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Neue Solidarität
Nr. 22, 2. Juni 2016

AfD: Alter Wein in neuen Schläuchen?

– Teil 2 –

Von Helga Zepp-LaRouche

Es ist extrem verkürzt und deshalb falsch, wenn Horst Seehofer behauptet, daß die falsche Zuwanderungspolitik von Angela Merkel der Grund für den Zuwachs der AfD sei. Natürlich war der Anstieg der Flüchtlingszahlen ein gefundenes Fressen für AfD-„Führer“ wie Björn Höcke, der mit demagogischen Argumenten gezielt die sozialen Ängste der Bevölkerung wachrief.  Natürlich haben die Flüchtlinge bisher noch nie etwas in die Sozialkassen eingezahlt, wie eines seiner Lieblingsthemen lautet, aber wie hätten sie dies auch tun sollen? Vielleicht, indem sie in früheren Jahren bei der amerikanischen oder britischen Botschaft ihres Landes einen Kredit dafür hätten aufnehmen sollen - als Entschädigung für die Zerstörung ihrer Wohnungen durch geopolitisch motivierte Kriege?

Das Beispiel macht deutlich, wie man durch Feststellungen, die zwar eng gesehen an sich nicht falsch sind - nämlich, „die Flüchtlinge haben noch nie etwas in die Sozialkassen eingezahlt“, dennoch eine Falschheit kommuniziert, weil sie einen komplexen Umstand, wie den, warum die Flüchtlinge überhaupt zu solchen geworden sind, auf einen sehr reduzierten Aspekt vereinfacht.

Der erste Impuls von Frau Merkels Flüchtlingspolitik mit ihrem Wort, „Wir schaffen das!“, war richtig und in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskovention. Was sie dann anschließend hat falsch werden lassen, war, daß sie zwar hin und wieder davon sprach, man müsse die Fluchtursachen beheben, aber nie ausgesprochen hat, was diese Fluchtursachen sind.

Dann hätte man nämlich auf die Rolle Saudi Arabiens beim 11. September, die als Folge dieser Anschläge auf Lügen aufgebauten Kriege der USA in Südwestasien und die Rolle der „Verbündeten“ Saudi Arabien und Türkei bei der Finanzierung der diversen wahhabi-islamischen Organisationen, von Al-Kaida bis zu Al-Nusra und ISIS, zu sprechen kommen müssen, anstatt zur Begrenzung des Zuzugs der Flüchtlinge ausgerechnet auf diese beiden Staaten zu setzen.

Angesichts des Sturms, der in diesen Tagen in den USA um die wohldokumentierte Rolle Saudi-Arabiens bezüglich der Unterstützung terroristischer Organisationen herrscht - man denke hier an die einstimmige Abstimmung des US-Senats bei dem sogenannten JASTA-Gesetz und den Kampf um die Veröffentlichung der berühmten, bisher geheimen 28 Seiten aus dem Kongreßbericht zum 11. September -,  ist es schon bezeichnend, wenn Frau Merkel über diese skandalösen Vorgänge schweigt. Denn bei diesem ganzen  Komplex, der hier nur angedeutet werden kann, geht es um die „Fluchtursachen“.

Und der zweite Fehler, den Frau Merkel macht, ist der, nicht gemeinsam mit Rußland und China eine wirkliche Aufbauperspektive für die befreiten Regionen - zunächst Syriens und dann ganz Südwestasiens - auf die Tagesordnung zu setzen, wie es nur mit dem Ausbau der Neuen Seidenstraße realistisch ist.

Laut UN sind derzeit bereits 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, sprach in Davos vor kurzem davon, daß bei einem weiteren Verfall der Rohstoffpreise eventuell eine Milliarde Menschen sich aus den südlichen Ländern auf den Marsch nach Norden machen könnten. Falls es zu einem unkontrollierten Kollaps des transatlantischen Finanzsystems kommen sollte, was vor dem Hintergrund der Negativzinsen der Zentralbanken und der Debatte um das Helikopter-Geld eine reale Möglichkeit ist, könnte sich diese Zahl wegen der Auswirkung auf die gesamte Welt noch erheblich erhöhen.

Deshalb sind die Maßnahmen der EU, denen sich auch Frau Merkel angepaßt hat, „die  Außengrenzen der EU“ mit Hilfe der Frontex-Organisation zu schützen und einen Kuhhandel mit Erdogan abzuschließen, nicht nur völlig unwirksam, sie verweigern den Flüchtlingen den ihnen vom internationalen Recht zugestandenden Schutz. Und sie entblößen, daß die „europäischen Werte“, von denen bei der EU allenthalben die Rede ist, sich längst in Barbarei verwandelt haben. Das sieht der Rest der Welt ganz genau so. Realität ist, daß die ganze Welt die Erbärmlichkeit der EU in dieser Frage sieht und diskutiert.

Um es mit Nachdruck zu wiederholen: Der einzige Weg, wie wir die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg beheben können, ist der durch eine umfassende wirtschaftliche Entwicklung, einen Neue-Seidenstraße-Marshallplan, wenn man so will, für den ganzen Nahen und Mittleren Osten und Afrika, der diese zerstörten bzw. völlig unterentwickelten Länder aufbaut und den Menschen, die dort ihre Heimat haben, eine Zukunftsperspektive gibt. Und dies ist nur möglich, wenn wir die Konfrontation gegen Rußland und China beenden und stattdessen mit Rußland, China, Indien, dem Iran, Ägypten und vielen anderen Nationen bei dieser Entwicklung zusammenarbeiten. Der Rahmen dafür ist durch das chinesische Programm der Neuen Seidenstraße und die angebotene “Win-Win”-Zusammenarbeit absolut gegeben.

Und genau diese einzige Lösungsperspektive ist bei der AfD aufgrund ihrer  - um es milde auszudrücken - chauvinistischen Ideologie verbaut, wie auch überhaupt ihr Verbleiben im neoliberalen monetaristischen Dogma sie völlig unfähig macht, Lösungen zu suchen, geschweige denn zu finden.

Die Konservative Revolution

Überhaupt ist es eine irrige Annahme, die AfD sei als Reaktion auf die Eurokrise, die Flüchtlingskrise oder den „politischen Islam“ entstanden. Die Konservative Revolution, in deren Tradition sich die „Neue Rechte“ ausdrücklich ansiedelt und deren Texte z.B. Götz Kubitscheks Verlag Antaia herausgibt, existiert seit ihrem Entstehen als Reaktion auf die „Ideen von 1789“ in ungebrochener Kontinuität, also seit rund 225 Jahren, in sich bestenfalls äußerlich wandelnden Erscheinungsformen.

Ausführliche Beschreibungen dazu gibt u.a. die bereits 1950 erstmals als Buch veröffentlichte, leicht bearbeitete Dissertation Armin Mohlers von 1949, die unter dem Titel Die Konservative Revolution erschien und einen Sturm der Entrüstung hervorrief, weil sie nur vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Versuch war, faschistische Ideen quasi akademisch abzuhandeln, als hätten sie nicht gerade die katastrophalsten Folgen für Deutschland und die Welt verursacht. Mohler führt darin aus, „Konservative Revolution“ sei ein Synonym dafür, was allgemein als faschistisch bezeichnet werde.

Drahtzieher sind laut Mohler kleine, geistig lebendige Kreise, hochexplosive Sekten, im Hintergrund bleibende lose Elite-Zusammenschlüsse. Dort werden die Programme „von oben“ erarbeitet, die dann den Massen, die sich als zu kurz gekommen verstehen, als einfache Parolen präsentiert werden. Mohler beschreibt diese Beziehung zwischen den Intellektuellen und dem allgemeinen Parteivolk folgendermaßen:

„Die große Partei hält ihre Massen durch die organisatorische Bindung an eine dem Durchschnitt angepaßte und auf Schlagwörter verengte Doktrin zusammen und bietet für überragende Köpfe nur Raum, sofern sie sich an der Bändigung (!) der Massen beteiligen und ihre geistigen Fähigkeiten einem esoterischen Raum vorbehalten (!). Der Großteil der überdurchschnittlichen Intelligenzen aber sammelt sich in jenen kleinen Kreisen, die in ständiger geistiger Spannung vibrieren, sich im Besitz der allein wahren Lehre glauben und die Massenpartei des realpolitischen ,Verrats an der Idee’ bezichtigen.“

Als einen solchen Ort „in ständiger geistiger Spannung“ vibrierender Kreise sehen viele führende AfD-Mitglieder das „Institut für Staatspolitik“, die Denkfabrik der Neuen Rechten, das 2000 von Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann gegründet wurden und in dem regelmäßig Schulungen abgehalten werden, an denen bisher 5000 Personen teilgenommen haben sollen. Björn Höcke bezieht von diesem Institut sein „geistiges Manna“, wie er sagt.

Die FAZ zitiert eine E-Mail, die der inzwischen von der AfD geschasste Bernd Lucke an den damaligen Vorstand schrieb, als sich Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza als Mitglieder anmelden wollten. Kubitschek sei bei Pegida und Legida in schwarzem Hemd und offener brauner Uniformjacke aufgetreten. „Ein Narr, wer darin nicht eine bewußte Anspielung auf die faschistischen Bewegungen im Europa der zwanziger und dreißiger Jahre sieht.“ Damals wurden den beiden die Mitgliedschaft verweigert. Heute ist Lucke draußen, und Kubitschek gilt vielen AfD- Mitgliedern als geistige Führung.

Höcke hielt dort Ende letzten Jahres einen bemerkenswerten Vortrag, in dem er seinen für die Neue Rechte typischen radikalen Biologismus mit erstaunlicher Offenheit präsentierte. Frau Merkel habe durch ihren „asylpolitischen Amoklauf einen selbstverstärkenden Sog“ ausgelöst, und man müsse sich gegen die Asylbewerber wehren, weil Afrika einen „Bevölkerungsüberschuß“ von jährlich 30 Millionen habe, dem man durch die Asylverweigerung Grenzen setzen müsse, damit Afrika zu einem ökologisch vertretbaren nachhaltigen Bevölkerungswachstum kommen könne.

Das Problem sei, so Höcke, daß Afrika und Europa zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien hätten, Afrika habe den als „Klein-r“ bezeichneten, lebensbejahenden Ausbreitungstyp, während Europa den selbstverneinenden Platzhaltertyp „Groß-K“ hätte. Beide hätten demzufolge zwei vollkommen verschiedene Reproduktionsstrategien, die bei der optimalen Ausnutzung des Lebensraums nun kollidierten.

Es ist 71 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten eigentlich unfaßbar, daß jemand den Nerv hat und von „Bevölkerungsüberschuß“ einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und von Lebensraum spricht. Und die demographische Entwicklung von Menschen „ökologisch vertretbaren nachhaltigen“ Mengenangaben unterwerfen zu wollen, ist genau die gleiche menschenverachtende Haltung, die auch dem Ökofaschismus der grünen Bewegung eigen ist.

Die Begriffe „Klein-r“ und „Groß-K“ hat Höcke wahrscheinlich von den amerikanischen Ökologen Robert MacArthur und Edward D. Wilson und deren Theorien über die Besiedlung eines Biotops geborgt. Die Denkweise, die hier zum Vorschein kommt, ist schlimmer als Rassismus, sie spricht einem Großteil der Menschheit ihre Zugehörigkeit zu der einen Menschheit ab, die sich als kreative Gattung von allen anderen Lebewesen durch ihre Fähigkeit zur schöpferischen Vernunft  unterscheidet.

Die Bundesbürger, die sich über die Erosion unserer Gesellschaft, über unsere Sicherheit im Lande, um ihre persönliche Zukunft und vieles andere mehr Sorgen machen, dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, auf die „auf Schlagwörter verengte Doktrin“ hereinzufallen, hinter der sich ein Menschenbild verbirgt, das weder mit den europäischen noch den deutschen Werten vereinbar ist, wenn man darunter den Humanismus von Nikolaus von Kues, Leibniz,  Mendelsohn, Schiller oder Einstein versteht, sondern mit dem Rassismus, der unser Land schon einmal in die Katastrophe gestürzt hat.

Fortsetzung folgt