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Auszüge aus Reden von Stanislaw Menschikow und Lyndon LaRouche bei der Feier zu Prof. Menschikows 80. Geburtstag 2007 in Moskau.
Die folgenden Zitate dokumentieren Stanislaw Menschikows besondere Beziehung zu Lyndon LaRouche und dessen Bewegung. (Ausführlichere Dokumentation finden Sie in Neue Solidarität, Ausgabe 23/2007, sowie in englischer Sprache im EIR-Magazin, Ausgabe vom 1.6.2007.)
Bei der Feier zu Ehren von Menschikows 80. Geburtstag in der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau am 15. Mai 2007 sprach Menschikow über das vielversprechende Potential des „eurasischen strategischen Dreiecks“ China-Indien-Rußland, also den Kern der heutigen BRICS-Gruppe, und stellte dies in den Zusammenhang mit LaRouches Programm der Weltlandbrücke als Schlüssel für eine Zusammenarbeit, der sich auch der Westen anschließen solle:
[Ich möchte] einen Blick in die Zukunft werfen, als wäre ich bei der Feier meines 100. Geburtstages, um zu sehen, wie die russische Wirtschaft sich zusammen mit der Weltwirtschaft bis 2027 entwickelt haben wird.
Ich habe Erfahrung mit langfristigen Prognosen. Bei der UNO arbeiteten Wassily Leontief und ich an einer Prognose über die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2000. Sie wurde in einem bekannten Buch publiziert, Die Zukunft der Weltwirtschaft, das von Leontief mitverfaßt und herausgegeben wurde. Es erschien Ende der 70er Jahre in mehreren Sprachen, auch auf Russisch. Sie können es also nachlesen und sehen, daß unsere Prognose sich in gewissem Maß bestätigt hat...
Ich persönlich betrachte lieber, wie sich Rußlands produktive Kapazitäten in dieser Zeit entwickelt haben. Wenn wir diese Methode... auf die verschiedenen grundlegenden Produktionsfaktoren Arbeitskraft, Kapital oder einen Gesamtproduktivitätsfaktor anwenden, dann zeigt sich: Der größte Teil dieses Wachstums, über die Hälfte, entfällt auf die Nutzung von Kapazitätsreserven bei der Arbeitskraft und der Energie und auf überschüssiges Kapital, das während der Krise der 90er Jahre geschaffen wurde, also auf die Nutzung von Kapital, das schon in sowjetischen Zeiten existierte und in der Zeit der Wirtschaftskrise stillgelegt oder nur geringfügig genutzt wurde.
Nur 10% des gesamten Wachstums gehen auf neue Kapitalinvestitionen zurück. Es ist absolut klar, daß diese beiden grundlegenden Faktoren einmalige Faktoren sind, die keine Grundlage für weiteres Wirtschaftswachstum in Rußland bieten können, weil sie bereits ausgeschöpft wurden. Die einzige wirkliche Quelle von Wachstum ist Kapital, das in neue Technologien und in das Wachstum des Sachkapitals und natürlich in die Verbesserung der Qualität der Arbeitskraft investiert wird.
Das ist im wesentlichen die Richtung dessen, was Wladimir Wladimirowitsch Putin in seiner jüngsten Botschaft [an den Föderationsrat] andeutete, in der er erstmals so etwas wie eine Industriepolitik für Rußland vorlegte. Er verwendete diesen Begriff, der hier eine lange Zeit verpönt war, nicht direkt. Man glaubte, nur der Markt könne die Wirtschaft angemessen strukturieren und die Kräfte für Wirtschaftswachstum erzeugen.
Aber die Oligarchen des russischen Kapitalismus sind nicht sehr versessen darauf, in Sektoren zu investieren, die sie für wenig profitabel halten, und die langfristige Investitionen ohne schnelle Gewinne erfordern. Sie investieren ihr Kapital lieber in Bereiche, die für den Export produzieren, wie Öl, Aluminium, andere Nichteisenmetalle und Stahl. So bleiben die Appelle des Präsidenten, man müsse in die eigenen produktiven Industrien investieren, unbeantwortet...
Daraus folgt, daß eine aktivere Intervention des Staates notwendig ist, was manche als Staatskapitalismus bezeichnen. Und einige Leute glauben, das bedeute praktisch eine völlige Rückkehr in sowjetische Zeiten und wäre ein Schritt zurück. Aber ich persönlich sehe darin die einzige Möglichkeit, bei all ihren Nachteilen, die Kapitalinvestitionen in die Richtung zu steuern, in die sie fließen müssen: in die dynamischeren, produktiven Industrien und natürlich in die Infrastruktur der Wirtschaft...
Mit wem sollten wir uns verbünden, und an wem sollten wir uns orientieren? Das hängt natürlich vom Standpunkt ab. Meiner ist, daß Rußland vorsichtig sein sollte. Rußland wird selbstverständlich niemals mit den derzeitigen Industriezentren brechen, aber gleichzeitig sollte es sich am Eurasischen Dreieck orientieren, ich meine China, Indien und Rußland.
Warum? Während die EU und die USA schon jetzt ihre Sorge darüber äußern, was geschehen wird, wenn Rußland auf die Weltbühne zurückkehrt, und ob das dann nicht eine Bedrohung darstelle, sehen China, Indien und andere asiatische Länder darin im allgemeinen keine Bedrohung und haben keine Angst vor der Entwicklung Rußlands, weil sie, realistisch betrachtet, gar keine Bedrohung für sie darstellen kann. Wir sollten uns also auf diese Länder hin orientieren, aber die übrigen Industrienationen auch nicht wegschieben, sondern weiter mit ihnen zusammenarbeiten...
Aber natürlich gibt es auch eine andere Möglichkeit. Und hier will ich erneut Lyndon LaRouche erwähnen, der heute unter uns ist. Er hat das Konzept des Baus der Eurasischen Brücke vorgeschlagen. Die Eurasische Brücke ist ein Programm zur Zusammenarbeit zwischen den USA, Westeuropa und Rußland mit seinem wissenschaftlichen Potential und seinen enormen Rohstoffreserven, ferner mit China und Indien: eine Zusammenarbeit zum Zweck des Baus und der Reorganisation der wirtschaftlichen Infrastruktur in den kommenden 50 Jahren. Das wird das Wachstum der gesamten Weltwirtschaft stimulieren.
Aber dieser Plan kann nur umgesetzt werden, wenn all diese Länder zusammenarbeiten, wenn ihre Entwicklung konfliktfrei voranschreitet. Lyndon LaRouche glaubt, daß eines der Gebiete dieser Zusammenarbeit eine Reform des Währungs- und Finanzsystems sein muß, die er ein Neues Bretton Woods nennt. Das hieße, ein fundamental neues Währungssystem zu schaffen, das in einigen Aspekten an das alte Bretton-Woods-Abkommen erinnert, das am Ende des Zweiten Weltkrieges geschaffene System, das später wieder abgeschafft wurde.
Solch ein neues Weltwährungs- und -finanzsystem wird auf der Zusammenarbeit all der Nationen beruhen müssen, die ich genannt habe. Denken Sie nur an die Auswirkungen für die Devisenreserven Chinas, Japans und Rußlands. Man muß bedenken, daß die USA der größte Kreditnehmer und der größte Schuldner Chinas und Japans sind, um zu verstehen, daß finanzielle Konflikte und Handelskonflikte zu einer schwerwiegenden Destabilisierung der gesamten Weltwirtschaft führen müssen.
Bis zum Jahre 2027 könnte also der Planet, was seine Wirtschaft angeht, völlig umgekrempelt sein. An der Spitze werden dann Staaten stehen, die man früher als Länder der Dritten Welt betrachtete, während der Platz der traditionellen Industriestaaten im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung von der Produktion bestimmter hochspezialisierter Güter und Dienstleistungen abhängen wird...
Meine letzte Ankündigung lautet: Rußland wird die Projekte zur weltweiten Zusammenarbeit aufrechterhalten. Rußland wird sich am Dreieck [Rußland-China-Indien] ausrichten und sich, ohne die Industrienationen zu vergessen, an den Programmen beteiligen, die eine konfliktfreie Entwicklung und einen stetigen Aufschwung ermöglichen.
Als Antwort auf Professor Menschikows Rede stand Herr LaRouche auf und machte einige Bemerkungen anläßlich dieser Geburtstagsfeier. Er sagte unter anderem:
Wir stecken jetzt in der größten Krise der neueren Zeit. Es wird versucht, das zu vertuschen und zu leugnen, trotzdem ist es so. Wie ich es sehe, ist der größte Teil Westeuropas bis an die Grenzen Rußlands und Weißrußlands eine Ansammlung gescheiterter Staaten, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu regieren, auch in ihren inneren Angelegenheiten. Die Welt ist in hohem Maße von supranationalen Geldinteressen übernommen worden, die die Politik in ihrem Sinne steuern.
Wenn man sich die Politik anschaut, sieht man nicht nur in Westeuropa meistens gescheiterte Staaten, auch die Vereinigten Staaten werden langsam unregierbar. Ich habe viele Freunde und alte Mitstreiter unter Mitgliedern des amerikanischen Kongresses und anderswo, aber ich stelle fest, daß heute das klare Denken nicht von den Politikern kommt. Das klare Denken, das für die politische Strategie erforderlich ist, kommt aus einer anderen Schicht, meistens von hochrangigen professionellen Leuten aus den Streitkräften, Nachrichtendiensten, der Diplomatie usw., die sich den kleinlichen Kontroversen, die unsere Politiker so faszinieren, entziehen. Sie schauen sehr wohl auf die Zukunft der Menschheit, besonders die hochrangigen unter ihnen.
Was das Thema der soeben gemachten Äußerungen von Professor Menschikow betrifft, denke ich, daß einiges von dem, was er vorausgesagt hat, doch verändert werden kann. Die Frage ist: Wer wird es ändern? In der Praxis hören wir vom russischen Präsidenten Putin, was er und andere kürzlich bei den Veranstaltungen zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs über Franklin Roosevelt gesagt hat, als er die Roosevelt-Tradition lobte...
Europa, westlich der Grenzen Rußlands und Weißrußlands, ist eine Ansammlung gescheiteter Staaten. Deswegen müssen die Vereinigten Staaten ihr Verhalten ändern, indem sie auf Rußland, Indien und China zugehen, um eine neue Ordnung der Beziehungen in der Welt zu schaffen, was Zusammenarbeit mit den kleineren Nationen einbezieht. Ich denke, wir können es schaffen: Wir können die Geschichte ändern.
Und wir müssen die Gesamtperspektive ändern. In diesem Fall ist die Rolle Rußlands wichtig, mehr durch die Kultur als durch seine Wirtschaft, besonders die Wissenschaftskultur. Sie ist bestens geeignet, das Potential der großen Gebiete Nordasiens und Nordeurasiens und ihrer Bodenschätze zu entwickeln, um die Bedürfnisse Chinas, Indiens und anderer Länder zu decken. Das ist etwas, was man nicht exportieren kann – Rußland hat eine Fundgrube an Wissen für diese Aufgaben, auf die der Rest der Welt angewiesen ist.
Aus diesem Grund denke ich, daß wir jetzt dringend ein Aktionsprogramm brauchen. Vor allem intellektuell. Es muß hierüber mehr Diskussionen geben, gerade zwischen maßgeblichen, hochrangigen Leuten aus Rußland und den Vereinigten Staaten. Wir haben es in der Hand. Wir müssen dafür sorgen, daß diese Möglichkeit als real empfunden wird. Dann können wir unter Krisenbedingungen die Politik wahrscheinlich zu der Erkenntnis bewegen, daß das die einzige Alternative zu der gegenwärtig gefährlichsten Lage der gesamten neueren Geschichte ist.
Akademiemitglied Alexander Granberg war Rußlands führender Spezialist für Programme zur integrierten wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen. Er und Menschikow hatten Anfang der 70er Jahre längere Zeit an der damals noch recht neuen Sibirien-Abteilung der Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk zusammengearbeitet. Im April 2007 hatte gerade in Moskau die Konferenz „Megaprojekte in Rußlands Osten: eine interkontinentale, multimodale Verkehrsverbindung über die Beringstraße“ unter Granbergs Leitung stattgefunden. Veranstalter war der Rat für das Studium der Produktivkräfte (SOPS), den Granberg leitete, und LaRouche hatte einen Beitrag zu der Konferenz verfaßt. Bei dem Geburtstagsbankett für Menschikow brachte Granberg einen Toast aus, den er wie folgt schloß:
Es ist wohlbekannt, daß Stanislaw Menschikow ein großer Experte für langfristige Wellen ist, und er hat dabei mit Larissa (Klimenko-Menschikowa) zusammengearbeitet. Und eine dieser langen Wellen hat mich heute erreicht.
Hier ist die Geschichte: Vor drei Wochen fand in Moskau eine Konferenz über eines der Megaprojekte statt, nämlich den Bau einer interkontinentalen Route von Eurasien nach Amerika über die Beringstraße. Das ist eine alte Idee, die Kontinente und das Eisenbahnnetz der ganzen Welt zu verbinden. Früher oder später wird dieses Projekt gebaut werden! Viele Generationen haben davon geträumt, es zu verwirklichen, und vor drei Wochen fand nun diese Konferenz unter aktiver Beteiligung der Regierung und der Regionalgouverneure statt, und die Idee findet Unterstützung...
Drei Wochen sind vergangen – und hier ist Herr LaRouche. Und es gab Gelegenheit, darüber zu diskutieren, was wirklich getan werden muß, um dieses Projekt voranzutreiben. Das sind sehr ermutigende Ansichten! Diese Strecke wird gebaut werden!
Sie haben also bereits an dem Projekt teilgenommen. Bis zum Jahr 2027 wird es abgeschlossen sein. Vielleicht muß dann noch ein Stück des Tunnels unter der Beringstraße gebaut werden. Es sind nur 100 Kilometer.
Ich hoffe, daß ich Einfluß auf die Gestaltung dieser Querung nehmen kann. Und wir werden versuchen, die Station, die dem Beringstraßentunnel auf russischer Seite am nächsten liegt, „Stanislaw“ oder „Menschikow“ zu nennen! Gestern sprachen wir bei Ihrer Prognose über viele Zahlen, aber ich spreche von einem Bahnhof von nationaler Bedeutung, voller Leben und Atem, der nach Ihnen benannt ist.
Larissa Klimenko-Menschikowa fügte hinzu: „Und auf amerikanischer Seite wird eine Station nach LaRouche benannt werden!“
Bei einer früheren Gelegenheit, während einer Konferenz des Schiller-Instituts in Deutschland 2001, hatte Menschikow zu LaRouche gesagt: „Sie sind der unamerikanischste Amerikaner, den ich je gesehen habe. Das heißt, natürlich sind Sie sehr amerikanisch, weil Sie aus der amerikanischen Tradition kommen. Sie stammen vom besten Teil Amerikas und den besten Wurzeln Amerikas her. Aber Sie sind ein einzigartiger Mensch.“
Professor Menschikow schickte Lyndon LaRouche zu dessen 90. Geburtstag im Jahr 2012 die folgende Grußbotschaft:
Ich freue mich, daß ich Lyndon LaRouche zu seinem 90. Geburtstag gratulieren kann. Er ist ein Ausnahmefall menschlicher Aktivität, er ist so aktiv, Lyndon ist ein Beispiel eines kreativen Geistes, der nie aufhört, eigene Ideen hervorzubringen. Und offen gesagt, bin ich voller Neid, daß er mit 90 Jahren noch all das tun kann, was er tut. Das ist natürlich eine Folge von Gottes gutem Willen. Ich kann das nicht anders sagen. Denn gewöhnlich sind so brillante Geister nicht mit dem Durchhaltevermögen und der Gesundheit gesegnet, die Lyndon halfen, seine Aktivitäten in diesem Alter fortzusetzen. Ich glaube, das zeigt, daß Gott auch wertschätzt, was Lyndon in all diesen Jahren getan hat. Sonst würde es nicht geschehen.
Und so war mein erster Gedanke, daß ich Lyndon beneide, im guten Sinne. Meine Gesundheit ist nicht so gut und er gibt mir ein Beispiel, dem ich zu folgen versuche. Ich hoffe, daß er noch viele Jahre so fortfahren und zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Menschheit beitragen kann. LaRouche ist der Autor theoretischer Entdeckungen in dem Bereich, in dem ich arbeite, nämlich der Weltwirtschaft. Das heißt nicht, daß wir in allem der gleichen Ansicht sind – wir haben uns über die Jahre öfter gestritten, wenn wir uns trafen. Aber das heißt nicht, daß wir Gegner sind. Denn wir wissen beide, daß wir auf die gleiche Weise und in die gleiche Richtung denken.
Ich wünsche Lyndon noch viele Jahre bei guter Gesundheit – und ein glückliches Familienleben mit Helga, seiner wundervollen Begleiterin.