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Neue Solidarität
Nr. 51, 17. Dezember 2014

Der Herausforderer der USA als Supermacht heißt nicht mehr nur Rußland,
sondern es sind die BRICS Staaten insgesamt

Von Dr. Franz Betschon

Immer wieder wird beschrieben, wie unberechenbar Rußland sei. Unberechenbar für wen? Unberechenbar nur für den Westen, der immer zu wissen glaubt, wie unsere Welt funktioniert. Mit dem Unvermögen, einen allfälligen Gegner zu verstehen oder auch nur verstehen zu wollen, beginnen alle Kriege.

Bild 1: Geostrategische Räume Eurasiens

In seinem Buch The Grand Chessboard (1997) beschreibt Brzezinski das „Eurasische Schachbrett“, das heißt die geostrategischen Räume in Eurasien, wie in Bild 1 dargestellt. Ich kann mir gut vorstellen, wie amerikanische Generalstäbler, über diese Karte gebeugt, eine Angriffsplanung erarbeiteten und dabei zunächst auf den Raum EAST als Schlüsselraum stießen, den zu beherrschen der Ausgangspunkt für einen Feldzug gegen Eurasien sein müßte. Den Raum WEST betrachteten sie schon sehr früh als Heimspiel, konnten aber bis vor kurzem wegen der Anwesenheit der Sowjetunion darauf keinen Feldzug aufbauen. Die Folge, die Kriege in Südostasien, haben ein kontinentales Trümmerfeld hinterlassen und zwar sowohl materiell, menschlich, kulturell und politisch. Von militärischen Erfolgen keine Spur!

Bezeichnend ist in diesem Kontext, welchen anderen Namen Brzezinski für den MIDDLE SPACE auch noch verwendet: THE BLACK HOLE, das im Gefolge des Zusammenbruchs der ehemaligen Sowjetunion „entstand“. An einer anderen Stelle liefert er den eigentlichen Grund für diese Bezeichnung, nämlich, daß niemand Rußland wirklich verstehen könne. Dabei ließ er es bewenden. Einen Versuch, Rußland zu verstehen, unternahm er nicht, und da Brzezinski der große strategische Vordenker der USA ist, tat dies auch sonst niemand. Rußland hat sich gefälligst so zu verhalten, wie andere Staaten auch.

Genau solche Überlegungen bezüglich Schlüsselräumen muß der Westen sich nach der Überwindung des Vietnamtraumas gemacht haben, um einen zweiten Anlauf zu wagen, weil man nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion davon ausgehen konnte, daß ihm kontinentalasiatisch niemand mehr in die Quere kommen würde. Man stieß nun neu auf den Raum SOUTH als den entscheidenden Schlüsselraum. Dabei konnte man Israel zum Status einer Regionalmacht verhelfen, den Pfahl in dessen Fleisch, nämlich Irak, eliminieren und Saudi-Arabien zum Mitzahlen bewegen. Den Iran sich vorzunehmen, verschob man auf später. Dies war, neben vielen anderen Gründen, die Veranlassung für alle Mittelostkriege. Diese dauern noch an, obwohl sich die Verursacher (USA, NATO) schon längst aus dem Staub zu machen versuchen. Ihnen wird aber heute eine Rechnung vom ISIS präsentiert, die sie sich anders vorgestellt hatten, und sie werden gezwungen, sich immer noch widerwillig im Raum SOUTH militärisch zu engagieren.

Man erinnert sich, daß Präsident Putin bereits Ende 2006 gemeinsame Militärmanöver absagte, zu einer Zeit als noch Tauwetter zwischen den beiden Mächten herrschte. Diese „Übung TORGAU“, hätte vom 21.09.07 bis zum 08.10.07 stattfinden sollen. Dem Vernehmen nach scheint einer der Gründe der Ärger über das großspurige Auftreten von Verteidigungsminister Rumsfeld kurz zuvor in Moskau gewesen sein. Wie sich das abspielte, kann man sich vorstellen - nicht viel anders als das Auftreten amerikanischer Soldaten beim telegenen Häuserfilzen in Bagdad oder wie Vertreter der Sicherheitsfirma Blackwater (zwischenzeitlich unter anderem Namen) in Afghanistan oder sonst wo auf der Welt.

Der operative Zielkatalog Rußlands stammt von den USA

Rußland und China können ohne Not ihren operativen Zielkatalog auf Eurasien beschränken. Der asiatische Kontinent, die Heimbasis Rußlands und Chinas, ist so groß, potent und chancenreich, daß es auf weitere Projekte verzichten kann. Weder die USA noch Großbritannien sind oder waren je eine eurasische Macht. Trotzdem betrachteten sie seit jeher diesen Kontinent als ihr Jagdrevier („ihren Heimmarkt“), auf dem sie ihre eigenen Regeln, also auch ihr eigenes Recht, durchsetzen können.

So nimmt also der Westen (USA, NATO) Rußland die Denkarbeit ab. Rußland kann sich darauf konzentrieren, zu erkennen, was die USA in Eurasien vorhaben, Gegenmaßnahmen zu entwickeln und daraus ihre eigenen Ziele zu definieren.

Im März 1992 sickerte eine Strategie der USA durch, die schon früher in einer Präventivkriegs-Doktrin von Wolfowitz formuliert wurde. Danach sei „die weltweite amerikanische militärische Vorherrschaft zu behaupten und das Aufkommen einer rivalisierenden Supermacht in Europa, Asien oder auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion zu vereiteln…“ Brzezinski nannte dies „to sit at the head oft he table“. Diese angestrebte „Überlegenheit auf allen Ebenen“ wurde in einem Papier genannt „Full-spectrum Dominance“ festgehalten. Mit dieser Planungsunterlage wurde der Dritte Weltkrieg definiert. Rußland kann sich also einfach an dieser orientieren. Der Westen soll nicht entsetzt tun, wenn Rußland und die übrigen BRICS-Staaten seine eigenen Papiere lesen. Die Begründung für einen allfälligen Dritten Weltkrieg wurde nicht in Moskau ausgeheckt, sondern in Washington!

Erstaunlicherweise ließ man Rußland sehr lange Zeit, um darauf zu reagieren. Anfangs der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts konnten die USA noch davon ausgehen, Zeit im Übermaß zu haben. Außerdem waren sie und sind es immer noch, in den Kriegen im Mittleren Osten beschäftigt. So konnte Eurasien seinen inneren Zusammenhalt festigen und mit alternativen Transportrouten zwischen Ost und West Erpressungsmöglichkeiten durch die US Navy im Pazifik relativieren.


(Dr. Franz Felix Betschon, dipl. Masch. Ing. ETH und Dr. sc. techn., Absolvent der Harvard Business School, ist erfahrener Unternehmer und Buchautor und war viele Jahre Oberst im schweizerischen Generalstab und Mitglied im Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS).)