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Neue Solidarität
Nr. 45, 4. November 2015

Kommentar

Apropos: Verrohung

Jetzt, nach dem schrecklichen und zum Glück nicht tödlichen Attentatsversuch von Köln und den nicht hinnehmbaren Ausfällen bei der PEGIDA-Kundgebung am 19. Oktober in Dresden, beklagt Innenminister Thomas de Maiziere die „Verrohung“, die in diesem politischen Milieu eingetreten ist. Eine begrüßenswerte Erkenntnis, die allerdings recht spät kommt. Zu dieser Verrohung wäre es nicht gekommen, wären die Behörden schon zu Beginn der PEGIDA-Bewegung tätig geworden; daß es überhaupt einen ersten Geburtstag dieser Bewegung geben konnte, ist schon skandalös genug. Aber die Regierung ist auch untätig gegenüber anderen Aktivitäten, wie die Fälle NSU und NPD zeigen, wo sich die gerichtlichen Verfahren endlos hinziehen und durch das Mauern von Verfassungsschutzkreisen noch weiter verschleppt werden.

Am schlimmsten hat sich die Haltung der Bundesregierung und der Massenmedien in der Krise der Ukraine ausgewirkt, weil hier nicht nur der Putsch, mit dem die Verhandlungsbemühungen des Bundesaußenministers brutal hinweggefegt wurden, hingenommen wurde, sondern auch, weil danach alle Warnungen vor dem wachsenden Einfluß des neonazistischen Rechten Sektors in Kiew als angebliche „Putin-Propaganda” abgetan wurden. Dem Putschisten-Premier Jazenjuk wurde in Berlin sogar noch der rote Teppich ausgerollt - demselben Jazenjuk, der dann im deutschen Fernsehen behaupten konnte, die Sowjetunion habe den Zweiten Weltkrieg begonnen. Ein gewisser Josef Goebbels, laut dem die Polen den Krieg mit ihrem angeblichen Angriff auf den Rundfunksender Gleiwitz begonnen hatten, würde Jazenjuk wohl Beifall klatschen. Die antirussische Propaganda in den Massenmedien der Bundesrepublik tut ihr übriges, um das politische Klima in Europa zu vergiften.

Aber nicht nur das. Der deutsche und westliche Rückhalt für das Putsch-Regime in Kiew, das von Funktionären des Rechten Sektors in wichtigen Positionen durchsetzt ist, hat gleichdenkende Kreise im übrigen Europa Morgenluft wittern lassen. Organisationen wie die griechische „Goldene Morgenröte”, die tschechische DSSD und die deutsche NPD, die alle enge Kontakte zum Rechten Sektor in der Ukraine unterhalten, treten seit dem Kiewer Putsch vom Februar 2014 noch frecher auf als zuvor. Und die unflätigen Ausfälle von PEGIDA haben bei Spitzenfunktionären der AfD keine Berührungsängste ausgelöst - ganz im Gegenteil, Frauke Petry traf sich offenbar sogar in Räumen des sächsischen Landtags zum Kaffeeklatsch mit PEGIDA. Außerdem ist schwer verständlich, warum es bei mittlerweile mehr als 520 Zwischenfällen bei Flüchtlingsunterkünften (ein Drittel davon Brandanschläge) gerade einmal eine Handvoll Verhaftungen gibt und man zu den Ermittlungen - die hoffentlich laufen - in den Medien kaum etwas hört.

Dies und die deutsche und europäische Ukraine-Politik zu dulden und entweder nicht darauf zu achten oder mit Achselzucken hinzunehmen, unterminiert unser Staatswesen. Wir haben diese demokratische Republik nach dem Kriegsende nicht mühsam aufgebaut, um sie jetzt durch notorische Weg-Gucker und offen ausländerfeindliche Scharfmacher zugrunde gehen zu lassen.

Was not tut, ist aber mehr, als die Bundesbürger in zwei Lager aufzuspalten - PEGIDA und Anti-PEGIDA. In der Europapolitik muß ein Kurswechsel erfolgen: kein Rückhalt für die Putschisten in Kiew, keine Ausdehnung der NATO nach Osten, Wiederbelebung des Dialogs mit Rußland, keine weitere Hilfeleistungen für die NSA und den Drohneneinsatz. Überhaupt muß Schluß sein mit der Duldung permanenter westlicher Kriegführung seit 1990. Es muß endlich Frieden herrschen in Syrien, es darf keine Sabotage anderer westlicher Regierungen mehr geben wie die gegen den Syrien-Dialog-Plan von Bundesaußenminister Steinmeier von 2012, dessen Scheitern den Krieg in Syrien um drei Jahre verlängert hat. Eine „Friedensmacht zu sein”, wie es Deutschland seit 1945 sein will, das darf nicht nur auf dem Papier stehen, dafür muß die deutsche Politik etwas tun - und zwar weit mehr als die bisherigen „kleinen Schritte” der deutschen Außenpolitik. Es geht darum, daß die deutsche Politik existierende Spielräume nicht zuschüttet, wie mit ihrer Ukraine-Haltung und den Rußland-Sanktionen, und daß sie sich neue Spielräume für eine friedliche Außen- und Wirtschaftspolitik schafft.

Dazu gehört aber auch, daß einigen Leuten in London und Washington, die immer noch keinen Frieden in Syrien wollen und im übrigen auch keine Flüchtlinge von dort aufnehmen, von deutscher Seite deutlicher als bisher einmal die Meinung gesagt wird.

rap