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Neue Solidarität
Nr. 32, 11. August 2016

„Wir segeln blind in eine zweite globale Finanzkrise“:
Bankenstreßtests lösen Trennbankendebatte aus

Von Alexander Hartmann

Wenn die Verantwortlichen der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) geglaubt hatten, sie könnten die Krise des Bankensystems mit ihren vorgeblichen „Streßtests“ noch einmal vertuschen, so haben sie sich getäuscht, denn nun wird offen darüber diskutiert, daß diese Streßtests lächerlich waren, und nach der Bekanntgabe der Ergebnisse beschleunigte sich die Talfahrt der Banken noch weiter.

Die britischen Banken stünden vor einer viel größeren Finanzkrise als 2008 - zu diesem Schluß kommt Prof. Kevin Dowd in einer Studie des Londoner Adam-Smith-Instituts, über die Sputnik am 3. August berichtete. Dowd, Professor für Finanzwesen und Wirtschaft an der Universität Durham, verurteilt die Streßtests der Bank von England und sagt, Großbritannien segle „blind in eine zweite globale Finanzkrise“; das britische Finanzsystem sei „nach 2008 immer noch in schlechtem finanziellen Zustand, und die Streßtests der Bank von England verbergen diese Realität“.

Dowd macht sich darüber lustig, daß das britische Bankensystem 2015 „für gesund erklärt wurde“, und über die Behauptung „daß die großen Banken einen weiteren großen Schock aushalten können“. Der Streßtest der Bank von England, so Dowd, sei wie „ein Schiffsradar, das einen Eisberg, der vor aller Augen ist, nicht entdecken kann“.

Dowd betont: „Der Zweck des Streßtest-Programms sollte es sein, die Schwächen unseres Bankensystems hervorzuheben, und die Notwendigkeit, es wiederaufzubauen... Die gegenwärtigen Streßtests der Bank von England sind eine lächerlich leichte Prüfung mit einem lächerlich niedrigen Maßstab. Würde man die Hürde auf ein vernünftiges Maß anheben..., dann würden sämtliche großen Banken in Großbritannien durchfallen... Die Bank von England schläft wieder am Steuerrad, und wir werden es wieder erleben, daß notleidende Bankster um Hilfen bitten - der Steuerzahler wird erneut ausgeplündert werden, nur diesmal noch mehr.“

Konkret kritisiert das Adam Smith Institute an den Streßtests, daß die Widerstandskraft der Banken nur danach bemessen wurde, ob sie ein schädliches Ereignis verkraften können, der wahrscheinlichere Fall mehrfacher schädlicher Ereignisse in der Weltwirtschaft aber nicht berücksichtigt wurde. Außerdem würden bei den Streßtests die potentielle Gefahren von Werten wie Hypotheken oder Staatsschulden unterschätzt.

Auch die Streßtests der Europäischen Bankenaufsicht stehen im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. Drei Experten - Sascha Steffen vom deutschen Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Prof. Viral Acharya von der Stern School of Business der Universität von New York und Diane Pierret von der Universität Lausanne in der Schweiz - veröffentlichten am 30. Juni eigene Berechnungen eines „wirklichen Bankenstreßtests“, worüber die Financial Times berichtete, und kamen dabei zu dem Schluß, daß die großen europäischen Banken eine sofortige Stützung im Umfang von fast 900 Mrd. Euro bräuchten, um zu überleben. Sie berichteten: „Die Märkte haben ganz andere Ansichten darüber, wie riskant ihre Bankportfolios sind“, als die Bankaufseher in Basel. Die 34 aufgeführten Banken hätten seit dem letzten Streßtest der EBA ein volles Drittel ihres Buchwertes verloren, die Investoren hätten also kein Vertrauen zu ihnen.

Tatsächlich haben diese Scheintests sogar einen neuerlichen allgemeinen Absturz der Bankaktien an den Finanzmärkten ausgelöst. In Italien wurde der Handel mit den Aktien der führenden Banken am Dienstag ausgesetzt, nachdem diese gerade erst „gerettet“ worden waren; Credit Suisse und Deutsche Bank wurden aufgrund des Absturzes ihrer Aktienkurse in diesem Jahr aus dem exklusiven „StoxxEurope 50“ der fünfzig wichtigsten europäischen Aktien herausgenommen; Aktien der Deutschen Bank fielen am 2. August um 4%, Aktien der Credit Suisse um 6,2%. Beide Banken haben im Verlauf des Jahres rund 50% ihres Aktienwertes eingebüßt, gegenüber dem Rekordstand aus dem Jahr 2007 sogar rund 90%.

Neue Diskussion über Bankentrennung

Interessanterweise entwickelt sich in dieser Lage eine längst fällige Debatte über die Notwendigkeit einer Neuausrichtung des Bankensystems nach Art des amerikanischen Glass-Steagall-Trennbankensystems. In einem Beitrag in The Globalist forderte Paul Goldschmidt, früherer Goldman-Sachs-Banker und Direktor des Dienstes Finanzoperationen der Europäischen Kommission und heute Vorsitzende des Thomas More Institute in Brüssel und Paris für Europäische Angelegenheiten, das europäische „Modell der Universalbanken“ abzuschaffen.

Goldman betont, die derzeitige Politik von niedrigen (bzw. Negativ-) Zinsen, Quantitative Easing (Gelddrucken) und dem Universalbankensystem sei nicht nur gescheitert, sondern stelle eine geradezu toxische Mischung dar. Außerdem sei das angebliche Ziel dieser EU-Politik, nämlich einen großen Kapitalmarkt zur Finanzierung der Realwirtschaft zu schaffen, mit einem Universalbankensystem gar nicht zu erreichen.

Goldschmidt schreibt, die Universalbanken müßten ständig entscheiden, zwischen wem sie vermitteln: entweder zwischen „Gläubigern“ und „Einlegern“, dann bleibt das Kreditrisiko in der Bankbilanz (Vergabe von Geschäftskrediten), oder zwischen „Emittenten“ und „Investoren“, dann wird das Kreditrisiko an die Anleger weitergegeben (Kapitalmarkt-Finanzierung). „Das Konfliktpotential wird noch verschärft, wenn der ,Emittent’ gleichzeitig auch ein ,Schuldner’ der Bank ist, oder wenn die Bank einen eigenen ,Vermögensverwaltungsarm’ hat. Dieses Problem wurde in den USA schon nach dem Krach von 1929 und der Depression der 1930er Jahre erkannt. Das führte zur Trennung der Geschäftsbank- von den Investmentbankaktivitäten (Glass-Steagall-Gesetz) und eigenen Gesetzen zum Schutz der Investoren (Securities and Exchange Act = Wertpapier- und Börsengesetz)... Die Trennung schuf eine ausreichend breite Basis, auf der beide Sektoren profitabel operieren konnten.“

Immer mehr Stimmen plädierten heute für die Wiedereinführung von Glass-Steagall, betont Goldschmidt, und schließt:

Bankenreform allein reicht nicht aus

Allerdings reicht eine Reform des Bankensektors allein nicht aus, um den Weg aus der Krise zu ebnen, denn was den Kollaps vorantreibt, ist vor allem das fehlende Wachstum und der Produktivitätsverlust der transatlantischen Volkswirtschaften. In den USA wuchs das BIP in den letzten zwölf Monaten lediglich um 1%, die Arbeitsproduktivität sank in diesem Jahr bisher um 1,5% und ist seit sechs Jahren nicht mehr angestiegen. Die Kapitalinvestitionen von Unternehmen sind in fünf der letzten sechs Quartale zurückgegangen, und auch die realen Wochenlöhne sinken wieder. In den entscheidenden, grundlegenden Bereichen, in denen sich die positive Wirkung neuer Technologien auf die Arbeitsproduktivität zeigen würde, gibt es in den USA gar kein Wachstum mehr - und in Europa sind diese Werte noch schlechter. Dort sind die öffentlichen Investitionen allein im letzten Jahr um 115-120 Mrd. Euro zurückgegangen.

Lyndon LaRouche hat schon im Juni 2014 die vier wesentlichen Maßnahmenkomplexe dargelegt, die in ihrer Gesamtwirkung die Krise überwinden können („Vier neue Gesetze, um die USA zu retten: Keine Option, sondern unmittelbare Notwendigkeit“, Neue Solidarität 25/2014). Diese sind jetzt dringender denn je:

Diese Prinzipien gelten nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für alle Volkswirtschaften der transatlantischen Welt. Wie der frühere mexikanische Präsident José Lópes Portillo einmal sagte: „Es ist an der Zeit, auf die weisen Worte Lyndon LaRouches zu hören.“