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Neue Solidarität
Nr. 8, 18. Februar 2015

Auch nach dem Minsker Abkommen:
Wir müssen die Kriegsgründe beseitigen!

Von Alexander Hartmann

Am Vormittag des 12. Februar herrschte nicht nur in der weißrussischen Hauptstadt Minsk große Erleichterung, als sich die Präsidenten von Rußland, Frankreich und der Ukraine - Wladimir Putin, François Hollande und Petro Poroschenko - sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach 17stündigen Verhandlungen auf die Modalitäten einer Waffenruhe und weiterer Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts in der Ukraine geeinigt hatten. Aber damit ist die Gefahr noch lange nicht gebannt.

Helga Zepp-LaRouche kommentierte die Vereinbarung von Minsk in ihrem BüSo-Internetforum am 12. Februar mit der Feststellung, sie sei „ein großer Schritt“ und „ein vorläufiger Erfolg“. Trotzdem warnte sie: „Die Tücke liegt im Detail. Es bleibt abzuwarten, ob alle Seiten - vor allem in der Ukraine - bereit sind, sie auch umzusetzen.“

Hintergrund der Initiative von Merkel und Hollande sei die Erkenntnis gewesen, daß es im Fall der ursprünglich angekündigten US-Waffenlieferungen zu einem großen Krieg in Europa zwischen Rußland und der NATO gekommen wäre. Diese Erkenntnis habe sogar ihren Niederschlag in den Massenmedien gefunden. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf einen Bericht von Spiegel Online „Nato-Rußland-Krise: Das nukleare Gespenst kehrt zurück“1 vom 8. Februar, in dem festgestellt wurde: „Die Ukraine-Krise hat die NATO und Rußland in den Kalten Krieg zurückgeworfen. Die Zusammenarbeit bei der nuklearen Sicherheit wurde eingestellt, ein ,Rotes Telefon’ gibt es nicht mehr. Experten halten das für extrem gefährlich“ - womit Spiegel Online fast wortwörtlich die Warnungen aufgriff, die Helga Zepp-LaRouche in den letzten Wochen immer wieder ausgesprochen hatte.

Das Magazin zitiert den US-Diplomaten Richard Burt, der als Chefvermittler 1991 den START-Vertrag zwischen den USA und der Sowjetunion eingefädelt hatte: „Sowohl die russischen als auch die amerikanischen Atomwaffen sind nach wie vor auf hoher Alarmbereitschaft. Beide Seiten können landgestützte Atomraketen in weniger als 15 Minuten starten.“

Spiegel Online zitiert auch den früheren russischen Außenminister Iwanow, im Kalten Krieg habe es zahlreiche Sicherheitsmechanismen gegeben - „eine riesige Menge an Verträgen und Dokumenten, die sichergestellt haben, daß es zu keiner militärischen Konfrontation zwischen der Sowjetunion und der NATO kommt... Heute ist die Kriegsgefahr größer.“

China ins Spiel bringen

Wenn „Minsk II“ funktionieren solle, betonte Helga Zepp-LaRouche, „dann müssen die Rahmenbedingungen geändert werden“. Es sei notwendig, den Kriegsgrund zu beseitigen - und das sei die Tatsache, daß das transatlantische Finanzsystem kurz vor der Auflösung steht. „Solange dieses Problem nicht behoben ist, fürchte ich, wird die Kriegsgefahr nicht gebannt sein.“

Interessant und sehr gut sei in diesem Zusammenhang ein Kommentar des Beijing-Korrespondenten der Deutschen Welle, Frank Sieren, vom 11. Februar.2 Sieren kritisierte in seinem Kommentar die „kurzsichtige Sichtweise“ des Westens, die dafür verantwortlich sei, „daß sich der Westen wundert, warum die Sanktionen Putin noch nicht zur Vernunft gebracht haben“. Der Grund dafür sei die Unterstützung Rußlands durch die BRICS-Staaten, die sich von der westlichen Rußlandpolitik distanziert hätten, weil sie ganz andere Interessen haben. Auch wenn der Westen Rußland aus der G-8 ausgeschlossen habe, habe Moskau „immer noch seinem Platz am Tisch der BRICS, neben Brasilien, China, Indien und Südafrika. Keines dieser Länder wird Putin in der Stunde der Not im Stich lassen. Im Gegensatz zu dem, was der Westen gerne glauben will, können die BRICS-Länder nicht im Zaum gehalten werden.“ Die Welt bestehe nicht mehr aus nur zwei Blöcken.

Helga Zepp-LaRouche begrüßte die Idee, China in die diplomatischen Bemühungen um eine Entschärfung des Konfliktes in der Ukraine einzubinden. „Das ist sogar ein sehr guter Vorschlag.“ Denn die Politik, „die darauf hinzielte, Rußland zu isolieren und durch die Sanktionen und den Ölpreiskrieg so zu schwächen, daß dann der ,Maidan’ nach Moskau hineingetragen werden könnte“, werde sowieso nicht funktionieren. Die Behauptung, Rußland liege wirtschaftlich am Boden, sei ebenso Unsinn wie die, Rußland sei international isoliert.

Die Realität sei vielmehr, daß die BRICS-Staaten „umfangreichste Verträge zur wirtschaftlichen, strategischen, wissenschaftlichen und anderen Kooperation abgeschlossen haben... Das wird nicht mehr weggehen.“ Je mehr der Westen auf Sanktionen gesetzt habe, um Rußland zu isolieren, desto mehr habe sich das Bündnis zwischen Rußland, China, Indien, Brasilien und Südafrika gefestigt, die ihrerseits wiederum mit so vielen Staaten umfangreiche Kooperationsabkommen geschlossen haben, „so daß im Grunde eine parallele, viel optimistischere Weltwirtschaftsordnung entstanden ist“.

Aber noch aus einem anderen Grund sei der Vorschlag, China einzubinden, sehr sinnvoll, denn die Ukraine sei zur Hälfte pro-westlich - der westliche Teil sei katholisch und pro-europäisch -, die andere Hälfte - der östliche Teil, in dem sich die Republiken von Donezk und Lugansk entwickelt haben - orthodox und pro-russisch. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Ukraine seien inzwischen dramatisch. „Deshalb ist die einzige wirkliche Lösung, die für eine Befriedung der Ukraine existiert, die Einbettung in die Eurasische Landbrücke, in die Neue Seidenstraße, in die Kooperation zwischen Europa und Asien im Aufbau der Weltlandbrücke - also genau dem Programm, das die chinesische Regierung seit mehr als anderthalb Jahren auf die Tagesordnung gesetzt hat.“ Inzwischen seien weltweit bereits mehr als 50 Staaten mit 4,4 Milliarden Menschen an diesen Wirtschaftsverträgen beteiligt.

Sie fuhr fort: „Es würde absolut Sinn machen, wenn Europa sagen würde: Wir kooperieren mit den BRICS-Staaten in dieser Aufbauperspektive. Dann wäre die Ukraine eine ganz natürliche Brücke zwischen West und Ost und könnte dann auch davon profitieren.“ Wenn eine solche Ebene der Kooperation gefunden würde, würden auch die strategischen Spannungen verschwinden. „Wenn Rußland mit der EU oder mit europäischen Nationen kooperiert, und die anderen BRICS-Nationen auch, dann wäre eine Basis für die Einheit der Ukraine und eine wirtschaftliche Erholung gegeben.“

Frankreichs Haltung hat sich geändert

Ein wichtiger Faktor beim Zustandekommen des Minsker Abkommens sei die französische Haltung gewesen, betonte sie. Nicht nur Präsident Hollande habe sich gegen die Konfrontation mit Rußland gestellt, sondern praktisch das gesamte politische Spektrum, von Sarkozy und Hollande bis zur Linken und der Kommunistischen Partei, sei überzeugt, daß die Konfrontation wirklich der Selbstmord Europas wäre und man mit Rußland kooperieren müsse. In Frankreich gebe es auch intensive Diskussionen über die Haltung gegenüber Griechenland und die Kooperation mit China beim Aufbau der Seidenstraße.

Aus ihren Gesprächen wisse sie aber auch, daß auch in Deutschland erkannt werde, „daß dieser bedingungslose Gehorsam gegenüber einer Linie, die von Washington und London kommt - der Konfrontation mit Rußland -, die Gefahr beinhaltet, daß die Menschheit ausgelöscht wird“. Deshalb gebe es im Hintergrund - „oder im Untergrund, kann man schon fast sagen“ - sehr viele Diskussionen über die Notwendigkeit, auch die Kooperation mit der Seidenstraße und die ganze BRICS-Perspektive auf die Tagesordnung zu setzen.

„Wir sind jetzt in diesen Tagen in einem völligen Umbruch“, betonte sie. „Wir sind am Ende des Euro - der Euro ist dabei, auseinanderzufliegen. Und jeder weiß: die Derivate - die ausstehenden Derivatkontrakte der großen Banken - sind nicht mehr zu bedienen.“

Das sei der Grund dafür, daß die Hysterie gegenüber Griechenland so groß ist. Es gebe inzwischen sehr viele Ökonomen, die fordern, Griechenland müsse eine Schuldenkonferenz bekommen - genauso, wie 1953 Deutschland 60% seiner Schulden erlassen wurden. „Ohne das wäre das deutsche Wirtschaftswunder nie zustande gekommen. Warum kann man nicht heute gegenüber Griechenland die gleiche Großzügigkeit üben?“ Vor allem, weil die „Griechenlandhilfen“ gar nicht in Griechenland angekommen seien, sondern nur dazu gedient haben, die europäischen Großbanken zu retten. Aber das werde bisher nicht ernsthaft erwogen, „weil jeder weiß: In dem Augenblick, wo eine solche Schuldenkonferenz stattfände, hätte das eine Kettenreaktion - daß nämlich die gesamten europäischen Banken, und aufgrund des Swap-Abkommens zwischen der EZB und der Federal Reserve auch die gesamte Wall Street, augenblicklich bankrott gingen.“

Deshalb werde auf Griechenlands Forderungen in der Weise reagiert, „wie das der Herr Schäuble oder der Herr Dijsselbloom tun, nämlich eine ganz harte Linie zu fahren“. Das sei aber sehr kurzsichtig, „das ist wie die Haltung von Honecker drei Wochen vor dem Fall der Mauer… Genauso ist es jetzt in Bezug auf die Eurozone, die eben auch davor steht, sich aufzulösen.“

Wenn diese harte Linie weiterverfolgt werde, bestehe die Gefahr, daß alles im Chaos ende, und Chaos sei genauso gefährlich wie ein Weltkrieg, nicht zuletzt, weil aus dem Chaos ein Weltkrieg entstehen könne. „Wenn wir politisch in eine Situation geraten, wo sich keiner mehr durchsetzen kann, und eine Art Sackgasse erreicht wird, dann ist die Gefahr eines chaotischen Zusammenbruchs am größten. Deshalb ist die einzige Chance, daß man die Krise zur Chance macht und sagt, wir machen nicht nur für Griechenland eine Schuldenkonferenz, sondern für ganz Europa. Und daß man das zum Anlaß nimmt, die gesamte Verschuldung der europäischen Banken in einer ordentlichen Weise zu reorganisieren und dann durch ein Kreditsystem zu ersetzen.“ Das müsse ganz kurzfristig geschehen, „denn alles andere greift zu kurz“, betonte sie.


Anmerkungen

1. http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-krise-steigert-atomkrieg-gefahr-zwischen-nato-und-russland-a-1017331.html

2. http://www.dw.de/sierens-china-beijings-diplomatic-role-in-the-ukraine-crisis/a-18250458