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Neue Solidarität
Nr. 5, 28. Januar 2015

Wir brauchen eine europäische Schuldenkonferenz!

Von Dean Andromidas und Paul Gallagher

So wie das deutsche Wirtschaftswunder ohne die Londoner Schuldenkonferenz 1953 unmöglich gewesen wäre, so ist auch heute eine Erholung der europäischen Volkswirtschaften ohne eine Lösung der Schuldenfrage unmöglich.

Die beiden griechischen Oppositionsparteien SYRIZA und Unabhängige Griechen werben für eine europaweite Schuldenkonferenz nach dem Vorbild der Londoner Konferenz für das Schuldenabkommen 1953, mit dem Deutschlands Auslandsschulden geregelt wurden. Der Vorschlag macht derzeit Schlagzeilen in vielen europäischen Medien.

In einem Interview mit dem britischen Sender BBC4 sagte SYRIZA-Chef Alexis Tsipras: „Was wir fordern, ist eine europäische Konferenz, damit wir alle vereint dieses europäische Problem anpacken können. Es gibt keine andere Lösung des Problems, als die Streichung eines Großteils der Schulden, ein neues Memorandum über die Rückzahlung und eine neue Klausel über Entwicklung.“ Tsipras fuhr fort: „Tatsächlich bitten wir nicht um mehr Geld oder Kredite, um die alten Schulden zurückzuzahlen. Offensichtlich werden wir mit unseren Partnern verhandeln, damit wir alle gemeinsam die griechischen Schuldenfrage lösen.“

SYRIZA schlägt vor, daß eine solche Konferenz sich nicht nur mit den griechischen Schulden befassen sollte, sondern auch denen der anderen Länder, die mit der „Troika“ harte Sparmaßnahmen vereinbarten, um ihre bankrotten Banken zu stützen, wie Irland, Portugal, Zypern, und auch Europa insgesamt.

Der Londoner Guardian berichtete am 17. Januar, der SYRIZA-Vorschlag werde von einem der prominentesten Ökonomen Deutschlands, dem Leiter des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn, und anderen Ökonomen in Italien und Frankreich unterstützt.

Eine solche Konferenz wäre eine ausgezeichnete Chance, nicht nur die griechische Schuldenkrise beizulegen, sondern das ganze europäische Finanzsystem zu sanieren und zu reformieren. Das eigentliche Thema ist nicht die griechische Krise, sondern die notwendige Konkurssanierung der Eurozone und des transatlantischen Finanzsystems insgesamt.

Die wesentliche Aufgabe ist es dabei, die Souveränität der Nationalstaaten der Eurozone wiederherzustellen und nationale Kreditsysteme nach Hamiltonischen Prinzipien einzurichten, womit die Nationen Europas und Nordamerikas sich an dem weltweiten System der Entwicklung, das jetzt von den BRICS-Staaten und mit ihnen verbündeten Nationen aufgebaut wird, beteiligen können.

Das Londoner Schuldenabkommen von 1953

Das Vorbild der vorgeschlagenen Schuldenkonferenz ist die Londoner Konferenz 1952-53, die zum „Abkommen über deutsche Auslandsschulden“ von 1953 führte. Mit ihr wurden die deutschen öffentlichen und privaten Schulden aus der Zeit zwischen den Weltkriegen und die Schulden aus Marshallplan-Krediten geregelt.

Ein großer Teil der Schulden war seit 1934, als die Nazi-Regierung die Zahlungen einstellte, nicht mehr bedient worden. Die Konferenz strich die Gesamtsumme der deutschen Schulden von 38,8 Mrd.$ auf 14,5 Mrd.$ zusammen.

Vor allem die Vereinigten Staaten hatten in Verbindung mit dem Bretton-Woods-System und in einer gemeinsamen amerikanisch-französischen Erklärung von 1950 auf diese Konferenz gedrängt.

Die Londoner Schuldenkonferenz 1952-53 erwies sich wirtschaftlich als ein großer Erfolg und ermöglichte den Aufschwung der deutschen Wirtschaft, der als das „Wirtschaftswunder“ bekannt wurde. Ihr lagen Prinzipien zugrunde, die das genaue Gegenteil dessen sind, was die „Troika“ aus Weltwährungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Brüsseler EU-Kommission heute von den verschuldeten Nationen verlangen.

Diese Grundprinzipien waren:

Glass-Steagall-Prinzipien

Das wichtigste ist, daß all das im Rahmen eines Finanzsystems stattfand, in dem eine Glass-Steagall-artige Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken existierte und Geschäftsbanken der Handel mit Derivaten und anderen exotischen Finanzinstrumenten verboten war. Gleichzeitig gab es mächtige Kreditinstitute, allen voran die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Industrie und Infrastruktur finanzierten, was zur Vollbeschäftigung führte.

Seither hat es keine vergleichbare Schuldenrestrukturierung mehr gegeben, obwohl diese damals das deutsche „Wirtschaftswunder“ erst möglich machte. Im heutigen System wäre eine solche Restrukturierung unmöglich, vor allem, weil die Schulden Teil eines Kasinobankensystems sind, wo „Staatsanleihen“ inmitten eines Labyrinths von Derivaten und spekulativen Wertpapieren stecken.

Heute werden die Lösung der Schuldenfrage und die Erholung der Volkswirtschaften an der sogenannten „Peripherie“ der Eurozone, wie Griechenland, einem „Imperativ“ untergeordnet, der das Gegenteil bewirkt. Die Wall Street und die Londoner City drängen darauf, daß die EZB Billionen druckt, um den privaten Banken die Staatsschulden aller europäischen Länder abzukaufen.

Warum? Um ein paar Dutzend bankrotte Großbanken zu retten, die mit Billionen an faulen Schulden aus Immobilien-, Rohstoff- und anderen Spekulationen und Derivatgeschäften überladen sind - anstatt die Volkswirtschaften der betroffenen Nationen zu retten. Diese Bailout-Forderung wird jetzt in immer hysterischerem Tonfall von den Banken und ihren „Finanzexperten“ und Sprachrohren in den Medien erhoben. Wenn man diese Forderung erfüllt, wird ganz Europa in einer Nullwachstumsfalle gefangen sein, aus der es keinen Ausweg gibt, und der Euro würde dramatisch abwerten. Schon jetzt fällt der Euro, allein schon aufgrund der Erwartung der Geldschwemme dieser „quantitativen Lockerung“, unter seinen ursprünglichen Kurs gegenüber stärkeren Währungen.

Deshalb ist die einzige Lösung, das gesamte Banken- und Kreditsystem zu sanieren, so wie dies in den USA unter Franklin Delano Roosevelt geschah, als 1933 das Glass-Steagall-Gesetz beschlossen und die Reconstruction Finance Corporation (RFC) als nationales Kreditinstitut für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Großen Depression geschaffen wurde. Wenn sich die EU-Länder auf ein solches Vorgehen einigen, dann kann Europa eine produktive Lösung für die Schuldenkrisen von Griechenland, Irland, Portugal, Zypern usw. finden.

Eine Schuldenkonferenz 2015

Eine Europäische Schuldenkonferenz 2015 würde auf den Prinzipien des Abkommens von 1953 gründen, jedoch ganz anders ausschauen. Wie allgemein bekannt sein sollte, waren die Schuldenkrisen von Griechenland, Irland, Portugal etc. das Resultat des Zusammenbruchs des privaten transatlantischen Finanzsystems. Die sogenannten „Rettungen“ dieser Länder waren in Wirklichkeit eine Stützung des Bankensystems durch die europäischen Regierungen. Nur ein Zehntel der insgesamt rund 246 Mrd. Euro an „Rettungskrediten“, die die griechischen Regierungen in den letzten fünf Jahren erhielten, wurden in Griechenland ausgegeben, 90% flossen direkt an die europäischen Gläubigerbanken und -institutionen. Man verweigerte Griechenland sogar eine traditionelle Stützungsaktion des IWF, bei der ein kleiner Teil der Schulden erlassen worden wäre, weil schon der geringste „Haircut“, d.h. Schuldenschnitt, für die deutschen, französischen, britischen und anderen ausländischen Gläubigerbanken verheerende Konsequenzen gehabt hätte. Das gleiche gilt für Irland, Portugal und Zypern. In Spanien wurden die Banken gleich direkt gestützt.

Die Banken sind weiterhin hoffnungslos bankrott, einigen Berechnungen zufolge sitzen sie auf mindestens 2-2,5 Billionen € an notleidenden Krediten. Und das ist noch eine konservative Schätzung, denn die vielen Billionen Euro an Derivatrisiken sind darin noch gar nicht enthalten.

Der erste Punkt auf der Tagesordnung muß es also sein, eine Glass-Steagall-artige Bankenreform durchzuführen und durch eine vollständige Trennung zwischen den Geschäftsbank- und den Investmentaktivitäten das Kasinosystem der Banken, die „zu groß zum Scheitern“ sind, zu beenden.

Diese Trennung der Bankensparten bedeutet, daß auch die Vermögenswerte getrennt werden. Aktiva wie Kundeneinlagen, Staatsanleihen und Forderungen aus Krediten für die Realwirtschaft, deren Verlust schwerwiegende negative Folgen für die Volkswirtschaft hätte, werden vom Staat geschützt und dem Geschäftsbankensystem zugewiesen. Dieses würde auf der Grundlage vom Staat erlassener und überwachter Vorschriften arbeiten, die solchen Banken den Handel mit Aktien und Wertpapieren und andere spekulative Geschäfte untersagt.

Dann muß geprüft werden, welche spekulativen Papiere der Investmentbanken einen Wert haben und welche abgeschrieben werden müssen. Das wird natürlich zu einer dramatischen Verkleinerung dieser Banken führen, und viele von ihnen werden diese Reformen nicht überstehen.

Die Konferenz muß den nationalen Institutionen ihre souveränen Befugnisse zurückgeben, sie sind die einzigen anerkannten Autoritäten mit dem politischen und rechtlichen Mandat für eine Konkurssanierung des Bankensystems.

Offensichtlich darf eine solche Konferenz sich auf keine supranationalen Pläne einlassen, um zu versuchen, das bankrotte alte System auf Kosten der nationalen Regierungen und damit auch auf Kosten des Gemeinwohls zu retten.

Am Ende dieses Prozesses wird das Glass-Steagall-System, also das Umfeld, in dem die Londoner Schuldenkonferenz stattfand, wiederhergestellt sein.

Gründung einer europäischen Infrastruktur-Investitionsbank

Die zweite Aufgabe wird es sein, das Problem der Regierungsschulden zu lösen, ohne in Hysterie über eine mögliche „Ansteckung“ und einen „Zusammenbruch des Systems“ zu verfallen. Natürlich wird die Konferenz sich zunächst mit den Schulden aus dem „Bailout“ durch den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) befassen müssen, der geschaffen wurde, um von den Regierungen der EU garantierte Rettungskredite zu vergeben.

Zu diesen Schulden gehören die 246 Mrd.€ für den griechischen Bailout, die 76,8 Mrd.€ für Portugal, die 68 Mrd.€ für Irland, die 41 Mrd.€ für Spanien sowie kleinere Summen für Zypern, Ungarn, Lettland und Rumänien - insgesamt 487,75 Mrd. Euro. Der ESM wurde von den europäischen Regierungen mit 80 Mrd.€ an eingezahltem Kapital ausgestattet, darunter beispielsweise auch 2,81 Mrd.€ von Griechenland. Die Regierungen zeichneten insgesamt 700 Mrd.€ für den ESM, wovon ein Teil „unmittelbar abrufbar“ ist. Davon zeichnete Griechenland 20 Mrd.€. Die Kapitalreserve des ESM beträgt 200 Mrd.€.

Das Londoner Schuldenabkommen regelte die Schulden umfassend und endgültig, aber es gibt dafür verschiedene Wege. Einer davon ist der, für den man sich beim Londoner Abkommen entschied, nämlich einen Teil der Hauptschuld zu erlassen, die Zinsen zu senken und die Zahlungen an die Exporteinnahmen zu binden.

Aber darüber hinaus brauchen jetzt alle europäischen Nationen neue Kredite für die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur für ihre Volkswirtschaften, um die Produktivität und auch das Lohneinkommen der Bevölkerung in ganz Europa anzuheben. In Deutschland beispielsweise waren die Nettoinvestitionen in die volkswirtschaftliche Infrastruktur im letzten Jahrzehnt negativ - es verfiel mehr Infrastruktur, als neue geschaffen wurde. Die europäischen Großbanken geben dafür keine Kredite; faktisch geben sie auch nur sehr wenig Kredite an Unternehmen und Privathaushalte.

Der andere Weg zur Lösung des Problems wäre es, das aufzugreifen, was der erste US-amerikanische Finanzminister Alexander Hamilton tat: Er verwendete einen Teil der unbezahlten und teilweise unbezahlbaren Schulden aus dem Unabhängigkeitskrieg als Kapital für eine Nationalbank.1 Im aktuellen Fall könnte man die Anleihen, statt sie einfach abzuschreiben, als Kapital einer Europäischen Infrastruktur-Investitionsbank verwenden, die im idealen Fall mit der gesamten halben Billion Euro der ausstehenden „Bailout-Schulden“ ausgestattet werden könnte.

Der ESM hat einen großen Teil der Bailout-Schulden an private Finanzinstitute verkauft. Man könnte eine neue europäische Bank für Infrastrukturkredite oder eine neue Abteilung der inzwischen 60 Jahre alten Europäischen Investitionsbank (EIB) gründen, mit dem Zweck, Infrastrukturinvestitionen in Europa zu finanzieren. Die Halter der Schulden aus den Rettungspaketen - sowohl der ESM als auch die privaten Institute, die dem ESM diese Schulden abgekauft haben - würden eingeladen, diese Kredite zum vollen Nennwert oder zum aktuellen Marktwert in die neue Bank oder (je nachdem, was die an der Konferenz teilnehmenden Nationen beschließen) die neue Abteilung der EIB zu investieren. Dafür erhielten sie als Gegenwert Kapitalanteile der neuen Bank oder EIB-Abteilung mit einer 20- oder 25jährigen Laufzeit und einer jährlichen Verzinsung, die höher liegt als die durchschnittliche Rendite der Staatsschulden in der EU heute.

Man kann auch beide Ansätze miteinander verbinden, indem der ausgehandelte Schuldenschnitt nur für die Forderungen gilt, die nicht von den Anleihehaltern als Kapital in die neue Entwicklungsbank einbezahlt werden.

Auch wenn die Rückzahlung der Bailout-Schulden sich über einen langen Zeitraum erstrecken wird, könnte die neue Bank auf der Grundlage dieser Anleihen Kapital für ihre Arbeit aufnehmen, weil die Schulden von den Staaten der Eurozone garantiert sind. Ebenso wichtig ist es, den ESM zu verpflichten, 25-50 Mrd.€ seiner Kapitalreserve langfristig als Kapital der neuen Bank oder EIB-Abteilung zu investieren; europäische Regierungen können ebenfalls weiteres Kapital investieren.

Sogar die überschuldeten Regierungen, denen die Bailout-Schulden aufgeladen wurden - welche nun als Kapital der Bank über einen viel längeren Zeitraum zurückzuzahlen sind - könnten Kapital in der Bank anlegen.

Man könnte diese neue Bank Europäische Infrastruktur-Investitionsbank (EIIB) nennen. Sie kann mit der soeben gegründeten Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) bei Investitionen in eurasische Infrastruktur und „Vernetzung“ zusammenarbeiten. Chinas Regierung hat sehr deutlich gemacht, daß sie über die neue AIIB, den Seidenstraßenfonds, den Fonds für die Maritime Seidenstraße und seine Staatsbanken systematisch neue Infrastrukturinvestitionen außerhalb Chinas tätigen oder sich daran beteiligen will. Schon jetzt tätigt China solche Investitionen in Europa im Rahmen seiner Kooperation mit den ost- und südosteuropäischen Ländern (China-CEEC), zu denen auch Griechenland gehört. Die EIIB wäre ein natürlicher Partner für Chinas Direktinvestitionen im Ausland, womit man mehr Möglichkeiten hätte, in neue Infrastruktur in ganz Europa zu investieren.

Die neue Entwicklungsbank hätte ein weitreichendes Mandat zur Vergabe von Krediten für Infrastrukturprojekte, die Europa in Partnerschaft mit den BRICS-Staaten und anderen Nationen an die Weltlandbrücke anbinden. EIR hat viele dieser Projekte näher vorgestellt, so in  dem „Notprogramm für Wirtschaftswunder in Südeuropa, dem Mittelmeerraum und Afrika“2, das 2012 auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise erschien, und in dem neuen EIR-Bericht über die Weltlandbrücke (The New Silk Road Becomes The World Land-Bridge).

Was die Verkehrsverbindungen betrifft, hat Europa ein großes Defizit bei den Eisenbahnen. In Osteuropa ist der Zustand der Eisenbahnen katastrophal. Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und praktisch alle Balkanstaaten müssen ihre Bahnnetze runderneuern und ausbauen. Westeuropa hat zwar ein hochentwickeltes Eisenbahnnetz, es verkommt aber zusehends - nicht nur wegen des Sparzwangs, sondern auch, weil die Transportkapazitäten nicht ausreichen. In Deutschland kann Fracht auf vielen Strecken nur nachts befördert werden, weil die Gleise tagsüber für den Personenverkehr benötigt werden. Die Pläne für den Bau eigener Strecken für den Güterverkehr in Deutschland, Frankreich und Spanien sind bisher an der Sparpolitik gescheitert. In den Niederlanden wurde schon eine eigene Güterbahnstrecke vom Hafen Rotterdam zur deutschen Grenze gebaut, aber die versprochene Anschlußstrecke in Deutschland muß immer noch gebaut werden.

Schon jetzt fahren Güterzüge zwischen China und Deutschland, aber mit einem entsprechenden Ausbau würde sich die Fahrtdauer deutlich verkürzen.

Die zweite Priorität wäre der Ausbau der Binnenwasserstraßen. Zu den wichtigsten Projekten gehört der Seine-Nordeuropa-Kanal, der die Seine mit der Schelde verbinden und so die Schiffahrt zwischen Paris und den westeuropäischen Großhäfen Antwerpen und Rotterdam ermöglichen soll. Weitere wichtige Projekte sind der seit langem geplante Donau-Oder-Elbe-Kanal, der die Donau durch Tschechien, Deutschland und Polen mit der Nord- und der Ostsee verbinden soll, und der Donau-Ägäis-Kanal durch Serbien, Makedonien und Griechenland, für den die Chinesen bereits eine Machbarkeitsstudie erstellt haben. Ein weiteres Projekt wäre die Wiederherstellung des Kanalnetzes in Polen, was den deutschen Mittellandkanal mit dem Kanalnetz in Weißrußland und das westeuropäische Wasserstraßennetz mit dem Dnjepr und der Wolga verbinden und Schiffsverkehr bis ans Schwarze Meer und ans Kaspische Meer ermöglichen würde.

Zusammen mit der EIIB könnte jedes Land in Europa eine entsprechende nationale Entwicklungsbank schaffen, die Kredite von der EIIB erhält und selbst wiederum Kredite an Behörden und Unternehmen vergibt, die diese Projekte realisieren.

Diese Institute könnten auch mit Entwicklungsbanken außerhalb Europas zusammenarbeiten, insbesondere der AIIB, die im vergangen Jahr von China initiiert wurde und an der inzwischen 22 asiatische Staaten beteiligt sind. In dem Rahmen würde z.B. Kredit für Projekte in China bereitgestellt, die europäische Unternehmen ausführen, oder für Projekte in Europa, die chinesische Unternehmen ausführen. Man könnte sogar China, Rußland und andere Länder in Eurasien und Afrika einladen, der EIIB beizutreten.

China engagiert sich immer stärker auf dem Balkan und in Osteuropa. Es hat einen Containerterminal im griechischen Hafen Piräus gepachtet und dort bereits mehrere hundert Millionen Euro investiert, und es hat den Korridor Piräus-Belgrad-Budapest und dessen Fortsetzungen als Hauptkorridor für seine Warentransporte nach Mitteleuropa ausgewählt. China unterstützt die Länder entlang dieses Korridors jetzt schon bei der Modernisierung und dem Ausbau ihrer Eisenbahnen. Ende letzten Jahres veranstaltete China ein Gipfeltreffen mit 16 Staaten Mittel- und Osteuropas, bei dem diese und andere Projekte im Mittelpunkt standen.

Dabei muß nochmals daran erinnert werden, daß nach den Prinzipien des Londoner Schuldenabkommens den Schuldnerländern keine Bedingungen auferlegt werden - insbesondere keine Austeritätsmaßnahmen oder sogenannte „Strukturreformen“, die in der Regel direkte Angriffe auf die Arbeitnehmer sind oder dem Land eine radikale Freihandelspolitik aufzwingen, die die einheimische Industrie und Landwirtschaft unterminiert. Statt dessen sollte man nationale Institutionen aufbauen und stärken, damit die schwächeren Volkswirtschaften diese Projekte besser verwirklichen können.

Damit würde die EIIB eine der wichtigsten Einrichtungen für die Einbindung Europas in die Weltlandbrücke und in das neue Paradigma des wirtschaftlichen Fortschritts, das derzeit von den BRICS-Staaten und ihren Verbündeten entwickelt wird.

Kann der Euro überleben?

Wenn die Nationen der EU mit gutem Willen am Verhandlungstisch zusammenkommen und entschlossen sind, gemeinsam die Probleme zu lösen, um zum Aufbau einer gedeihenden Gemeinschaft von Nationen beizutragen, dann läßt sich auch die Euro-Frage ohne die Hysterie angehen, die die Debatte seit dem Beginn der Krise auszeichnet.

Die Eurozone wurde geschaffen, weil das dem System der „systemrelevanten“ Großbanken diente. Die Krise hat gezeigt, daß die Prinzipien, auf deren Grundlage die Eurozone konstruiert wurde, nicht funktionieren - mit katastrophalen Konsequenzen für Länder wie Griechenland.

So wie es die Schweiz gerade getan hat, werden auch Länder in der EU, die ihre Landeswährungen behalten haben, ihre Bindung an den Euro aufgeben.

Wenn es weiter eine gemeinsame europäische Währung geben soll, dann muß sie mit dem neuen Kreditsystem, das im Anschluß an die Glass-Steagall-Reform entstehen sollte, vereinbar sein und dem Bedürfnis der europäischen Nationen dienen, sich zu entwickeln. So brauchen beispielsweise Länder mit großen Infrastrukturdefiziten, wie Griechenland und Portugal, zusätzlich zu ihren eigenen Mitteln ausländische Kredite für den Infrastrukturausbau, anstatt spekulative Immobilienprojekte zu fördern, wie dies in Spanien, Griechenland und anderen Ländern geschehen ist.

Diese Nationen werden wieder ein eigenes gesetzliches Zahlungsmittel in Form eigener Landeswährungen in Umlauf bringen müssen, um die Staatsbediensteten, Projekte, die beauftragten Unternehmen etc. zu bezahlen, und um im Inland Anleihen für Investitionen in die nationale Produktivität auszugeben - und auch um spezielle Steuern und Abgaben zu erheben, um diese nationalen Schulden zu finanzieren.

Es wird sich dann bald zeigen, daß diese Aufgabe sich am effizientesten bewältigen läßt, wenn man den Nationalstaaten ihre souveränen Befugnisse zurückgibt. Mit einer Rückkehr zu Kreditsystemen auf der Grundlage von Nationalbanken kann eine Europäische Infrastruktur-Investitionsbank Kredite für die entsprechenden Infrastruktur- und Industrieprojekte vergeben, um Europa in die Perspektive der Weltlandbrücke der BRICS-Staaten zu integrieren.


Anmerkungen

1. Vgl. Paul Gallagher und Michael Kirsch, „Die Weltlandbrücke 2064 finanzieren“, Neue Solidarität 51-52/2014.

2. Siehe Neue Solidarität 24-26/2012.