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Neue Solidarität
Nr. 50, 9. Dezember 2015

Scharfe Kritik in der Türkei an Ankaras verrückter Politik

Der Abschuß des russischen Kampfbombers durch die türkische Luftwaffe löste auch in der Türkei energischen Widerspruch aus.

Daß die Türkei als erstes NATO-Land in der Geschichte überhaupt ein russisches Flugzeug abgeschossen hat, und dies zudem in einer offenbar geplanten Aktion, halten viele in der Türkei für völligen Irrsinn, wie sich an den Aussagen wichtiger Kommentatoren und Politiker ablesen läßt. Hinter der Aktion stehen der „Möchtegern-Sultan“ Präsident Erdogan und sein Kumpan und Handlanger, Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, die davon träumen, in Südwestasien ein neues Osmanisches Reich zu gründen.

Wie die Neue Solidarität schon im Herbst 2012 berichtete (37/2012), ist Davutoglu in der Türkei einer der größten Unterstützer der Weltkriegspolitik des Britischen Empire und seiner Marionette Barack Obama. In der gegenwärtigen geopolitischen Lage ist die Türkei der Schlüssel zu allen britisch inspirierten Kriegsplänen in der Region, weil sie NATO-Mitglied ist und gemeinsame Grenzen mit Syrien und dem Iran hat.

Die von Erdogan und Davutoglu regierte Türkei ist heute Teil einer von Briten und Saudis geführten sunnitischen Allianz, die in Syrien die Opposition bewaffnet und unterstützt, darunter extremistische Salafisten, Al-Kaida-Terroristen und Kämpfer des „ISlamischen Staats“, die meistens keine Syrer sind.

Dieses sunnitische Bündnis hat die Türkei im Innern ernsthaft destabilisiert, es widerspricht den Grundlagen der türkischen Gesellschaft, die traditionell ein Mosaik verschiedener islamischer Richtungen von konservativen Sunniten bis hin zu Schiiten und Sufis bildet, die von sehr unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen praktiziert werden.

Wie EIR schon 2012 von einem türkischen Geheimdienstexperten erfuhr, unterstützt Davutoglu diese Politik trotzdem, weil er einem extrem konservativen Islam anhängt, wie er in Saudi-Arabien praktiziert wird. Davutoglus Überzeugungen reichen auf den islamischen Gelehrten Ibn Tajmija (Taymiyyah) im 13.-14. Jahrhundert zurück, der eine der konservativen religiösen Schulen vertrat, der heute die saudischen Wahabiten anhängen. Diese Schule erkennt nur diejenigen als „wahre Gläubige“ an, die einen gewissen „ontologischen Abstand“ zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen akzeptieren. Dies ist allen Fundamentalisten gemeinsam, Davutoglu nennt es die „ontologische Hierarchie“.

Davutoglu glaubt, das Osmanische Reich sei ein Religionsimperium in diesem Sinne gewesen, und das erklärt, warum sich die Türkei heute an dieser seltsamen sunnitischen Allianz beteiligt. Davutoglu denkt, das Osmanische Reich „habe gute Politik und schlechte Politik gemacht, aber Gott der Allmächtige vervielfachte die guten Resultate der guten Politik und unterdrückte die schlechten Resultate der schlechten Politik. Auf diese Weise gelang es dem Reich, 600 Jahre lang zu bestehen und zu herrschen.“

Deshalb könne man die imperiale Macht wiedergewinnen, wenn eine politische Gruppe oder die Türkei als ganze Nation oder wenigstens deren Führung an die ontologische Hierarchie glaube und entsprechend handle. „Nach Davutoglus Überzeugung braucht man politische Bündnisse mit mächtigen Partnern, die der Türkei zu Macht verhelfen, um weiterzukommen. Es ist irrelevant, ob diese Mächte gut oder böse sind. Die Türkei könnte sogar einen Faustischen Pakt eingehen, aber dank ihres Glaubens und des Allmächtigen Gottes wird die Türkei am Ende triumphieren.“

Wie schon gesagt, gibt es nun, nach dem Abschuß des russischen Kampfbombers, entschiedenen Widerspruch gegen die Politik der türkischen Regierung.

So sagte der Vizechef der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Idris Baluken, nach Angaben eines Berichts der Zeitung Hurriyet am 25. November, der Vorfall sei offensichtlich geplant gewesen. Erdogans Partei AKP mische sich in Syrien ein, um die Offensive gegen „Banden wie Ahrar Al-Scham und Al-Nusra“ zu sabotieren. In Wirklichkeit gehe es der AKP trotz anderslautender Behauptungen gar nicht darum, die Turkmenen in Syrien zu schützen - sonst hätte sie 2014 nicht tatenlos zugesehen, als ISIS turkmenische Gebiete im Irak massiv angriff.

Auch Kemal Kilicdaroglu von der Republikanischen Volkspartei (CHP) griff bei einem Parteitreffen am 25. November Erdogan scharf an. Das eigentliche Thema hier sei Erdogans Unterstützung für den Islamischen Staat. „Wer ist der Hauptverantwortliche für dieses Bild? Wer zieht die Türkei in den Nahost-Morast? Wer sind die Leute, die ISIS-Terror in die Türkei importieren?“

Der Hurriyet-Kommentator Yusuf Kanli schrieb, „die allmächtige Staatsführung spielt wahnsinnige Spiele“. Er erinnerte daran, daß Regierungschef Davutoglu - „der kleine Pinocchio“ - kürzlich im Parlament selbst zugegeben hatte, daß die Regierung den Turkmenen in Syrien Waffen liefert und daß Waffen auf Lastwagen, die vor zwei Jahren aufgehalten wurden, für die „vom syrischen Regime angegriffene turkmenische Bevölkerung“ bestimmt waren. Zu dem Zeitpunkt jedoch hatte er noch geschworen, die LKWs hätten nur „humanitäre Hilfsgüter“ transportiert. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, wurde am 29. November bekannt, daß die beiden Offiziere, die diese LKWs aufgehalten hatten, kürzlich inhaftiert wurden.

Kanli schließt mit der Aufforderung, die wahnsinnigen Spiele zu beenden und statt dessen realistische Diplomatie zu betreiben. „Die Türkei muß wieder zu ihrer Rolle als Friedensstifter und älterer Bruder zurückkehren und ihre sektiererische, expansionistische Außenpolitik vergessen.“

Obwohl bekannt ist, daß die Türkei Dschihadisten in Syrien unterstützt, das russische Flugzeug abschoß und die Ermordung eines der russischen Piloten verteidigte, einigte sich die EU-Führung am 29. November bedenkenlos mit einem strahlenden Davutoglu auf Milliardenhilfen für Flüchtlingslager in der Türkei, und wenige Tage später versicherte die NATO die Türkei ihrer vollen Unterstützung. So machen sich EU und NATO zu Komplizen.

eir