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Neue Solidarität
Nr. 37, 10. September 2014

Frankreichs Linke rebellieren gegen Präsident Hollande

Christine Bierre berichtet von der traditionellen Sommerschule der Sozialisten in La Rochelle.

Nur wenige Tage nach dem Auseinanderbrechen der französischen Regierung und der erneuten Ernennung von Manuel Valls zum Premierminister fand in La Rochelle die traditionelle „Sommerschule“ der Sozialistischen Partei Frankreichs statt, bei der die große Unzufriedenheit an der Basis der Partei über die von der EU diktierte Sparpolitik und den Bruch vieler Versprechungen, die Francois Hollande im Präsidentschaftswahlkampf 2012 gemacht hatte, insbesondere zur Bankenreform, unübersehbar war. Aktivisten und Sympathisanten der Solidarité et Progrès waren mit Informationsständen vor Ort und verteilten Flugblätter und Broschüren an die Teilnehmer der dreitägigen Veranstaltung, in denen Frankreich dazu aufgerufen wurde, zu Präsident de Gaulles „Politik des leeren Stuhls“ zurückzukehren, aus der NATO, der EU und dem Euro auszutreten und sich der Dynamik der BRICS-Staaten anzuschließen.

Schon seit Monaten wächst der Widerstand in der Sozialistischen Partei gegen Hollandes Politik, und es ist vor allem die Kombination harter Sparmaßnahmen und die großzügige Unterstützung für die privaten Unternehmen, die immer mehr Mandatsträger und Funktionäre der Partei in offene Rebellion gegen Hollande und die Parteiführung treibt, nachdem sie in diesem Jahr bereits zwei schwere Wahlniederlagen einstecken mußten - insbesondere, weil diese Orientierung keine Erfolge gebracht hat: Die Arbeitslosigkeit hat seit Hollandes Amtsantritt um 500.000 zugenommen, das Wachstum in den ersten beiden Quartalen 2014 lag bei 0%, und trotz aller Kürzungen wird Frankreich 2015 das Defizitziel von 3% verfehlen, weil die Steuereinnahmen aufgrund der Depression, in welche die Kürzungen die Wirtschaft  gestürzt haben, eingebrochen sind.

Aber trotz dieser Realität hat die Regierung Valls II gerade erneut bekräftigt, daß sie zwischen 2015 und 2017 weitere 50 Mrd. Euro aus dem Haushalt streichen will. Gleichzeitig sollen die Unternehmen um 40 Mrd. Euro entlastet werden, durch Steuersenkungen, Kürzungen bei den Sozialabgaben und Förderung von Investitionen, in der Hoffnung, Arbeitsplätze für die inzwischen 6 Mio. Arbeitslosen zu schaffen. Die Regierung macht jedoch keinerlei Vorgaben, wie diese Gelder zu verwenden sind! Und wie die jüngsten Statistiken zeigen, haben die französischen Unternehmen im 2. Quartal die Rekordsumme von 40 Mrd. Euro an Dividenden an ihre Aktionäre ausgezahlt, aber nicht investiert.

Die Revolte wächst

Das ist der Hintergrund, vor dem sich nun eine der größten Revolten der letzten Jahre innerhalb der Partei entwickelt. In La Rochelle, wo 4000 Delegierte an der Sommerschule teilnahmen, versammelten sich rund 800 Mitglieder und Funktionäre der Partei in einem Nachbargebäude zu einer Gegenveranstaltung unter dem Motto „Vive La Gauche“ („Es lebe die Linke!“), bei der alle Strömungen der parteiinternen Opposition vertreten waren. Bemerkenswert war auch die Intervention der Anführer der mit der Sozialistischen Partei verbündeten linken Gruppierungen bei einer der offiziellen Sitzungen der Sommerschule, die zum Forum der Anklage gegen Hollandes Verrat an seinen Wahlversprechen wurde.

Ein nützlicher Anknüpfungspunkt der Aktivisten der Solidarité et Progrès bei ihren Diskussionen mit den Teilnehmern der Sommerschule war, daß die „Rebellen“ allesamt verlangen, Hollande solle wieder zu seiner Wahlplattform von Le Bourget zurückkehren, in der der damalige Präsidentschaftskandidat die Finanzspekulanten zu seinem wichtigsten Feind erklärt und versprochen hatte, er werde die Bankaktivitäten voneinander trennen. Tatsächlich hatte Hollande damals in einem Brief an Arnaud Montebourg - den er soeben als Wirtschaftsminister entlassen hat - sogar von der Notwendigkeit einer strikten Trennung der Banksparten gesprochen, um Montebourgs Unterstützung im Wahlkampf zu gewinnen.

Auf den Vorwurf, sie würden mit ihrem Aufstand die Partei verraten, sagen die Rebellen, ihre Loyalität gelte nicht der Partei als solcher oder diesem oder jenem Politiker, sondern allein dem Regierungsprogramm, das sie zusammengebracht habe - und das sei die Politik, die Hollande in Le Bourget verkündete. Sie sagen, die kleine Minderheit der 5%, die in den Präsidentschaftsvorwahlen der Partei für Valls stimmte, habe die ganze Partei als Geisel genommen. Sie beklagen eine Wende der Partei zu einem Blairismus, den sie in dieser Form noch nie zuvor vertreten habe. In einem Aufruf, den sie nach ihrem Treffen veröffentlichten, verurteilt „Vive La Gauche“ die Austeritätspolitik der Regierung und fordert den Mut, eine fortschrittliche Politik zu verfolgen und für ein „zweites Bankengesetz, das der Wirtschaft nützt“ zu kämpfen, da das 2013 beschlossene Gesetz selbst nach Ansicht der Banker keine wirkliche Reform bedeutet.

Ob dies bloß ein sommerliches Strohfeuer ist, oder ein Erwachen der Partei zugunsten einer Politik, die Jean Jaurès als „evolutionäre Revolution“ bezeichnete, wird die Geschichte zeigen. Was man jetzt schon sagen kann, ist, daß zwar viele eine strikte Bankentrennung wollen, aber sie betrachten dies meist nicht als eine Strategie, nach der Beseitigung des finanziellen Giftmülls durch die Trennung der Banksparten auch ein neues Wirtschaftssystem zu schaffen.

Viele wollen die bisherige Politik nicht vollkommen aufgeben, sondern sie bloß etwas „gerechter“ ausrichten - weniger Austerität für die Bevölkerung, weniger Geld für die Unternehmen. Und da ist das Problem der malthusianischen Politik des Britischen Empire und der Regierung Obama, die mittels der „grünen“ Parteien, des Klimaschwindels und der Atomangst durchgesetzt wurde und dazu geführt hat, daß die „Linke“ von der Ausrichtung auf den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt abgebracht wurde. Und das wird wohl so bleiben, bis die Krise die Eliten dieses Landes zu der Entscheidung zwingt, sich der neuen Ära der Menschheit anzuschließen, die von der BRICS-Gruppe und ihrer Politik verkörpert wird, oder der Bedeutungslosigkeit zu verfallen und in Vergessenheit zu geraten.

Christine Bierre