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300 Ökonomen aus aller Welt - viele davon Mitglieder der Gruppe „Ökonomen für Frieden und Sicherheit“ - unterstützen in einem Offenen Brief, der am 5. Februar in der französischen Online-Zeitung Mediapart veröffentlicht wurde, die Forderung der neuen griechischen Regierung nach einer europäischen Schuldenkonferenz. In dem Brief heißt es:
„Wir Unterzeichner fordern die Regierungen Europas, die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und den Weltwährungsfonds auf, die Entscheidung des griechischen Volkes zu respektieren, einen neuen Kurs zu wählen und mit der neuen Regierung Griechenlands nach Treu und Glauben Verhandlungen über die Lösung der griechischen Schulden aufzunehmen.
Die griechische Regierung hat Recht, auf einer neuen Politik zu bestehen, weil die bisherige Politik gescheitert ist. Sie hat keine Erholung der Wirtschaft gebracht. Sie hat keine Finanzstabilität gebracht. Sie hat keine Arbeitsplätze oder ausländische Investitionen gebracht. Sie hat die griechische Gesellschaft belastet und geschädigt, und die Institutionen Griechenlands geschwächt. Dieser Ansatz hat also keinen Wert und brachte keine Fortschritte, die zu erhalten wären. Wir fordern die europäischen Partner Griechenlands auf, diese Realität zu akzeptieren, ohne die die neue Regierung niemals gewählt worden wäre.
Griechenland braucht sofortige humanitäre Maßnahmen, einen höheren Mindestlohn, neue Arbeitsplätze, neue Investitionen und Schritte, um die grundlegenden Dienstleistungen wie die Bildung und die Krankenversorgung wiederherzustellen und zu verbessern. Es braucht ein stärkeres und progressiveres Steuersystem, das weniger von der Umsatzsteuer abhängt und besser in der Lage ist, die Einkommen und Vermögen zu besteuern. Es muß die Korruption bekämpfen, bestrafen und ausmerzen. Die neue Regierung braucht einen fiskalischen Spielraum, um diese Maßnahmen umzusetzen und ihren Wert zu demonstrieren...
Die griechische Regierung hat recht, um eine Streichung der Schulden zu bitten, die es den europäischen Partnern schuldet. Diese Schulden sind unerträglich und werden daher sowieso nicht bezahlt werden. Es bedeutet daher auch keinen wirtschaftlichen Verlust für die anderen Nationen oder deren Steuerzahler, sie abzuschreiben. Im Gegenteil, ein Neustart für Griechenland wird seinen Partnern neue Aktivität, Einkommen, Arbeitsplätze und Profite bringen. Wir fordern Griechenlands Gläubiger auf, diese Chance zu ergreifen und ihren Völkern diese Fakten klar und offen zu erläutern...“
Ein Erfolg Griechenlands kann Europa den Weg zu einer neuen Prosperität und Stabilität weisen, mit einer neuen Rolle für die Demokratie und einer neuen Offenheit für Wahlen, die einen konstruktiven Wandel bringen. Wir stehen auf der Seite Griechenlands, Europas, der Demokratie und des Wandels. Wir fordern Europas Anführer auf, die besondere Grundlage für die griechischen Entscheidungen in einer hart erkämpften und entschlossenen demokratischen Wahl anzuerkennen, und sich für den Weg der realistischen Einschätzung und vernünftiger Verhandlungen zu entscheiden...“
Der Grund dafür, daß die EZB jeden Schuldenschnitt für Griechenland kategorisch ablehnt, obwohl offensichtlich ist, daß das Land die Schulden unter keinen Umständen zahlen kann, liegt darin, daß schon ein geringer Schuldenschnitt die gigantische Derivatblase platzen ließe, weil auf den Schulden eine riesige Pyramide von Kreditausfallswaps aufgebaut wurde. Das ganze System müßte in sich zusammenstürzen.
Ein Arbeitspapier des Levy-Instituts des Bard College (US-Staat New York) vom November 2014 über Lösungen der griechischen Schuldenkrise zeigt, wie beunruhigt die Finanzmärkte über die Möglichkeit eines Platzens der Derivatblase sind. Die Denkfabrik beschreibt die Risiken eines traditionellen Schuldenschnitts (wie z.B. für Deutschland 1953, bevor Derivate existierten) für Griechenland heute:
„Ein wichtiger Faktor, den man berücksichtigen sollte, ist die Schlüsselrolle von Staatsschulden (entwickelter kapitalistischer Volkswirtschaften) nicht nur als Grundlage für Fremdfinanzierung, sondern auch als Rohmaterial für viele komplexe Finanzprodukte - ein wesentliches Element für die Liquidität der Schattenbanken und ein Hauptwertbesitz institutioneller Anleger (Rentenkassen etc.). Signifikante Veränderungen beim aktuellen Wert von Staatsschulden können auf keinen Fall eine Lösung des aktuellen Schuldenüberhangs sein, weil damit das Problem wieder zurück auf den Finanzsektor und institutionelle Anleger und damit auf das Staatsbudget verlagert wird.“
Sogar Paul Singer vom Geierfonds-Imperium Elliot Management, der nicht nur Argentinien frontal angreift, sondern auch seit mehr als einem Jahrzehnt am Goldman-Sachs-Betrug gegen Griechenland beteiligt ist, hat eingeräumt, daß die Derivatblase bei einem Schuldenschnitt unhaltbar wird. Valuewalk.com zitierte Singer am 6. Februar, das Finanzsystem habe in seinem Derivatwahn die Orientierung verloren:
„Wenn nur ein Bruchteil der Derivate Risikogeschäfte sind, unabhängig davon, ob sie andere Risiken absichern sollen, dann ist die effektive Fremdfinanzierung der großen Geldinstitute der Welt ein Vielfaches dessen, was in ihren Bilanzen auftaucht. Darüber hinaus leisten institutionelle Anleger volle sechs Jahre nach dem Kollaps immer noch keinen Ersteinschuß bei gegenseitigen bilateralen Derivatgeschäften [d.h. sie hinterlegen keine finanzielle Sicherheit]. Diese fehlende allgemeine Verpflichtung zum Ersteinschuß ist der Hauptgrund dafür, daß die Derivatgeschäfte so groß geworden sind.“
Wie wir oft betont haben, kann die Lösung nur in einer Glass-Steagall-Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken liegen.