Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 50, 10. Dezember 2014

Schiller und das Erhabene

Von Peter Møller

Peter Møller befaßte sich beim Frankfurter Schillerfest am 29. November mit der politischen Bedeutung des Erhabenen.

Guten Abend, Ich möchte über Schillers Konzept vom Erhabenen sprechen, und warum es für die heutige Weltlage wichtig ist.

Die derzeitige strategische Lage hält uns in einer fast unerträglichen Spannung: Auf der einen Seite droht die Eskalation zu einem thermonuklearen Weltkrieg, bei der die menschliche Gattung sehr wahrscheinlich ausgelöscht werden würde; auf der anderen Seite, die Möglichkeit, daß der Mensch sich endlich von den oligarchischen Ketten befreit, und sein volles, kreatives Potential zum Ausdruck bringen kann.

Welchen Weg die Menschheit wählt, scheint von nur wenigen Faktoren abhängig zu sein - und das sind nicht Obama oder Merkel.

Woran liegt es, daß die meisten Menschen gerade dieser Spannung aus dem Weg gehen?

Aus Furcht kapitulieren sie - schon bevor sie angefangen haben, zu kämpfen.

Man hört: „Ach, ich möchte mich damit nicht befassen!“ - „Ach, das wird schon irgendwie! Laß uns abwarten!“ - „Nein, so schlimm wird es nicht.“ - „Das geht mich nichts an - ich bin unpolitisch!“

Solche Aussagen gab es auch in anderen Zeitaltern, und man wird damit auch in Schillers Dramen konfrontiert. In einigen dieser Dramen, wie z.B. Wilhelm Tell oder Johanna von Orleans, stellt er dieser passiven Haltung das Konzept des Erhabenen gegenüber.

Und kein anderer hat dieses Konzept so in die Tiefe ausgearbeitet wie Schiller. In seinem Aufsatz Über das Erhabene schreibt er über die beiden Triebe des Menschen:

Der erste Trieb ist der Existenztrieb, der auf das Überleben und die Sinneswelt gerichtet ist.

Der zweite Trieb ist auf Erkenntnis, auf das Vorstellungsvermögen, die Vernunft ausgerichtet; wir wollen die Welt verstehen.

Schiller definiert das Erhabene auf folgender Weise:

Der Mensch ist in der Lage, sich von Umständen - selbst dem Tod - unabhängig zu machen, d.h. unser Wille macht uns frei.

Das Erhabene bewirkt in uns eine Kraft, uns selbst von der sinnlichen Abhängigkeit zu befreien, und es rührt nur von der inneren Freiheit des Geistes, weil jeglicher physischer Widerstand vergeblich ist.

Es setzt also einen höheren Geisteszustand voraus, wo die moralische Sicherheit über der physischen Sicherheit steht.

Weiter schreibt er:

Als ein lebendiges Beispiel für einen solchen Charakter, der selbst den Tod überwindet, möchte ich Sophie Scholl von der Weißen Rose erwähnen.

In den Flugblättern, welche die Weiße Rose heimlich im Dritten Reich verteilten, riefen sie zum passiven Widerstand auf, aber sie griffen auch die Haltung der Bevölkerung auf schärfste an.

Aus einem Flugblatt:

Die Geschwister Sophie und Hans Scholl wurden erwischt, als sie in der Münchner Universität Flugblätter verbreitet haben, und von den Nazis festgenommen. Nicht lange danach, wurden sie hingerichtet. Sie sind für die Würde und Freiheit des Menschen, und für ein besseres Deutschland gestorben.

In dem sehenswerten Film mit dem Titel Sophie Scholls letzte Tage gibt es eine interessante Szene eines Dialogs zwischen Sophie und dem Ermittler der Nazis. In diesem Verhör geht sie durch verschiedene Phasen. Erst versucht sie die Beschuldigungen abzustreiten. Dann, als die Beweise unwiderlegbar werden, handelt sie nicht mehr für sich selbst, sondern um ihre Mitverschwörer zu schützen, und sagt aus, daß Hans und sie alles selbst gemacht haben, und keiner sonst darüber Bescheid wußte. In dem Film bekommt der Ermittler Mitleid mit ihr und bietet ihr an, daß sie doch sagen könnte, Hans hätte sie überredet. Somit würde sie eine mildere Strafe erwarten und dem Tod entgehen.

Sophie antwortet aber: „Nein, Herr Moor, weil es nicht stimmt! Ich würde es genau so wieder machen, denn nicht ich, sondern Sie haben die falsche Weltanschauung. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß ich das Beste für mein Volk getan habe. Ich bereue das nicht, und ich will die Folgen dafür auf mich nehmen.“

Sie hatte also die Gelegenheit, ihr Leben zu retten, aber ist lieber als wirklich freier Mensch gestorben, und wir empfinden ihre Tat und ihr Festhalten an höheren Prinzipien als erhaben - „auch wenn, oder gerade weil ihr Tod uns als Sinneswesen Furcht einflößt“.

Schiller sagt:

Wenn wir uns mit dem Erhabenen in der Kunst beschäftigen, gibt es uns die Möglichkeit, diese Qualität des Charakters in uns selbst wahrzunehmen und zu stärken - in gewissem Sinne zu trainieren, weil wir uns in die Personen auf der Bühne hineinversetzen.

Nur wenn eine kritische Masse der Gesellschaft ihre Handlungen auf solch eine Grundlage stellt, kann es die Spannung der heutigen Lage mutig entgegentreten und überwinden und den Kampf für die Menschheit gewinnen.

Vielen Dank.