank für den Farmer einen Wechsel diskontiert hatte, aber wegen einer anstehenden Forderung die Zahlung unmittelbar brauchte, würde die Commodity Credit Corporation den von der Bank gehaltenen Wechsel aufkaufen.

Auf diese Weise entstand ein Rahmen, in dem Kreditvereinbarungen ohne das Risiko des totalen Kollapses eingegangen werden konnten; tatsächlich wurden so Umstände geschaffen, unter denen überhaupt Kreditvereinbarungen abgeschlossen werden konnten. Der Produktionszyklus des Farmers etwa ließ sich auf diese Weise ausgleichen, um seinen Wohlstand zu sichern. Das ist nur ein Beispiel dafür, was viele dieser Einrichtungen bewirkten.

Ein direkter Vergleich dieser Institution mit der Rolle der Bank of the United States Anfang des 19. Jahrhunderts ist erstaunlich. Der Staatsmann Nicholas Biddle benutzte die gleichen Worte, als er 1811 während einer Debatte im Repräsentantenhaus von Pennsylvania die erste amerikanische Nationalbank verteidigte. (Biddle stellte als dritter Präsident der zweiten amerikanischen Nationalbank zusammen mit John Quincy Adams 1823-1825 das System von Alexander Hamilton wieder her.) Als Abgeordneter des Landesparlaments erklärte Biddle 1811:

Man erkennt sofort die gleiche Idee. Man braucht eine nationale Kreditbehörde, mit der man die Wirtschaft in den gleichen zeitlichen Rahmen wie das menschliche Denken bringen kann. Der menschliche Verstand weiß, daß der Farmer in der Erntesaison alle diese Produkte einfahren wird, doch die übrige Wirtschaft sie zu diesem Zeitpunkt nicht aufnehmen kann. Einfach zuzulassen, daß diese willkürlichen Kreisläufe die Preise bestimmen und so den Lebensstandard von Farmern und anderen ruinieren („nur weil das eben so ist“), ist inhuman und verstößt gegen die Idee einer Regierung als Vertreterin des Volkes.

Wenn die Regierung jedoch entschlossen ist, diese Prozesse mehr mit dem Verstand in Übereinstimmung zu bringen und den Prozeß zu steuern, gründet sie eine Kreditbehörde. Auf diese Weise kann sie die Beziehungen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Transport, der Produktion usw. steuern. Das ganze System, das John Quincy Adams und Nicholas Biddle einrichteten, erzeugte durch die Lenkung verschiedener Wirtschaftszyklen einen gewaltigen Überschuß, was Biddle vor allem mit dem Agrarbereich im Westen gelang. Wechsel, Bankbürgschaften usw. wurden zu seiner Zeit von den westlichen Zweigstellen der Bank of the United States diskontiert; sie wurden dann nach Osten weitergereicht, wo die Kaufleute Güter importierten und exportierten, und die Banken ermöglichten es den Farmern, die besten Preise für ihre Waren zu erzielen.

Wenn Farmer damals ein schlechtes Erntejahr hatten, mußten sie wegen der Kreditvergabe nicht Haus und Hof verkaufen, nur weil sie zahlungsunfähig wurden. Das ganze Land wurde in den Stand versetzt, seine Produktionskapazitäten weiter auszubauen: Es gab mehr Farmen, weil man die Höfe nicht einfach kollabieren ließ. Es gab mehr Warenherstellung, weil die Banken Kredite vergaben, und die Infrastruktur verbesserte sich, weil Kredit für den Kanalbau gewährt wurden.

Wie kam das alles zustande? Biddle wurde 1823 Bankdirektor und reorganisierte das System. Zu dieser Zeit hatten sich Präsident James Monroe und Hamilton über die staatlichen Befugnisse der Mittelzuweisung geeinigt, nämlich „Steuern zu legen und einzuziehen“. Was heißt hier „legen“? Es heißt auch auferlegen. Man kann eine Prämie oder eine Abgabe erlassen, aber man kann auch Steuern erheben. Monroe lenkte schließlich ein und stimmte zu, daß die Regierung Geld für den Bau von Kanälen bereitstellen könne, weil dies der Regierung nach der Verfassung zustehe. Auf der Verfassungsgebenden Versammlung hatte Benjamin Franklin bereits eine ausdrückliche Bestimmung vorgeschlagen, daß die Regierung befugt sei, Geld für Kanäle zuzuweisen. Monroe trat 1823-24 sein Amt an. Er leitete den General Survey Act zur Vermessung von Transportrouten nationaler Bedeutung ein, und die Armeeingenieure begannen mit der Planung von Kanälen und Eisenbahnstrecken. 1825 wurde der Erie-Kanal fertiggestellt, und auch andere Bundesstaaten begannen 1824 und 1824 eigene Projekte.

Als Biddle Bankdirektor wurde, leitete er als Patriot, der er war, zusammen mit seinen engen Freunden wie Mathew Carey die größte Industrialisierung und Produktionssteigerung ein, die das Land bis dahin erlebt hatte. In den Jahren danach, besonders unter der Präsidentschaft von John Quincy Adams (1825-29), entwickelte sich aus den Steuereinnahmen ein gewaltiges nationales Mehrprodukt.

Dann kam jedoch Andrew Jackson ins Präsidentenamt, der sich als williges Werkzeug von Aaron Burr, Martin van Buren, John Randolph u.a. erwies, jenen antinationalstaatlichen Kräften, über die ich an anderer Stelle geschrieben habe und in einem weiteren Vortrag eingehen werde. Wichtig in diesem Zusammenhang ist hier, daß sich Jackson sofort daran machte, die Staatsschulden abzubauen, was er aber nur tun konnte, weil Biddle über die Kreditgeschäfte und die Führung der Einlagekonten seiner Bank dafür sorgte, daß im Land genügend Produktivität entstand, um das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, während gleichzeitig die ganzen Schulden getilgt wurden.

Es gab indes überhaupt keinen Grund dafür, die Schulden so schnell zurückzuzahlen. Das einzige, das damit erreicht wurde, war eine Verlangsamung des Wachstums, das sich viel schneller hätte entwickeln können. Im Grunde ist nichts dagegen einzuwenden, eine Menge Schulden abzutragen, da man sie irgendwann doch bezahlen muß, aber der Grund, warum Jackson von seinen Hintermännern dazu angehalten wurde, war ein ganz anderer: Man suchte nach einer „Rechtfertigung“, die Schutzgesetze für Hersteller im Lande aufzuheben, den Bau von Kanälen und Eisenbahnen zu stoppen, gegen die Jackson von Anfang an seit 1830 zu Felde zog, gegen den weiteren  Verkauf von Staatsland zu polemisieren, wodurch dem Schatzamt Geld für weitere Infrastrukturprojekte (Straßen, Kanäle, Bahnen) zufloß, und die Nationalbank zu schließen, die man zur Wirtschaftsförderung nicht mehr erforderlich hielt, weil ja die Staatsschulden weitgehend abgetragen waren.

Biddle setzte sich als Leiter der Nationalbank über Jahre hinweg dafür ein, durch Angleichung der Schulden- und Kreditzyklen in der gesamten Wirtschaft ein reales Mehrprodukt zu erzeugen. Er organisierte die Kapitalwerte der Zweigstellen der Bank und der Regierung so, daß die Produktivität ständig stieg und ein realwirtschaftlicher Mehrwert entstand. Liest man Biddles Briefe und studiert die dazugehörige Geschichte, erkennt man in ihm einen Mann, der ein absoluter Meister in der Lenkung nationaler Wirtschaftszyklen war, die er tagein, tagaus im Blick hatte. Er war ein Nationenbauer, der alle Wirtschaftsabläufe in seinem Kopf hatte und die Bank so lenkte, daß ein hart erarbeiteter Überschuß erzeugt wurde. Verräter wie Jackson u.a. betrachteten hingegen diesen Überschuß als etwas selbstverständlich Vorhandenes und beschlossen, ihn mit einem Schlag in die Rückzahlung der Schulden zu stecken.

Entscheidend ist hierbei der Unterschied zwischen monetären Schulden, wie Jackson u.a. sie behandelten, und Kreditschulden, wie sie von Biddle und zuvor von Hamilton eingesetzt wurden.

Präsident Franklin Roosevelt hat sich in seinen Ansprachen zur Verabschiedung des Haushalts immer wieder mit jenen auseinandergesetzt, die die Frage der Staatsverschuldung nicht richtig verstehen.

Das wollen wir im 3. Teil behandeln.


Anmerkungen

1. Roosevelt gründete eine Reihe von Krediteinrichtungen, um das Gemeinwohl zu fördern und die Wirtschaft wiederanzukurbeln:

Roosevelt schrieb, daß alle diese Einrichtungen organisierte Formen der Selbsthilfe waren, die es der Bevölkerung ermöglichen sollten, sich selbst aus der Krise herauszuproduzieren, wobei die öffentliche Hand nicht als direkte Anleitung, sondern als Rückhalt für die Projektabwicklung fungierte.

2. Das waren