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Neue Solidarität
Nr. 42, 14. Oktober 2015

In der Flüchtlingskrise eine epochale Vision verwirklichen

Von Helga Zepp-LaRouche

Die sich zuspitzende Flüchtlingskrise spaltet Deutschland in grundsätzlich zwei entgegengesetzte Lager: den - immer noch - mehrheitlichen Teil der Menschen, die auf die Not der Flüchtlinge als gute Samariter reagieren und in der einen oder anderen Art tatkräftig helfen, Aspekte dieser Not zu lindern. Bundeskanzlerin Merkel hat mit ihrem Satz: „Wir schaffen das!“ der Stimmung dieser Mehrheit Ausdruck verliehen. Und dann gibt es einen anderen Teil, der vom CSU-Chef Seehofer über Innenminister de Maizière bis zu Schäuble- Schwiegersohn Thomas Strobl, Markus Söder und der AfD und Pegida reicht, dessen gemeinsamer Nenner es ist, Ängste und Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren und Lösungsvorschläge anzubieten, die letztlich Menschenrechte verletzen, teilweise von offenem Rassismus geprägt sind und vor allem eins sind: vollkommen ungeeignet, das Problem zu beheben.

Inzwischen hat sich das politische Klima zwischen diesen Lagern dermaßen aufgeheizt - zusätzlich erschwert durch eine objektive Überlastung der Gemeinden und unzureichende Kapazitäten für die Unterbringung der Flüchtlinge -, daß die Lage in Deutschland kurz vor dem Kippen ist. Falls es dazu kommen sollte, hätte dies aufgrund der relativen Stärke Deutschlands schicksalhafte Konsequenzen für ganz Europa.

Dies ist keine Krise, deren Ende sich abzeichnet; im Gegenteil, beinahe täglich reihen sich anklagende Bilder von an den Mittelmeerküsten angeschwemmten Leichen der Flüchtlinge aneinander, darunter Babys und Kleinkinder, ein Spiegelbild der gescheiterten EU-Politik, die die heraufziehende Katastrophe jahrelang ignorierte und vor allem Griechenland und Italien damit alleine ließ. Offiziell sind alleine in diesem Jahr 2600 Menschen ertrunken, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Aber nicht nur verzweifelte Syrer riskieren ihr Leben, um dem Tod zu entkommen, Millionen Menschen sehen in Afghanistan, Irak, Jemen, Libyen und vielen weiteren afrikanischen Ländern oder in Flüchtlingslagern wie in der Türkei keine Zukunft und machen sich auf den Weg nach Europa.

Es gibt jene, die wie Frontex-Chef Fabrice Leggeri die Einrichtung von Abschiebegefängnissen an den sog. „Hotspots“ in Italien und Griechenland fordern, um die Flüchtlinge davon abzuhalten, durch die Außengrenzen auf das Territorium der EU zu gelangen, oder mit Frontex-Schiffen gegen Schlepper vorzugehen, was selbstverständlich mit großen Gefahren für das Leben der Flüchtlinge verbunden ist. In die gleiche Kerbe schlagen Vorschläge wie der von Markus Söder, das Grundgesetz zu ändern, um das Asylrecht auf bestimmte Kontingente zu beschränken - ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention. Menschenrechtsorganisationen halten auch das neue Asylpaket von Innenminister de Maizière für verfassungswidrig und zudem völlig ungeeignet, die Probleme bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu lösen - nicht zuletzt, weil es die Torschlußpanik bei den Flüchtlingen noch verstärkt.

Es dämmert einigen, daß es sich bei diesem Flüchtlingszug in Wirklichkeit um eine Völkerwanderung handelt, die mit den großen Migrationen der Spätantike vergleichbar ist. Sie ist das Resultat einer jahrzehntelangen verfehlten Politik geopolitischer Kriege Bushs und Obamas in Südwestasien, die auf Lügen aufgebaut waren, und einer Auflagenpolitik des IWF, die wirtschaftliche Entwicklung unterdrückt und mit der resultierenden Armut den Nährboden für den Terrorismus geschaffen hat. Die Vorstellung, man könne diese völlig aus den Fugen geratene Situation reparieren, indem einen neuen Limes um Europa baut und den Nahen Osten und Afrika zu terrae incognitae erklärt, wie dies in dem 1991 erschienenen Buch von Jean-Christophe Rufin Das Reich und die neuen Barbaren vorgeschlagen wurde, ist absurd und reflektiert lediglich den moralischen und politischen Bankrott ihrer Protagonisten. Sollen die Bilder, auf denen terrorisierte Flüchtlingskinder zwischen NATO-Stacheldraht und Tränengas zum Opfer einer gescheiterten Politik werden, sollen erschossene Flüchtlinge und Wasserleichen zur „neuen Normalität“ werden?

Mit Bezug auf fremdenfeindliche Pegida-Demonstrationen und brennende Flüchtlingsunterkünfte schrieb Die Welt, daß Frau Merkel die nächsten zwei Jahre nur überstehen könne, wenn sie das Flüchtlingsproblem in den Griff bekomme: eine faire Einschätzung, und dies um so mehr, als das transatlantische Finanzsystem jeden Augenblick zusammenbrechen und die gigantische Derivatblase in einem Supercrash platzen kann, wie es u.a. die Glencore-Krise in Erinnerung ruft. Es sollte jedem denkenden Menschen klar sein, daß das resultierende Chaos, das auf einen solchen Crash folgen würde, die Grundfesten der Gesellschaft zerstören und alle Kalkulationen in der Flüchtlingsfrage zunichte machen würde.

Es gibt einen Ausweg

Es gibt einen Ausweg, der allerdings ein völlig neues Paradigma und ein völlig neues Denken erfordert. Nur wenn auf die militärische Operation Rußlands und jetzt auch Chinas in Syrien und möglicherweise im Irak ein umfassendes wirtschaftliches Aufbauprogramm folgt, das die in die Steinzeit zurück bombardierte Region Südwestasiens wirklich entwickelt und den Menschen dort die Zukunft ermöglicht, die sie jetzt nicht haben, kann die Völkerwanderung gestoppt werden. Das gleiche gilt für Afrika.

Das Schiller-Institut hat bereits 2012 flächendeckende Entwicklungsprogramme für Südeuropa, den Mittelmeerraum, Südwestasien und Afrika erarbeitet, die auf früheren Entwicklungsplänen aufbauten. 2014 veröffentlichte das assoziierte Nachrichtenmagazin EIR die Studie Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke, in die diese Studien aufgenommen sind. Die Grundidee besteht darin, ganz Südwestasien durch ein umfassendes Aufbauprogramm zu entwickeln, bei dem die Begrünung der Wüsten durch die Entsalzung von großen Mengen Meerwasser und andere moderne Methoden der Wassergewinnung wie Ionisierung der Feuchtigkeit der Atmosphäre sowie der Aufbau integrierter Infrastrukturprojekte, Industrie und Landwirtschaft und neuer Städte den Gesamtcharakter der Region völlig verändert.

Nur wenn die Armut beseitigt und vor allem den jungen Menschen - und da vor allem jungen Männern - eine wirkliche Zukunftsperspektive gegeben wird, kann das Problem des Terrorismus überwunden werden. Natürlich müssen auch die bekannten Quellen der Finanzierung dieses Terrorismus, wie z.B. Drogenanbau in Afghanistan und gewisse wahhabitische „Wohltätigkeitsorganisationen“, trockengelegt werden.

Es ist klar, daß ein solcher Paradigmenwandel nur zu verwirklichen ist, wenn alle wichtigen Mächte und großen Nachbarn der Region - also Rußland, China, Indien, Iran, Ägypten, europäische Nationen und hoffentlich auch die USA - zusammenarbeiten. Wenn die Völkerwanderung aus Südwestasien und Afrika gestoppt werden soll, muß die Geopolitik ad acta gelegt und durch Politik für die gemeinsamen Ziele der Menschheit ersetzt werden. Und zu diesen Zielen gehört auch der Sieg über den Terrorismus, der Europa ebenso bedroht wie Rußland, China, Indien und die USA, genauso wie die Notwendigkeit, zu verhindern, daß die Flüchtlingskrise die Grundfesten der europäischen Gesellschaft erschüttert.

Neben dieser Entwicklungsperspektive muß natürlich die Integration der bereits in Europa angekommenen Flüchtlinge sofort in Angriff genommen werden. In Deutschland leben heute rund 45 Millionen erwerbsfähige Menschen, 2050 werden es nur noch 29 Millionen sein, in mehreren anderen Staaten ist die Lage vergleichbar. Die Integration neuer Arbeitskräfte liegt also in unserem ureigensten Interesse. Warum sollen nicht junge arbeitsfähige Flüchtlinge umgehend in den Bau von einer halben Million Sozialwohnungen einbezogen werden? Die Finanzierung könnte genau wie das deutsche Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit von der Kreditanstalt für Wiederaufbau übernommen werden und hätte die gleiche wirtschaftliche Wirkung. Alleine die Ankündigung dieses Vorhabens, in Verbindung mit einer Verlängerung der Neuen Seidenstraße nach Südwestasien und Afrika, würde die gegenwärtige Verzweiflung und Zukunftsangst beseitigen und einer optimistischen Aufbruchsstimmung Platz machen.

Die engherzigen Bedenkenträger sollten sich die Frage stellen, ob sie wirklich glauben, daß die bisherige Politik gegenüber dem Nahen Osten und Afrika wirklich für immer so weitergehen könnte. Auf der positiven Seite ist festzuhalten: Durch Chinas Politik der Neuen Seidenstraße und Präsident Xi Jinpings Angebot einer „Win-Win-Zusammenarbeit“ beim Ausbau der Neuen Seidenstraße besteht bereits der Rahmen für die hier aufgezeigte Perspektive. Die Tatsache, daß die Studie Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke soeben in chinesischer Übersetzung erschienen ist und bei der Buchvorstellung die enthusiastische Unterstützung von Repräsentanten führender Wirtschaftsinstitute erhalten hat, verdeutlicht, daß in dieser Perspektive eine realistische Chance liegt, die Flüchtlingskrise wirklich auf eine völlig neue Weise zu überwinden, in der auf die Kooperation Rußlands, Chinas und Indiens gezählt werden kann. Sie muß nur ergriffen werden.