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Kampf gegen Terrorismus. 126 sunnitische Gelehrte haben in einem Offenen Brief an den selbsterklärten Führer des Islamischen Staats im Irak und Syrien (ISIS), Abu Bakr Al-Baghdadi, die religiösen Theorien von ISIS widerlegt und seine Verbrechen scharf zurückgewiesen.
126 sunnitische Gelehrte haben einen Offenen Brief an den selbsterklärten Führer des „Islamischen Staats“ im Irak und Syrien (ISIS), Abu Bakr Al-Baghdadi, und an alle ISIS-Kämpfer unterzeichnet, in dem sie die religiösen Thesen von ISIS gründlich und scharf widerlegen. Es wird im einzelnen dargelegt, warum die Erklärungen und Taten von ISIS und Al-Baghdadi keine Berechtigung haben und dem Koran widersprechen.
Lyndon LaRouche betonte, dieser Brief sei sehr wichtig und sollte weithin bekannt gemacht werden. Der Redakteur der arabischen Internetseite des Executive Intelligence Review, Hussein Askary, lobte den Brief als einen wichtigen Vorstoß der Gelehrten, den Islam den Händen der „Satanisten“ zu entreißen.
Der Brief ist eine theologische Kampfansage an ISIS, die als kleine Gruppe den Anspruch erhebt, alle Sunniten auf der Welt zu vertreten. Die theologischen Positionen des „Islamischen Staats“ werden darin mit vielen Zitaten aus dem Koran und von historischen muslimischen Gelehrten widerlegt.
Ganz besonders wird der Mord an muslimischen Glaubensgenossen in Mossul verurteilt, die sich geweigert hatten, sich der Ideologie des ISIS zu unterwerfen. Das sei im Islam verboten. Mehrere Absätze lang wird erläutert, wie ISIS Muslime zu „Nichtmuslimen“ erklärt, um sie dann zu ermorden; dann heißt es in dem Brief: „Der Grund, warum dieser Punkt hier so ausführlich behandelt wird, ist der, daß ihr die Bücher des Mohammad bin Abdel-Wahhab verteilt habt, sobald ihr Mossul und Aleppo erreicht hattet.“
Die Gelehrten werfen ISIS Rebellion vor: „Die Ausrufung des Kalifats ohne Konsens ist Aufruhr (fitnah), denn sie schließt die Mehrheit der Muslime, die dem nicht zustimmen, aus dem Kalifat aus. Es wird auch zur Entstehung vieler rivalisierender Kalifate führen und dadurch Aufruhr und Zwietracht unter den Moslems säen. Die Anfänge der Zwietracht zeigten sich, als die sunnitischen Imame von Mossul euch keinen Gehorsam gelobten, und ihr sie getötet habt.“
An Al-Baghdadi gerichtet heißt es in dem Brief:
„In deiner Rede zitiertest du deinen Genossen Abu Bakr Al-Siddiq: ,Mir wurde die Autorität über euch gegeben, und ich bin nicht der Beste von euch.’ Das wirft die Frage auf: Wer gab dir die Autorität über die Ummah [die Gemeinschaft der islamischen Völker]? War das deine Gruppe? Wenn das der Fall ist, dann hat sich eine Gruppe von nicht mehr als einigen Tausend zum Herrscher über anderthalb Milliarden Muslimen aufgeschwungen. Diese Haltung beruht auf einem korrupten logischen Zirkelschluß, der besagt: ,Nur wir sind Muslime, und wir entscheiden, wer der Kalif ist, wir haben einen erwählt, und deshalb ist jeder, der diesen nicht akzeptiert, kein Moslem.’ In diesem Fall ist der Kalif nicht mehr als der Anführer einer bestimmten Gruppe, die mehr als 99% aller Muslime zu Nichtmuslimen erklärt.
Und andererseits, wenn du die anderthalb Milliarden Menschen, die sich als Muslime betrachten, anerkennst, wie kannst du sie dann in Bezug auf dein sogenanntes Kalifat nicht zu Rate (shura) ziehen? So bleiben dir nur zwei mögliche Schlußfolgerungen: Entweder du akzeptierst, daß sie Muslime sind und daß sie dich nicht zum Kalifen über sie berufen haben, oder du akzeptierst sie nicht als Muslime, in welchem Fall die Muslime eine so kleine Gruppe wären, daß sie keinen Kalifen brauchen. Warum also überhaupt das Wort Kalif gebrauchen? In Wahrheit muß das Kalifat durch den Konsens der islamischen Länder und der Organisationen der islamischen Gelehrten und Muslime in aller Welt entstehen.“
Eingangs wird in einer 24 Punkte umfassenden Zusammenfassung aufgezählt, womit die Anführer und Anhänger von ISIS gegen Verbote des Islam verstoßen. Dies wird dann anhand der Video- und Audiobotschaften von ISIS in den Sozialen Medien, die von den islamischen Gelehrten studiert wurden, im einzelnen begründet.
Direkt an Al-Baghdadi und seine Anhänger gerichtet, schreiben die Autoren: „Ihr habt viele Unschuldige umgebracht, die weder Kombattanten noch bewaffnet waren, bloß weil sie mit euren Meinungen nicht einverstanden waren. Es darf keinen offensiven, aggressiven Dschihad geben, bloß weil Menschen verschiedene Religionen oder Meinungen haben.“
Die Massenmorde von ISIS im Irak und in Syrien „sind schreckliche Kriegsverbrechen“, ganz besonders die Ermordung von 250 Gefangenen auf dem Luftwaffenstützpunkt Tabqah in Al-Raqqah (Syrien) im August 2014. Der Koran verbiete „die Ermordung von Diplomaten, Gesandten, Journalisten“ und vor allem von „Männern der heiligen Schriften“, darunter auch Christen und Muslimen, die andere Ansichten haben als ISIS, wie die Jesiden im Irak.
Die Unterzeichner sind alle sunnitische Gelehrte, doch es fällt auf, daß darunter keine Salafisten, Wahhabiten, Katarer oder Kuwaiter zu finden sind. Es gibt einen saudischen Unterzeichner, der jedoch kein Anhänger der Wahhabiten ist. Es gibt keine schiitischen Unterzeichner, aber ISIS behauptet auch nur, den sunnitischen Islam zu repräsentieren.
Bemerkenswert ist neben den sorgfältigen theologischen Argumenten gegen die Ideologie von ISIS (und damit auch die in Saudi-Arabien herrschende, wahhabitische Ideologie, obwohl diese namentlich nicht genannt wird) vor allem die Bedeutung der Unterzeichner. Darunter sind der Mufti von Kairo und sein Amtsvorgänger sowie mehrere prominente Anführer des theologischen Al-Azhar-Seminars in Ägypten. Al-Azhar ist die wichtigste Institution des sunnitischen Islam in Ägypten, an der viele prominente islamische Gelehrte Asiens, Afrikas und der arabischen Welt ausgebildet wurden.
Ein weiterer wichtiger Unterzeichner ist der irakische Gelehrte Dr. Ahmed Al-Kubaisi, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Exil lebt. Dr. Al-Kubaisi ist mit den Aktivitäten Lyndon LaRouches vertraut (er unterstützte 2004 die „LaRouche-Doktrin für Südwestasien“) und gehört heute zu den offensten Kritikern der saudisch gesteuerten Wahhabiten-Sekte. Er hat in den Emiraten eine regelmäßige Fernsehsendung, in der er die Wahhabiten und Saudi-Arabien als Quelle dieses Übels, das heute die Form des ISIS angenommen hat, offen angreift. Dr. Al-Kubaisi hat ISIS auch als eine Operation westlicher und israelischer Geheimdienste angeprangert, deren Ziel sei, die Nationen der Region zu spalten und den Islam als Religion zu diskreditieren. In Kampagnen in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten wurde im vergangenen Jahr mehrfach darauf gedrängt, daß der Präsident der Emirate, Scheich Chalifa ben Zayed, Al-Kubaisi des Landes verweist. Dieser war ein Gegner des Regimes von Saddam Hussein, und der Vater des Präsidenten, der verstorbene Scheich Zayed ben Sultan Al-Nhayan, hatte ihm Schutz gewährt. Nach den arabischen Traditionen und Normen darf der Sohn diese Schutzzusage nicht zurücknehmen.
Eine vollständige deutsche Übersetzung des Offenen Briefes finden Sie
hier:
http://madrasah.de/leseecke/islam-allgemein/offener-brief-al-baghdadi-und-isis
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