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Neue Solidarität
Nr. 32, 11. August 2016

Pokémon Go: Stoppen wir die Flucht in virtuelle Realität und Gewalt!

Der französische Präsidentschaftsbewerber Jacques Cheminade veröffentlichte am 2. August die folgende Erklärung zu dem jüngsten Massenwahn um das Videospiel „Pokémon Go“.

Die Jagd auf die Pokémons ist lächerlich - aber sie ist auch ein dramatischer Ausdruck des geistigen Zustands unserer Gesellschaft. Lächerlich, weil sie die freiwillige Infantilisierung und Abhängigkeit von digitalen Verhaltensregeln enthüllt, und dramatisch, weil sie die erste Massenmanifestation der Verwechslung der virtuellen mit der realen Welt ist.

Die „erweiterte“ Realität integriert die digitale in die reale Welt durch die Nutzung der Kamera eines Smartphones, um die digitalen Pokémons in die vertraute Umgebung des realen Universums einzufügen, während unser eigener Körper ein Element der simulierten Realität wird. Manche mögen sagen, das Spiel mit den Pokémons sei doch nicht wirklich schädlich, und ein paar Ausflüge in die virtuelle Welt gehörten einfach zum „Spaß“ dazu, den die Menschen heute wollen. Aber dazu muß erstens gesagt werden, daß eine solche „Unterhaltung“ in einer Zeit, in der uns wirtschaftliches Chaos und Krieg drohen, eine unreife Realitätsflucht ist. Und zweitens kann man sich leicht vorstellen, daß nach dem Vorbild virtueller Schnellschußspiele wie Manhunt oder Call of Duty schon bald eine Kalaschnikow an die Stelle des roten Balls treten kann und dann ein „Feind“ - sei er „Muslim“, „Russe“ oder ein „Kreuzritter“ - das Ziel wäre. Machen Sie sich klar, welche Wirkung dies auf den Geist junger Menschen hätte.

Einige mögen dagegen einwenden, das gehe zu weit, solche Absichten hege doch niemand. Aber die Gewaltvideospiele beweisen das Gegenteil. Sie sind das Produkt von Techniken, die für die Kampftruppen der amerikanischen Armee entwickelt wurden, um jungen Rekruten, die davor zurückschrecken, zum Töten zu schießen, diese Hemmungen zu nehmen. Aus dem militärischen Bereich breitet sich das dann auf Massenbasis in die gesamte Gesellschaft aus. Es läßt sich leicht zeigen, wie eine „durch Gewalt erweiterte Realität“ noch weit wirksamer wäre; aus dem Spielen würde ein Töten in der Grauzone zwischen der virtuellen und der realen Welt, durch mechanische Reflexe, bei denen menschliches Mitgefühl keinen Platz und keine Chance hat.

Es ist sicherlich kein Zufall, daß die größten Massenmörder heute - seien es Dschihadisten oder Amokläufer in Schulen oder Diskotheken - praktisch ausnahmslos Erfahrungen mit Gewaltvideospielen hatten. Dies wurde im Fall von Mérah1 trotz meiner Warnungen bestritten, aber es muß in anderen Fällen zugegeben werden: Gewaltvideospiele, in denen die Spieler andere foltern und töten, schaffen die Grundlage für die Faszination mit dem kriminellen Weltbild des Islamischen Staats. Für einige geistig gestörte Menschen wird das Töten im Spiel zum Töten um des Tötens willen. Das gilt natürlich nicht für die Mehrheit, aber der Sturz ins Virtuelle, jener Moment des Taumels, wo die Regeln nicht mehr gelten, lässt einen das Gefühl für die einfachen Dinge der realen Welt verlieren; der Spieler bleibt zuhause mit seinem Spiel, und in Gesellschaft verliert er die Aufmerksamkeitsspanne, die man braucht, um zu lernen, und er wird zum Sklaven seiner Reflexe. Hillary Clinton erklärte in ihrem Präsidentschaftswahlkampf, sie wisse zwar nicht, wer Pokémon Go erfunden habe, aber sie wolle versuchen, „einen Weg zu finden, wie man die Pokèmons in die Wahllokale holen kann“. Aber da sie sehr wohl in der Lage war, ihrem Gegenkandidaten Delegierte zu stehlen, weiß sie sehr genau, wo die Pokémons herkommen.

Pokémon Go wurde von Niantic entwickelt, dessen Vorstandschef John Hanke zu den Gründern von Keyhole gehörte. Niantic und Keyhole wurden beide von Google übernommen, dessen früherer Vorstandschef Eric Schmidt über eine Neugündung namens The Groundwork heute den gesamten digitalen Teil des Wahlkampfs für Hillary Clinton organisiert, und während Hillary Clinton von 2009 bis 2013 Außenministerin war, trafen sich Google-Manager Hunderte Male mit Vertretern des Weißen Hauses. Die vorgespielte Naivität der demokratischen Präsidentschaftskandidatin ist also nur ein Feigenblatt, das die Verbindung zwischen Politik und sozialer Kontrolle über die Massen kaum verhüllt. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, welche Schlüsse Yann Moix in seiner Kolumne in Le Monde (31.7.-1.8.) zieht:

„In einer Welt, in der normale Menschen - oder jedenfalls solche, die dafür gelten - fähig sind, endlose Stunden damit zu verbringen und sogar manchmal ihr Leben zu riskieren, um im Freien Pikachus zu fangen - was bestätigt, daß die bis dahin natürlichen Schranken zwischen Virtualität und Realität, zwischen wahr und falsch beseitigt wurden -, kann es kaum noch überraschen, daß Schützen, Halsabschneider, Trampler, Bombenleger, Heckenschützen, Brandstifter und Köpfer genau wissen, wie die Grenze zwischen dem Leben und seiner Negation zu finden ist.“

Wenn wir den Terrorismus und die Barbarei in unserer Gesellschaft bekämpfen wollen, dann müssen wir natürlich gesetzliche und polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, wie das Verbot von Videospielen, die eine Kultur des Todes verbreiten. Aber vor allem müssen wir deren Quelle verschütten.

Dazu ist es dringend notwendig, kleinen Kindern unter zehn Jahren zu zeigen, daß zum Leben Liebe, Gastlichkeit, klassische Musik, Museen und Bücher gehören, und ihnen in unserem Schulsystem ein Gefühl dafür zu vermitteln, was das Menschliche am Menschen ist. Sonst kommen Dschihadisten und Terroristen aus diesem Schulsystem, das machtlos ist, der Attraktion einer illusorischen, virtuellen Welt entgegenzuwirken.

Wir müssen also die Freude am Wissen, Lernen, Forschen wiederentdecken, mit all dem, was diese Freude daran mit sich bringt. Und in dieser Hinsicht - und in dieser Hinsicht allein - muß das Recht für alle gelten, ohne rechtsfreie oder für die Gesellschaft unzugängliche Räume. Aber um in dieser Weise unseren Geisteszustand zu verändern, müssen wir ein Projekt realisieren, das uns begeistert und das uns träumen läßt, daß die Zukunft besser sein kann.

Dies sollte die erste und wichtigste Zusage unserer Politiker sein; ich meinerseits bin jedenfalls fest entschlossen, dieses Versprechen einzuhalten.


Anmerkung

1. Mohamed Merah, ein 23jähriger Algerier muslimischen Glaubens (sowie französischer Staatsbürgerschaft), feuerte im März 2012 in Toulouse und Montauban von einem Motorroller aus gezielt auf Soldaten und eine jüdische Schule https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlagsserie_in_Midi-Pyr%C3%A9n%C3%A9es#cite_note-1 und tötete dabei sieben Menschen.