Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 50, 15. Dezember 2016

Den Blick auf die Sterne gerichtet

Deine Zauber binden wieder,
was die Mode streng geteilt!

Von Leona Meyer-Kasai

Leona Meyer-Kasai berichtet von den „32. Tagen der Raumfahrt“, die im November in Neubrandenburg stattfanden.

Am Samstag, dem 19. November 2016, fuhr ich nach Neubrandenburg, um dort an den 32. Tagen der Raumfahrt teilzunehmen. Dem Alltag der politischen Kurzsichtigkeit Berlins den Rücken kehrend, betrat ich mit Neugier die Räume der Hochschule Neubrandenburgs und bekam einen Vorgeschmack davon, wie die Menschheit als Gattung auf einer höheren Ebene der Vernunft eine langfristige Perspektive haben kann.

Allein die Tatsache, daß in dieser Weltlage Amerikaner, Russen, Deutsche und andere zusammenkamen und über die Zukunft der Raumfahrt und damit die Zukunft der Menschheit diskutierten, zeigte mir wieder, daß der Mensch, ungleich den Tieren, nicht den Gesetzen des Dschungels unterliegt, sondern die Betonung unserer Geisteskräfte und deren bestmögliche Entwicklung und Förderung uns über die Tiere erhebt. Angetrieben vom Forscherdrang und Entdeckersinn setzen wir uns über alle kulturellen, religiösen, sprachlichen und gesellschaftlichen Unterschiede hinweg und sind in der Lage, gemeinsame Missionen, die der ganzen Menschheit nutzen, zu definieren und gemeinsam zu meistern.

Zu Beginn der Konferenz stellte Jody Singer, Vizedirektorin des Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, Alabama, in ihrer Präsentation über den „Mars als nächsten Schritt“ die momentane Ausrichtung und Perspektive der NASA dar. Die neue Trägerrakete SLS (Space Launch System) werde mit einer Trägerkapazität von 30 Tonnen erstmals mit der Orion-Mission 2018 unbemannt den Mond umkreisen und dann 2021 eine bemannte Mission fliegen. Während der geplanten dreiwöchigen Mission 2018 werden u.a. unsere Sonne und Asteroiden studiert.

Für Langstrecken- und Langzeitmissionen, wie z.B. eine Marsmission, müßten vor allem Technologien für die Lebensbedingungen und Gesundheit der Astronauten verbessert werden. Laut jetzigem Wissenschaftsstand würde eine bemannte Marsmission hin und zurück tausend Tage dauern, so Singer. Bis in die 2030er Jahre würden mehrere bemannte Missionen absolviert, womit auch getestet werde, ob wir für einen Marsflug gewappnet sind. In dieser Phase seien wir Menschen immer noch vom Planeten Erde abhängig, aber längerfristig sei das Ziel, von der Erde unabhängig zu werden. Das bedeute, erklärte Singer, daß wir lernen müßten, Ressourcen vom Mond zu nutzen und z.B. mit 3-D-Druckern Gebäude, Werkzeug, Maschinen etc. in situ, also vor Ort zu produzieren.

Dr. Frank Jansen vom DLR Bremen präsentierte den nächsten evolutionären Sprung für Raketenantriebe, der im April 2017 im Detail veröffentlicht werde. Wir würden damit in Zukunft Raketen mit durch Kernspaltung erzeugter Energie betreiben. Kernkraft wurde bereits bei erfolgreichen Missionen eingesetzt, wie etwa dem Mars-Rover Curiosity, der am 5. August 2012 auf dem Mars landete. Er bekommt seine Energie aus einem Radioisotopen-Antrieb. Damit ist er Tag und Nacht einsetzbar und kann über lange Zeit wissenschaftliche Daten vom Mars zur Erde übermitteln. Der Landeroboter der ESA-Mission Rosetta, Philae, wurde schlechterweise mit Solarzellen ausgestattet. Da er in einem schattigen Bereich des Asteroiden gelandet war, konnte er nur sehr kurz mit der Primärbatterie betrieben werden und war nach weniger als zweieinhalb Tagen nicht mehr in der Lage, Informationen zu senden. Mit einer Atombatterie hätte der Roboter auch im Schatten arbeiten können.

Für Raketenantriebe eröffnen sich uns durch die hohe Energieflußdichte der Kernenergie (sehr kleine Menge Brennstoff setzt sehr viel Energie frei) ganz neue Möglichkeiten. Es sollen für Raketenantriebe, laut Dr. Jansen, eine kleine Variante mit 30 kWe (Energieerzeugung als elektrischer Strom) und eine große mit 200 kWe produziert werden. Mit diesem neuen Antriebssystem würden Erkundungen in weiter Ferne möglich.

Dr. Jansen schlug eine Langstreckenmission zum Jupitermond Europa vor, wo mit Robotern Proben entnommen werden könnten und zur Analyse zurück zur Erde gebracht würden. Dies sei mit Solarzellenantrieben nicht möglich, da der Jupiter zu weit von der Sonne entfernt und es für Solarzellen einfach zu dunkel sei.

Auch für einen bemannten Flug zum Mars soll dieser Kernspaltungsantrieb eingesetzt werden. So würde die Missionszeit von tausend Tagen, die NASA-Vizedirektorin Singer in ihrem Vortrag erwähnte, deutlich reduziert werden. Dadurch wären die Astronauten der starken kosmischen Strahlung nicht so lange ausgesetzt wie unter der heutigen Planung.

Außerdem würde diese Technologie der Asteroidenabwehr der Erde nützen. Ein Asteroid, dessen Aufprall auf die Erde imstande wäre, ganze Städte auszulöschen, könnte von seinem ursprünglichen Kurs abgelenkt oder sogar zerstört werden. Auch zum Abbau von Rohstoffen auf Asteroiden und zum Transport großer technischer Apperaturen etc. werden diese neuen Antriebssysteme mit hoher Energieflußdichte eingesetzt werden.

Jansen betonte mehrfach, wie wichtig es dabei sei, daß die Entwicklung dieses Projektes nicht von einem Land, sondern von einer großen internationalen Gemeinschaft realisiert werde. Nicht nur europäische Länder, Rußland und die USA, sondern auch Brasilien und andere Nationen seien eingeladen, daran mitzuarbeiten.

Vorbereitung zukünftiger Missionen

Aber wie bereiten wir uns auf solche künftigen Missionen vor?

Dr. Matthias Maurer, Mitarbeiter der ESA und des European Astronaut Centre (EAC) in Köln, ist mitverantwortlich dafür, zukünftige Weltraumflüge vorzubereiten. Er stellte bei der Konferenz verschiedene Trainingsprogramme vor. Einerseits bereite dies Astronauten auf ihre wissenschaftliche Arbeit und extreme Bedingungen vor, andererseits würden damit Ausrüstung, wissenschaftliche Geräte und Methoden getestet und verbessert. Im Weltraum brauche man solide, funktionierende Technik. Man könne nicht „mal schnell“ ein paar Ersatzteile zum Mars fliegen.

Mit dem CAVES Programm (Cooperative Adventure for Valuing and Exercising human behaviour and performance Skills) der ESA erkunde jedes Jahr ein international gemisches Team von Astronauten und Wissenschaftlern für ca. zwei Wochen die unerforschten Tiefen der Höhle Sa Grutta auf Sardinien. Das Team übe Navigation, führe wissenschaftliche Experimente durch, müsse psychologische Herausforderungen bestehen und körperliche Fitness beweisen. Das wichtigste für eine erfolgreiche Mission sei die funktionierende Zusammenarbeit, so Dr. Maurer, der im Sommer 2014 selbst als Teil einer fünfköpfigen Gruppe die Sa Grutta-Höhle erkundete.

Auf dem Mond und Mars gab es früher vulkanische Aktivitäten, und man findet heute als Überbleibsel von Lavaströmen ausgehöhlte Gänge unter der Mond- und Marsoberfläche. Diese wären bei kommenden Mond- und Marsmissionen ein Ziel für Astronauten - einerseits, um diese vor der kosmischen Strahlung zu schützen, und andererseits, um nach möglichem Leben zu suchen, das vermutlich auch vor der kosmischen Strahlung geschützt unter der Oberfläche zu finden wäre.

Das Programm NEEMO (NASA Extreme Environment Mission Operations) der NASA findet jährlich in 20-30 m Tiefe auf dem Grund des Atlantischen Ozeans, 10 km vor der Küste Floridas, in der einzigen Unterwasser-Forschungsstation der Welt statt. Dieses Jahr war Dr. Maurer für 16 Tage mit anderen Astronauten und Wissenschaftlern am Meeresgrund und testete verschiedene Szenarin, beispielsweise eine Kommunikationsverzögerung von 15 Minuten vom „Aquanauten“ am Meeresboden zum Crewmitglied im Kontrollzentrum an Land. Das entspräche der Verzögerung zwischen Astronauten auf dem Mars und dem Kontrollzentrum auf der Erde. Wenn der Astronaut also eine Frage an jemanden auf der Erde stellte, müsse er 30 Minuten auf eine Antwort warten.

Ein Teil der Wissenschaftsarbeit der Aquanauten war Korallenerforschung, zu welchem Zweck Proben von verschiedenen Orten entnommen wurden. Auch von Studenten entworfene Werkzeuge zum kontaminationsfreien Einsammeln von Materialproben kamen zum Einsatz.

Da unter Wasser keine GSP-Signale zur Ortung bestimmter Ziele genutzt werden können, wurden hier andere Verfahren getestet. Auch auf dem Mars müssen wir ohne Googlemaps auskommen. Die Erfahrungen, die während der Experimente in der Unterwasserstation Aquarius selbst gesammelt wurden (z.B. DNS-Segmentation), können sofort auf der Internationalen Raumstation ISS angewendet werden, während die Erkenntnisse, die bei den Außeneinsätzen im Wasser (Proben entnehmen etc.) gewonnen wurden, langfristig für Mond- und Marsmissionen von Bedeutung seien.

Ein weiteres internationales Wissenschaftsprojekt, das die ESA vorschlägt, ist das sogenannte Mond-Dorf. Das ist ein ganz anderes Konzept, als nur einmal den Fuß auf den Mond zu setzen. Wir müßten Ressourcen auf dem Mond finden und nutzen, Wasser selbst erzeugen, Pflanzen anbauen u.v.m. Wie Jody Singer schon erwähnte, sei ein Ziel, 3-D-Drucker auf dem Mond einzusetzen. So müßte weniger Material von der Erde zum Mond gebracht werden, man könnte vor Ort Ersatzteile drucken und wäre viel unabhängiger von der Erde. Für die Vorbereitung eines Mond-Dorfes solle ebenfalls ein Trainingsprogramm namens LUNA bei Köln aufgebaut werden, so Dr. Maurer, der entscheidend bei der Entwicklung daran beteiligt ist.

Rußlands Weltraumpläne

Am Nachmittag stellte Igor Afanasjew die Perspektive des russischen Raumfahrtprogramms für 2016-2025 vor. Die russische Regierung werde 20,5 Mrd $ bereitstellen und 44 Flugkörper in den Orbit bringen. Der Fokus liege dabei auf Kommunikationstechnik und Satelliten zur Katastrophenerkennung und -bekämpfung. Bis 2020 werde die russische Erforschung des Mondes wieder aufgenommen, Mondgestein soll vom Pol des Mondes zur Erde gebracht werden und neue Erkenntnisse bringen.

Eindrücke aus erster Hand bekamen die Konferenzteilnehmer von den Kosmonauten Nikolai Budarin, der 1995, 1998 und 2002 im Weltraum war, und Arnaldo Tamayo Méndez, der unter dem sowjetischen Interkosmos-Programm 1980 als erster Kubaner im Weltraum war.

Budarin hob hervor, daß die internationale Zusammenarbeit auf der ISS sehr gut und stabil sei. Die ISS habe zwei Kontrollzentren auf der Erde, in Houston und in Moskau, mit einer Zeitdifferenz von acht Stunden. Für die gemeinsame Arbeit habe man sich daher auf die Zeit in der Mitte (Greenwich) geeinigt, und vom Rhythmus her paßten sich alle Mitarbeiter auf der Erde den Astronauten auf der ISS an. Budarin sagte, auf der ISS verstehe man sich selbst ohne Worte, die kulturellen Unterschiede seien kein Hindernis, und das wichtigste für extraterrestrische Langzeitaufenthalte seien Geduld und Respekt füreinander. Ein Vorteil heute sei, daß die Astronauten inzwischen während ihres Weltraumaufenthalts Internetzugriff und so Kontakt zu ihren Familien haben könnten.

Tamayo Méndez berichtete, wie er 1977 vom Interkosmos-Programm als Kosmonaut ausgesucht wurde und daß Kuba sich Experimente überlegen sollte, die Tamayo Méndez in der Saljut-Weltraumstation für sein Land durchführen würde. Von diesen 40 vorgeschlagenen Experimenten wurden 22 ausgewählt. Im Rahmen des Interkosmos-Programms wurden von 1978 bis 1981 auch die ersten Kosmonauten der Mongolei, Bulgariens, Rumäniens und Ungarns ausgebildet und ihnen ein Flug in den Weltraum ermöglicht. Tamayo Méndez bestand darauf, daß wir alle ein Recht auf Weltraumforschung haben, da es unsere menschliche Natur sei, zu forschen.

Die Öffentlichkeit informieren

In der späteren Podiumsdiskussion waren sich alle Referenten einig, daß die Ergebnisse und Erfolge aus der Weltraumforschung viel mehr in die Öffentlichkeit gebracht werden sollten, da viele Menschen die Brücke von der Raumfahrt zu ihrem eigenen Leben und den Fortschritt für die Menschheit noch nicht schlagen könnten.

Stellen Sie sich einmal für einen Moment eine Welt ohne Raumfahrt vor. Es wäre es eine Welt ohne Satelliten, also ohne Wettervorhersagen, Katastrophenwarnungen, Fernseher, Handys, Tablets und alles, was sonst mit Akkus betrieben wird, ohne Navigationssysteme mit GPS, ohne moderne Prothesen, ohne Schaumstoff etc.

All diese Errungenschaften haben die Lebensbedingungen in einigen Teilen der Erde bereits gewaltig verbessert. Jetzt gilt es, diese Technologien allen Erdbewohnern zur Verfügung zu stellen und alle Länder zur weiteren Erforschung und Durchbrechung unserer heutigen Grenzen zu ermuntern. Mit internationalen Gemeinschaftsmissionen, wie den hier vorgeschlagenen/vorgestellten bemannten Mond- und Marsmissionen, gibt es keine Beschränkungen mehr. Jetzt ist die beste Zeit, durch einen Fokus auf die Weltraumforschung unsere geostrategischen Ideologien, Vorurteile, Arroganz etc. abzulegen und für die Zukunft unserer Gattung an einem Strang zu ziehen. Hören Sie auch schon die Melodie Beethovens Neunter Sinfonie im Geiste?

Und an diesem Abend habe ich die Sterne mit anderen Augen betrachtet.

Leona Meyer-Kasai