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Neue Solidarität
Nr. 19, 7. Mai 2014

„Wir müssen unsere Stimme erheben, um die Eskalation zu stoppen“

Immer mehr prominente Persönlichkeiten in Deutschland sprechen sich gegen die Konfrontationspolitik des Westens gegenüber Rußland aus.

In Europa gibt es massiven Widerstand sowohl gegen Sanktionen gegen Rußland als auch gegen eine Osterweiterung der NATO, und dies auch in Ländern, deren Regierungen der harten Linie Washingtons folgen.

In Deutschland wird die Debatte erstaunlich offen geführt und bahnt sich ihren Weg selbst in die führenden Massenmedien. Bei einer Veranstaltung des „Petersburger Dialogs“ in Leipzig am 23. April betonten die Redner sehr nachdrücklich, Feindbilder und die Bedrohung des Friedens in Europa müßten zurückgewiesen werden. Der Chefkoordinator der Bundesregierung für die Beziehungen zu Rußland und andere Staaten der ehemaligen UdSSR, Gernot Erler, warnte, nach den vierseitigen Genfer Gesprächen über die Ukraine müsse man die Chance zur Deeskalierung ergreifen, weil sonst die Gefahr bestünde, daß alle Errungenschaften der vertrauensbildenden Maßnahmen und des Dialogs der vergangenen Jahrzehnte verloren gehen könnten.

Erler und andere betonten, daß es zwischen Deutschen, den anderen Europäern und den Russen viele unterschiedliche Ansichten geben möge, alle jedoch eine militärische Lösung kategorisch ausschließen.

In der vielgesehenen ZDF-Talkshow von Maybrit Illner (maybrit illner, früher Berlin Mitte) äußerten sich am 23. April auch der ehemalige Inspekteur der Bundeswehr General Harald Kujat, der frühere Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck und der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes (während der entscheidenden Zeit 1989/90) Horst Teltschik dramatisch über die Krise. Gen. Kujat forderte von der Bundesregierung Anstrengungen für die sofortige Einberufung des NATO-Rußland-Rates, um mit Präsident Putin zusammen durch konkrete Vorschläge die Krise der Ukraine zu lösen, statt die Lage außer Kontrolle geraten zu lassen. Als erstes solle man festhalten, daß die Ukraine kein NATO-Mitglied ist und der Westen nicht alleiniger Garant für die Sicherheit des Landes sein soll, sondern Rußland einbezogen wird. Sanktionen wären eine „Bankrotterklärung der Politik“ und würden Deutschland mehr schaden als Rußland. Kujat ist mittlerweile fast täglich in der öffentlichen Debatte vertreten; in zahlreichen Talkshows, Zeitungs- oder Radiointerviews nimmt er Stellung gegen die Politik der Drohungen und Sanktionen.

Platzeck, der neue Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, berichtete von einer Veranstaltung, bei der über den NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Bemerkung fiel: „Noch drei Reden von Rasmussen und wir haben einen Krieg.“ Platzeck empfahl, die Wahlen in der Ukraine zu verschieben, da der Osten des Landes sich in der gegenwärtigen, aufgeheizten Lage nicht daran beteiligen würde. Dies entspricht auch dem Vorschlag, den die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, am 26. April für eine Verschiebung der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine machte. Zunächst solle, so forderte sie, ein Referendum über Föderalisierung und Verfassungsreform stattfinden, damit das Land eine klare Entscheidung treffen könne, ob es  „seine territoriale Integrität behalten oder sich einer geordneten Teilung unterziehen will, wie es bei der friedlichen Trennung der Tschechischen Republik und der Slowakei geschehen ist“.

Teltschik erinnerte in der Talkshow wie auch einige Tage später auf einer Veranstaltung des Atlantic Council in Washington daran, daß der Westen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Rußland nie mit Respekt behandelt habe, sondern die Russen in einem Maße provoziert hätte, daß sie sich erniedrigt fühlen mußten.

Die erwähnte Veranstaltung in Washington am 29. April war auf dem Podium hochkarätig besetzt: neben den früheren nationalen US-Sicherheitsberatern Zbigniew Brzezinski und Brent Scowcroft saß dort auch der frühere niederländische Premierminister Jan Timmermans. Von ihnen wurde die deutsche Wirtschaft wegen ihrer Opposition gegen Sanktionen unter Beschuß genommen. Teltschik steuerte dagegen, indem er auf die zahlreichen konstruktiven Vorschläge Putins in früheren Jahren hinwies, die allesamt vom Westen ebenso abgelehnt wurden wie die 22 verschiedenen Abkommen, die  Kohl noch 1990 mit Gorbatschow über die Annäherung Rußlands an die EU abgeschlossen hatte.

Selbst nach der sowjetischen Invasion der CSSR 1968 habe die NATO einen Moskauer Vorschlag für eine umfassende Sicherheitsdebatte in Europa aufgegriffen, was dann zur Einrichtung der KSZE, der heutigen OSZE, geführt habe, sagte Teltschik. Jedenfalls sei überhaupt nicht einzusehen, daß sämtliche Errungenschaften in den Ost-West-Beziehungen nur wegen der Krise in der Ukraine geopfert werden sollten.

Diese Ausführungen Teltschiks, der übrigens nach seiner Zeit als Kanzleramtschef unter Kohl noch mehrere  Jahre Leiter der internationalen Münchner Sicherheitskonferenz war, wurden vor allem deshalb stark beachtet, weil sie am 29. April, kurz vor der Ankunft der Bundeskanzlerin in den USA zu einem zweitägigen Besuch, gemacht wurden.

rap