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Neue Solidarität
Nr. 14-15, 1. April 2015

Warum Herr Schäuble kein Griechisch versteht

Von Christoph Mohs

Den folgenden Vortrag hielt Christoph Mohs am 12. März 2015 in der wöchentlichen Telefonkonferenz1 für Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung Solidarität.

Ich werde hier versuchen, Ihnen die Frage der physischen Wirtschaft und des Kreditsystems zu erläutern, die Lyndon H. LaRouche inzwischen seit Jahrzehnten darzustellen versucht, damit wir immer besser in der Lage sind, dieses Konzept selbst zu verstehen und auch vermitteln zu können. Ich will dazu mit einem Zitat aus der Antrittsrede Friedrich Schillers als Geschichtsprofessor in Jena beginnen,2 weil er darin einen sehr wichtigen Anhaltspunkt dafür liefert, wie wir gerade hier in Deutschland in diese Umbruchsphase der Geschichte intervenieren können.

Diese Antrittsrede Schillers sollte man sich unbedingt in ihrer vollen Länge zu Gemüte führen. Schiller war damals selbst erst 29 Jahre alt, also kein alter grauer Professor, sondern nur wenig älter als seine Studenten, die er mit einer äußerst engagierten Rede dazu aufforderte, selbst als aktive Staatsbürger in die Geschichte einzugreifen. Er appellierte dabei an die jungen Menschen, sich die Geschichte zueigen zu machen, um anhand der aus ihr gewonnenen Erfahrungen Lehren für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Ein zentraler Punkt, den Schiller in seiner Antrittsrede anspricht, aus der nun ein Abschnitt zitiert wird, ist der Vergleich zwischen dem Brotgelehrten und dem philosophischen Kopf:

Diese Antrittsrede hielt Schiller am 26. Mai 1789. Man sollte sich den historischen Kontext dazu vor Augen führen: Diese Rede fand nur knapp einen Monat vor dem Ausbruch der Französischen Revolution statt, wo sich bekanntlich die drei gesellschaftlichen Stände am 20. Juni 1789 im Pariser Ballhaus trafen, um sich eine Verfassung zu geben. Wenige Jahre zuvor (1776) hatten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Unabhängigkeit vom Britischen Imperium verkündet, worauf der Unabhängigkeitskrieg bis 1783 folgte. Und wenige Jahre später gab es dann auch in Deutschland Bestrebungen, eine Revolution in Gang zu setzen.

Brotgelehrte in der heutigen Politik

Nun kann man sich natürlich fragen, was dies mit Wirtschaft zu tun hat - schließlich handelt es sich hierbei um geschichtliche Verfassungs- und Staatslehre -, aber da wirtschaftliche und strategische Ausrichtung stets aufs Engste miteinander verbunden sind, setzt u.a. Lyndon LaRouche keinerlei Trennung zwischen diese zwei Disziplinen der Staatslenkung.

Wenn man nun diese zwei Archetypen, den Brotgelehrten und den philosophischen Kopf, auf die heutige Auseinandersetzung zwischen der griechischen Regierung und den EU-Institutionen überträgt, dann könnte man dem Brotgelehrten die Herren Schäuble, Dijsselbloem, Juncker etc. zuordnen, während die philosophischen Köpfe in der griechischen Regierung sitzen.

Das ist möglicherweise etwas überzeichnet dargestellt, aber das Entscheidende, worauf Friedrich Schiller eingehen will, ist die Art und Weise, wie ein altes, eingefahrenes System, welches seine Regeln, seine Ordnungen, seine Gesetze und natürlich auch seine Regierungen hat, auf ein sich veränderndes Umfeld reagiert. Wenn man sich die Auseinandersetzung gerade der letzten Tage und Wochen vor allem zwischen den beiden Finanzministern Herrn Schäuble und Herrn Varoufakis anschaut, in welcher der Ton immer rauher wird, dann läßt sich erkennen, daß es diese alten Institutionen für eine unverschämte Positionierung der griechischen Regierung halten, auch noch Forderungen zu stellen, wo sie doch eigentlich erst einmal im Hinblick auf die eingegangenen Zugeständnisse der Vorgängerregierung „liefern“ müßte.

Dies hängt meiner Meinung nach mit der Tatsache zusammen, daß in diesen Institutionen vergessen wurde, was eigentlich die zentrale Aufgabe jeder Regierung ist, nämlich, als Volksvertretung das Allgemeinwohl stets als oberstes Prinzip ganz in den Vordergrund zu stellen. Dies aber macht die jetzige griechische Regierung - schließlich hat sie bei der Wahl von der Bevölkerung einen ganz klaren Auftrag dazu bekommen. Man kann ihre Positionierung also nicht als unverschämt hinstellen; und daß der Ton inzwischen deutlicher wird, ist meines Erachtens auf das sich bis zum jetzigen Zeitpunkt fehlende Einlassen auf diese Forderungen zurückzuführen.

Dies gab es im historischen Ablauf immer wieder: daß ein veraltetes oder stehengebliebenes System irgendwann so verkrustet war, daß es einerseits immer weniger funktionierte, andererseits aber der Graben zwischen Regierenden und Regierten so groß wurde, daß letztere irgendwann den Eindruck bekamen, daß dies nicht mehr ihre Regierung sei. Dann kommt früher oder später der Moment, wo die Regierten sich eine neue Regierung geben wollen, wie es bei der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ganz klar formuliert wurde, oder wie es auch die Reformer während der Französischen Revolution forderten.

Schiller hat das damals sehr genau beobachtet, sah aber auch, daß die reaktionären Kräfte ihrerseits in Stellung gebracht wurden. Er machte sich dann Gedanken darüber, wie man den nächsten „großen Moment in der Geschichte“, wo es die Möglichkeit zu einem wirklichen Durchbruch hin zu einer Republik gibt, nutzen könne, indem man die Bevölkerung geistig auf einen derartigen Moment vorbereitet. In seiner Vorlesung über Universalgeschichte hat er als Geschichtsprofessor diesen Gedanken bereits als zentrales Thema entwickelt.

Die Mentalität

Ich habe mir in den letzten Wochen intensive Gedanken über das Selbstverständnis von Herrn Minister Schäuble gemacht - schließlich kommt er ja hier aus der Region (Baden-Württemberg) -, um herauszufinden, warum er seine Position (gegenüber Griechenland) beibehält bzw. sogar bis ins Extrem überdehnt. Ich bin dabei zu dem vorläufigen Schluß gekommen - deshalb habe ich meinem Vortrag den Titel „Warum Herr Schäuble kein Griechisch versteht“ gegeben -, daß er in sich die negativen Seiten der schwäbischen und preußischen Mentalität verbindet.

Die schwäbische Mentalität hat den positiven Ansatz des neugierigen Tüftelns: Es wird solange an einer Sache herumexperimentiert, bis ein Durchbruch zu einer Erfindung gelingt. Wenn dieser Ansatz aber ins Extrem übersteigert wird, stellt sich eine Verbissenheit ein, die den Blick für andere Denkweisen verliert und überdies zu dem Trugschluß verleitet, daß nur die eigene Herangehensweise tragfähig und finanzierbar ist.

Dies sehen wir bei Schäubles Denkweise derzeit sehr deutlich. Die preußische Mentalität, die ihn als dienstältesten Bundestagsabgeordneten (seit 42 Jahren MdB) über Jahrzehnte prägte, zeigt sich in großen Denkentwürfen und entsprechend großen politischen Schritten, wie dies z.B. bei den Preußischen Reformern zutage trat. Diese erreichten dadurch innerhalb weniger Jahre nicht nur die Abschüttelung der napoleonischen Unterdrückung, sondern im wesentlichen die Befreiung weiter Teile Europas.

Diese großen Schritte wurden aber auch erreicht durch die sehr klare Strukturierung des Beamtenapparates sowie den hohen moralischen Anspruch bei der Ausbildung der Beamten, was beides anfangs für den Fortschritt Preußens entscheidend war. Die Kehrseite davon ist eine Bürokratisierung des Denkens, hin zu der Haltung: Vertrag ist Vertrag, was vereinbart wurde, muß zwingend eingehalten werden, auch wenn es sich bei näherem Hinsehen als kontraproduktiv erweist. Bei Herrn Schäuble tritt diese negative Haltung ebenfalls stark hervor. Dieses über das Ziel hinaus schießen oder wider bessere Einsicht festhalten an alten Strukturen, auch wenn keine Seite davon etwas hat, tritt in der momentanen Situation deutlich hervor.

Wie mißt man eine Volkswirtschaft?

Diese Überlegungen zur Staatsstruktur und Geschichte bilden den Hintergrund meiner Ausführungen, denn sie sind eng verknüpft mit dem eigentlichen Thema der Volkswirtschaft bzw. physischen Ökonomie. Was ist nun also reale Volkswirtschaft, was ist ein Kreditsystem? In Deutschland wird ja derzeit behauptet, daß sich die heimische Volkswirtschaft (im Gegensatz zu nahezu allen anderen europäischen Ländern) in einer „robusten Aufwärtsentwicklung'“ bzw. einer konjunkturellen Aufschwungphase befindet. Wie kann man nun aber anhand von objektiven Meßmethoden bewerten, ob dies auch tatsächlich stimmt? Woher weiß man, ob es einer Volkswirtschaft gut, mittelmäßig oder gar schlecht geht?

Schäuble spricht bei der Bewertung der volkswirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland gerne die nach Jahrzehnten (zumindest laut offiziellen Zahlen) endlich wieder erreichte „schwarze Null“ an, also die angebliche Haushaltsführung ohne weitere Neuverschuldung und sogar mit einem kleinen Plus von ein paar Milliarden Euro. Gleichzeitig seien die Aussichten für die Häuslebauer und die Exportindustrie bei den derzeitigen geringen Zinsraten äußerst günstig, und dies werde auch zunächst so bleiben, denn selbst die wirtschaftswissenschaftlichen Institute hätten ihre Konjunkturprognosen für das laufende Haushaltsjahr gerade erst von 1,4% auf 1,8 bzw. 1,9% angehoben.

Ein anderes Bild zeigt sich bei einem Blick auf die Gesamtverschuldung Deutschlands gemessen am BIP: Hier liegt Deutschland mit einer Verschuldung von rund 80% weit über den Maastricht-Kriterien, die höchstens 60% erlauben, und befindet sich damit keinesfalls unter den am wenigsten verschuldeten EU-Staaten, sondern eher im Mittelfeld. Natürlich gibt es auch Staaten wie Italien oder Griechenland, die eine deutlich höhere Verschuldungsrate haben, aber auch die deutsche Verschuldung von einigen Billionen Euro ist keinesfalls erfreulich.

Wiederum anders sieht die Beurteilung aus, wenn man sich die Armutsrate hierzulande anschaut: Sie ist inzwischen die höchste seit der Nachkriegszeit in Deutschland, die Schere zwischen arm und reich wird immer größer, es gibt eine wachsende Anzahl an sog. „working poor“ (Beschäftigte, die trotz ihres Einkommens auf staatliche Unterstützung angewiesen sind), die Kinderarmut steigt bedrohlich an, und besonders für Alleinerziehende wird es zunehmend schwerer, ihren Kindern ein vernünftiges Erziehungsumfeld zu bieten.

In dieser Hinsicht also geht es Deutschland schlecht. Wenn man diese Entwicklungen nun in Beziehung setzt zu der angeblich so guten volkswirtschaftlichen Entwicklung, stellt sich doch die Frage, was als Bewertungsgrundlage herangezogen wurde bzw. was herangezogen werden sollte, um eine objektive Aussage treffen zu können.

Diese drei Kategorien - „schwarze Null“, 80% Verschuldung sowie hohe Armutsrate - sind alles monetäre Begriffe; es handelt sich dabei nämlich um Geldwerte. Das Geldwesen jedoch ist kein geeignetes Bemessungsverfahren, um damit eine Volkswirtschaft beurteilen zu können, denn Geld hat keinen inhärenten Wert. Das Geld an sich ist bekanntlich ursprünglich lediglich eingeführt worden, um den Tauschhandel zu vereinfachen.

Eine Währung ist schon eher ein Kriterium, um volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu messen, denn schließlich stellt sie ja eigentlich den zahlenmäßigen Ausdruck von deren Produktivität dar. Dies scheitert aber heutzutage zunehmend daran, daß die Währungskurse den Spekulationsmärkten geöffnet und mehr oder weniger überlassen wurden und damit zum Spielball von Anlagestrategen geworden sind, die ganz andere Ziele verfolgen als eine relative Stabilität einer Währung in bezug auf andere. Zudem ist auch eine Währung lediglich ein in Geld gemessener Ausdruck einer Volkswirtschaft.

Im Grunde genommen geht es aber in einer Volkswirtschaft darum, (Investitions-)Kapital zur Verfügung zu stellen, um diese Volkswirtschaft leistungsfähiger zu machen. Dies stellt die eigentliche Aufgabe der Regierung in wirtschaftlicher Hinsicht dar: daß sie durch die Veränderung der wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen die Gesamtproduktivität sukzessive erhöht.

Das darf nicht mit einer Planwirtschaft verwechselt werden, in welcher die Regierung plant, wann was in welchen Mengen produziert wird, sondern sie hat in einer (sozialen) Marktwirtschaft die Aufgabe, die Rahmenbedingungen so abzustecken, daß die produktiven Bereiche der Wirtschaft begünstigt und gleichzeitig die unproduktiven oder gar schädlichen eingeschränkt werden.

Von der Zukunft ausgehen

Ein Kreditsystem hat also nicht in erster Linie mit Geld zu tun, sondern mit der Mobilisierung der produktiven Kräfte der Volkswirtschaft. Deshalb ist es auch nicht hilfreich, den Grad der Wirtschaftsentwicklung mit monetären, also Geldwerten, zu messen. Wir brauchen hierzu neue Bewertungskriterien, die die realwirtschaftliche Bedarfsplanung zukünftiger Wirtschaftsentwicklungen bzw. zukünftiger Zustände der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an real meßbaren Faktoren ausrichten.

Als Negativbeispiele bieten sich hier die Verkehrsprojekte „Stuttgart 21“ und der Berliner Flughafenneubau „BER“ an, die beide eigentlich die Aufgabe hatten, die Produktivität im Verkehrswesen zu steigern und damit die Transporteffizienz zu erhöhen. Die massive zeitliche Verzögerung dieser Infrastrukturbauten, die im wesentlichen der Sparpolitik (Streckung der Finanzmittel über längere Zeiträume) sowie der mangelhaften Planung (BER) und Erläuterung für die Bevölkerung (Stuttgart 21) anzulasten ist, hat jedoch den angestrebten Nutzen schon längst ins Negative verkehrt.

Die Sparpolitik, die in Deutschland seit 1992 vorherrschend alle Haushaltsplanungen bestimmt, führt überdies zu einer generellen Beschränkung der Gesamtkosten derartiger Projekte und verhindert dadurch eine optimale Ausführung. Dies wiederum sowie die zeitliche Verzögerung haben negative Auswirkungen auf die realwirtschaftliche Wirkung, die solche Projekte erzielen sollen, und machen damit den eigentlichen Sinn volkswirtschaftlicher Investitionen zunichte. Dadurch wird es der Bevölkerung immer schwerer gemacht, diesen Sinn noch zu erkennen, was schließlich und endlich in den Irrglauben münden muß, daß Infrastruktur-Großprojekte generell falsch seien.

Der richtige Ansatz bei der Infrastrukturplanung muß also sowohl die Bevölkerung in die Überlegungen einbinden, welche Art von genereller großflächiger Infrastruktur notwendig und damit sinnvoll ist, als auch nach erfolgter Meinungsbildung diese Planung zügig in tatsächliche Baumaßnahmen umsetzen, damit der zu erzielende Effizienzgewinn erlebbar wird und als Grundlage für weitere Planungsüberlegungen dienen kann.

Hier zeigt sich somit, daß sich die realwirtschaftliche Bedarfsplanung stets auf Produktivitätserfordernisse in der Zukunft beziehen muß, was die Fähigkeit der an dieser Planung maßgeblich Beteiligten voraussetzt, über Zustände der Volkswirtschaft nachdenken zu können, die erst allmählich im Entstehen sind und möglicherweise ganz andere Erfordernisse haben als die gegenwärtigen.

Deshalb spricht LaRouche davon, daß immer wieder vollkommen „neue technologische Plattformen“ mit neuen Technologien eingeführt werden müßten, die höhere Grade der Energieflußdichte und höhere Effizienzgrade derjenigen Technologien erreichen, die auf der jeweiligen Plattform eingeführt werden.

Auf Griechenland übertragen bedeutet dies, daß die griechische Volkswirtschaft (wie übrigens alle europäischen und die US-amerikanische) aufgrund der jahrzehntelangen Sparpolitik regelrecht zugrunde gerichtet wurde und gerade auch die starken und höchstentwickelten Bereiche, wie der Schiffsbau, die Erdbebenvorhersageforschung, die Raumfahrt und andere Sparten, geradezu lahmgelegt sind. Hinzu kommt das massive Hineinregieren der Troika-Technokraten seit der Eurokrise, welche die ohnehin schon geschwächte Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft endgültig zerschlagen hat, was u.a. an der extrem hohen Arbeitslosigkeit und besonders der Jugendarbeitslosigkeit ablesbar ist, und die Verschuldung trotzdem nicht verringert, sondern im Gegenteil enorm erhöht hat.

Die BRICS-Konzeption

Die BRICS-Konzeption geht hier diametral entgegengesetzt vor, indem sie sich dem produktiven (realwirtschaftlichen) Bereich der Weltwirtschaft zuwendet. Die BRICS-Staaten (wir haben dies bereits in Studien und vielen Artikeln dokumentiert) schauen sich genau nach LaRouches Vorgehensweise den zukünftigen weltweiten Bedarf an Verkehrs-, Kommunikations-, Industrie- und Landwirtschaftsinfrastruktur für alle Teile der Weltbevölkerung an und gehen dann schrittweise vor, um diesen Bedarf zu decken.

Für Griechenland bedeutet dies z.B., daß die sog. „Maritime Seidenstraße“, die an den Küsten Ostasiens beginnt und durch den Indischen Ozean, das Rote Meer und das Mittelmeer führt, an den Süd- und Westküsten Europas ankommen wird und damit für die schon vorhandenen Häfen (allen voran den Hafen von Piräus), sowie viele noch zu bauende oder auszubauende, zur immensen Umschlagssteigerung von Produktions- und Konsumgütern führen wird.

Für die BRICS-Staaten stellt Griechenland also keine am Boden liegende Finanzwirtschaft dar, sondern einen wichtigen Baustein in der Umsetzung der Maritimen Seidenstraße. Die adäquate Herangehensweise hier in Europa wäre es demnach, diesen zukünftigen Transportbedarf ebenfalls in die Infrastrukturplanung vor allem der EU mit einzubeziehen, um ihn entsprechend der BRICS-Taktzahl bedarfsgerecht umsetzen zu können.

Dafür jedoch ist ein vollkommenes Umdenken der EU-Verantwortlichen notwendig. Dieses Umdenken sollte sich statt auf die Einmischung in innere Angelegenheiten auf die inzwischen schon vielzitierte „Win-Win-Strategie“ des chinesischen Präsidenten Xi Jingpin einlassen, um durch wirtschaftliche Kooperation alle Beteiligten voranzubringen. Wenn die europäischen Staaten, aber auch die USA, von westlicher Seite her auf diese BRICS-Dynamik hinwirken würden, dann würden sie unmittelbar von diesem Entwicklungssog erfaßt, was die griechische Volkswirtschaft ganz schnell wieder stabilisieren würde.

Voraussetzung dafür ist aber die Aufgabe dieser alten, verknöcherten Struktur des kurzsichtigen Kosten-Nutzen-Denkens, die Überwindung des sog. Wirtschaftsliberalismus, der die eigentlich Verantwortlichen der internationalen Finanzkrise, nämlich die sog. TBTF-Banken (too big to fail), tatsächlich zur Verantwortung zieht und ihnen das Handwerk legt, wieder das Allgemeinwohl der Bevölkerungen ins Zentrum der politischen Entscheidungen stellt und gerade die Vielfalt der europäischen Staaten wieder als Zugewinn, nicht als Schwäche, die es auszugleichen gilt, betrachtet.

Es sollte Herrn Schäuble und seinen Kollegen also nicht darum gehen, in Griechenland das deutsche Steuerrecht einzuführen, sondern die aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen Hintergründe entwickelten verschiedenen Fähigkeiten der europäischen Völker hervorzuheben und zum Nutzen der gesamten Welt und ihrer Regionen einzubringen.

Hierfür sind Ideen gefragt, die nur von philosophischen Köpfen nach Schillers Beschreibung hervorgebracht werden können - nicht das Beharren der Brotgelehrten oder der verknöcherten Regierungen auf ihren eingefahrenen Regeln und festgeschriebenen Gesetzen. Wir brauchen einen wirklichen Durchbruch in der Denkweise, wie wir die politischen Entwicklungen hier in Europa, aber auch weltweit gestalten wollen.

Es geht also darum, bei dem Diskurs über Volkswirtschaft stets die zukünftige Entwicklung, die am Bedarf der Menschen ausgerichtet sein muß, im Kopf zu behalten. Die Frage, wie die (ohnehin zum größten Teil illegitime) Verschuldung der Staaten verringert werden könnte, löst sich dann fast ganz von selbst.


Anmerkung

1. Wenn Sie Interesse haben, an dieser Telefonkonferenz teilzunehmen, wenden Sie sich bitte an das nächstgelegene Büro der Bürgerrechtsbewegung Solidarität.

2. Friedrich Schiller, „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“, 1789, http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3307/1