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Neue Solidarität
Nr. 28, 8. Juli 2015

NATO eskaliert erneut Provokationen gegen Rußland

Vordenker der amerikanischen Konfrontationspolitik gegenüber Rußland sitzen in London.

Der Vormarsch der NATO nach Osten wurde in den letzten Wochen weiter beschleunigt, sowohl mit der Stationierung von Truppen und Waffen als auch im Bereich der politischen Planung. So bezahlt das Pentagon jetzt einen bekannten Londoner Scharfmacher für seine „strategischen Studien“.

Am 5. Juni vergab die Denkfabrik des US-Verteidigungsministeriums ONA (Office of Net Assessment, „Büro für Gesamteinschätzungen“) einen Auftrag über 167.996 $ an die Washingtoner Denkfabrik CEPA (Center for European Policy Analysis) für „eine Studie über die sich verändernde Dynamik in Netzwerken der amerikanischen Verbündeten in Ostasien, dem Nahen Osten und Mittel- und Osteuropa“. USA Today berichtete darüber am 17. Juni.

Der Leiter von CEPA ist A. Wess Mitchell, ein früherer Berater des Republikaners Mitt Romney, der im Präsidentschaftswahlkampf 2012 gegen Obama verlor. Hauptgeldgeber ist eine Stiftung des texanischen Unternehmers Laurence Hirsch, einem großen Spender der Republikaner. Allein seit 2012 spendete Hirsch 300.000 $ für republikanische Kandidaten und Komitees, und seine Familienstiftung hat CEPA in den letzten drei Jahren jeweils mindestens 650.000 $ gegeben. Wie USA Today berichtet, fordern Mitchell und die anderen CEPA-Mitarbeiter in ihren Artikeln und Forschungsschriften, die westliche „Verteidigungslinie“ näher an die Grenzen der osteuropäischen und baltischen Staaten mit Rußland zu verlegen und keine „strategische Geduld“ mehr zu haben.

Die neokonservative Unterstaatssekretärin im Außenministerium Victoria Nuland (berüchtigt für ihr „Fuck the EU“), die im Februar 2014 den Naziputsch in Kiew koordinierte, sprach im Oktober 2014 bei einer CEPA-Veranstaltung und betonte dort, die USA würden die Ukraine weiter gegen die russische „Aggression“ verteidigen.

Noch wichtiger als die offensichtliche neokonservative Ausrichtung des (offiziell „neutralen“) CEPA ist die britische Verbindung der Denkfabrik über Edward Lucas, einen leitenden Redakteur des Londoner Economist. Lucas, ein alter Rußlandhasser, ist „in seiner „Freizeit“ Vizepräsident von CEPA und Leiter von dessen „Ostsee-Sicherheitsinitiative“. Am 26. Juni veröffentlichte Lucas einen Bericht mit dem Titel „Der kommende Sturm“, in dem er dazu aufruft, Nord- und Osteuropa auf eine gemeinsame antirussische Linie einzuschwören. Die neun „Frontstaaten“ - die fünf skandinavischen Staaten, die drei baltischen Staaten und Polen, von Lucas als „NBP9“ abgekürzt - müßten gegenseitige Differenzen und Mißtrauen („ihre strategische Inkohärenz“) überwinden und immer enger gegen die russische Gefahr zusammenarbeiten.

In einem Gastkommentar für die Internetseite Daily Beast schrieb Lucas am 24. Juni: „Ein Blick auf die Landkarte zeigt nur zu deutlich, daß es schwierig ist, die baltischen Staaten ohne die Unterstützung der Nicht-NATO-Mitglieder Schweden und Finnland in einer Krise zu stärken. Es ist sogar unmöglich - es sei denn, der Westen wäre bereit, auf eine russische Invasion oder andere Provokationen mit Kernwaffen zu reagieren. Die Wahl fällt schwer: das Ende der NATO erleben oder den Dritten Weltkrieg riskieren.“

Lucas behauptet: „Rußland gewinnt wegen der Schwäche des Westens - aber diese Schwäche resultiert aus freier Entscheidung, nicht aus Notwendigkeit.“ Eine Mitschuld für die Schwäche treffe Schweden und Finnland, deren Beitritt zur NATO auf absehbare Zeit unwahrscheinlich sei. Das mache es für die NATO schwieriger, die baltischen Staaten zu stärken. „Jedes Land der NBP9 hat ausgezeichnete Gründe, die regionale Verteidigungskooperation nicht in den Mittelpunkt seines Denkens zu stellen. Aber ohne sie sind sie schwach - und ein Krieg viel wahrscheinlicher.“

Lucas beschreibt eine Art Fahrplan zur Lösung dieses Problems, aber dabei sei die amerikanische Führung unverzichtbar. „Für jedes Land in der Region ist Amerika der bei weitem wichtigste Partner. Sie werden ihre geschätzten Tabus und überkommenen Ideologien fallenlassen, wenn sie dazu aufgefordert werden.“

Lucas spielt schon seit vielen Jahren die Rolle eines Kampfhunds des Empire gegen Rußland. So beschrieb er 2008 in seinem Buch Der Kalte Krieg des Kreml die Parameter eines neuen Kalten Krieges gegen Moskau - schon das war Teil des britischen Vorstoßes für einen mörderischen globalen Krieg inmitten des Zusammenbruchs des transatlantischen Finanzsystems.

Doch glücklicherweise gibt es auch Gegenwind. Am 28. Juni betonte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber der Welt am Sonntag, einige der gefährlichsten Krisen der Welt ließen sich nur in Zusammenarbeit mit Rußland bewältigen. Trotz des Konflikts um die Ukraine bleibe Rußland ein wichtiger Teilnehmer der 5+1-Gespräche mit dem Iran. „Deutschland darf Rußland weder aufgeben noch isolieren. Rußland bleibt einer der größten Nachbarn der EU und unseres Landes, und wird - im Guten wie im Schlechten - die Zukunft Europas mitbestimmen.“

Der bekannte amerikanische Rußlandexperte Dr. Stephen Cohen, emeritierter Professor der Universitäten Princeton und New York, warnte sogar, die Ausweitung der NATO und des US-Militärs nach Osten bis an die Grenzen Rußlands sei eine Eskalation des neuen Kalten Krieges in Richtung eines „heißen“ Krieges. Die Vorwände seien völlig haltlos, denn die Behauptung, Rußlands dehne sich erneut aggressiv aus, sei eine glatte Lüge. Dahinter steckten Leute im Westen, die schon seit Jahrzehnten Rußland zerstören wollten.

Als Beispiel nannte Cohen die Rede von US-Verteidigungsminister Ashton Carter beim jüngsten Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 20.-21. Juni in Brüssel. Carter behauptete zwar, die Regierung Obama wolle keinen neuen Kalten Krieg, „ganz zu schweigen von einem heißen“, kündigte aber eine lange Liste zusätzlicher Militärkapazitäten an, die die USA in Europa stationieren wollen: Aufklärungs- und Nachrichtendiensteinrichtungen, Sondereinsatzkräfte, Logistik, Transportflugzeuge sowie Waffen wie Bomben- und Kampfflugzeuge, seegestützte Raketen. Diese sollen nach Deutschland, Norwegen und den Niederlanden, die Berichten zufolge zugestimmt haben, das erste Kontingent einer Schnellen Reaktionstruppe der NATO zu stellen. Carter sagte arrogant: „Wir werden Rußlands Handlungen und seinen Versuchen, wieder eine Einflußsphäre wie in der Sowjetära zu errichten, Paroli bieten.“ Über die Ausweitung der NATO-Einflußsphäre sagte er nichts.

Cohen kommentierte dies, es gehe gar nicht mehr um die Verteidigung der Ukraine, sondern um die Ausweitung der NATO. Cohen erinnert daran, daß noch niemals zuvor amerikanische Soldaten unmittelbar an der russischen Grenze gestanden haben.

Obama und Carter setzen im Interesse Londons auf eine solche Machtprobe mit Rußland. Der Economist, ein Sprachrohr der City, wirbt für Carter, dessen Staatssekretär Robert Work und die von ihnen vorangetriebene Strategie „Third Offset“, die den USA einen neuen militärtechnischen Vorsprung gegen Rußland und/oder China verschaffen soll. Die Idee dabei ist, daß die USA zum dritten Mal nach den 1950er und 70er Jahren systematisch neue Waffen entwickeln, um militärische Bedrohungen, damals durch die Sowjetunion und heute Rußland und China, auszugleichen. Dazu sollen Tarnkappendrohnen, Mini-U-Boote und weitere moderne Offensiv- und Defensivwaffen entwickelt werden. Der Economist muß in seinem Artikel dazu vom 13. Juni allerdings zugeben, daß die Strategie einen großen Nachteil hat: Was tut man, wenn die Verliererseite sich auf Kernwaffen verlegt?

Der entscheidende Punkt ist bei alledem jedoch, daß das transatlantische Finanzsystem der City und der Wall Street unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht, was die Versuchung einer „Flucht nach vorne“ in einen Krieg gegen Rußland und China enorm verstärkt. Solange dieses Problem nicht mit einer geordneten Konkurssanierung des Finanzsystems durch die Einführung eines internationalen Glass-Steagall-Trennbankensystems aus der Welt geschafft wird, wie es Lyndon LaRouche fordert, solange wird die Kriegsgefahr weiterbestehen und wächst. In diesem Zusammenhang werden Sprachrohre des Empires wie Edward Lucas, der nun auch Berater des Pentagon ist, erst richtig gefährlich.

Jeffrey Steinberg