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Neue Solidarität
Nr. 6, 10. Februar 2016

Tanz auf dem Vulkan: Bail-out, Bail-in – Bail-in, Bail-out

Weil der Bail-in sich als undurchführbar erweist, soll nun ein Bail-out helfen. Dabei war der Bail-in eingeführt worden, weil der Bail-out nicht mehr durchführbar war. Oder umgekehrt?

Der weltweite finanzielle Auflösungsprozeß vollzieht sich seit Jahresbeginn immer schneller. Angesichts der Tatsache, daß der geplante „Bail-in“ (Enteignung nach dem „Zypernmodell“) sich als praktisch undurchführbar herausstellt, unternehmen die Wall Street und die Londoner City nun panisch Anstrengungen, die alten Methoden mit Liquiditätspumpen („quantitative Lockerung“) und staatlichen Rettungsaktionen zu intensivieren, um die totale Kernschmelze doch noch irgendwie zu verhindern.

Die jüngste überraschende Entscheidung der japanischen Zentralbank für eine Senkung der Einlagenzinsen in den negativen Bereich, von +0,1% auf -0,1%, ist ein Ausdruck dieser Panikstimmung. Aber auch das wird nicht helfen, so wie die Minuszinsen der EZB und der Schweizerischen Nationalbank nur mehr Schulden, aber keine Wirtschaftserholung bewirkt haben.

Einen anderen Hinweis auf die Panik gab das Sprachrohr der City, der Londoner Economist, wo es am 28. Januar hieß, wegen der geringfügigen Zinserhöhung der amerikanischen Federal Reserve stünden „lange Wochen, finanzielles Chaos und Verwüstung“ bevor. Der Daily Telegraph brachte die Schlagzeile „Die Herren des Geldes schlittern außer Kontrolle“ mit dem Klicker „Die Finanzmärkte sind gefährlich abhängig von den Billiggeld-Steroiden der Zentralbanken geworden“.

Lyndon LaRouche sagte am 29. Januar dazu, es handele sich überwiegend um reine Spekulationsschulden: „Die Banken sitzen auf wertlosen Forderungen, die sich jeden Augenblick in nichts auflösen können. Und deshalb sollten sie systematisch annulliert werden, in einem geordneten Prozeß der Abschreibung all dieser Schulden.“ Man müsse die Blasen platzen lassen, um die Realwirtschaft und die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten. „Das gilt für Italien wie für ganz Europa.“

Das erfordert jedoch eine Glass-Steagall-Bankentrennung, um legitime Forderungen und wertlose Zockerschulden voneinander zu trennen, was zum Glück inzwischen eines der Hauptthemen im US-Präsidentschaftswahlkampf geworden ist.

Italien: Eurokrise verschoben, aber weiter ungelöst

Die Schwierigkeiten, den Bail-in durchzusetzen, zeigen sich derzeit insbesondere in Italien und Spanien. In Italien erreichten die EU-Kommission und die italienische Regierung in der sprichwörtlichen letzten Minute eine Einigung, um eine Bankenkrise abzuwenden, die das ganze Eurosystem zum Einsturz hätte bringen können. Am Ende akzeptierte die Kommission, daß die italienische Regierung praktisch eine gewisse Menge verbriefter fauler Kredite garantiert und damit vorerst die Gefahr entschärft, daß einige der größten italienischen Banken nach den neuen Bail-in-Regeln der EU abgewickelt werden müssen.

Damit ist aber das Problem nicht gelöst, sondern nur vertagt. Die italienischen Banken sitzen offiziell auf 370 Mrd.€ an unbedienten Krediten, fast 40% der gesamten Eurozone. Dies ist die Folge des jahrelangen Niedergangs der Realwirtschaft, mit geplatzten Hypotheken von etwa 800.000 Privathaushalten und faulen Krediten im Immobilien- und im Produktionssektor.

2008 wurden Banken in ganz Europa mit Steuergeldern gerettet, jedoch nicht so in Italien, wo die Finanzinstitute weniger Verlusten aus Spekulation ausgesetzt waren. Aber die Rezession ab 2008 und ganz besonders der von der Regierung Monti 2011-13 bewirkte Wirtschaftskollaps verursachten Verluste, die sich - anders als Derivatzockerei - nicht so leicht verschleiern lassen.

Unter den neuen EU-Regeln ist eine staatliche Rettung (Bailout) nur in Kombination mit einem Bail-in von Aktionären, Anleihenbesitzern und Einlegern des betroffenen Geldinstituts erlaubt. Aber ein teilweiser Bail-in der Regierung Renzi im Dezember stieß auf so vehementen Widerstand der Öffentlichkeit, daß sie für die Zukunft auf die Bail-in-Option verzichtete. Die schlechten Aussichten auf staatliche Hilfen und die Angst vor Bail-in-Enteignung bewirkten einen Run der Einleger und Spekulanten auf italienische Banken, mit beträchtlichen Kapitalverlusten. In den letzten sechs Monaten verlor die Banca Intesa 25%, Unicredit 36% und Monte dei Paschi sogar 60% ihres Kapitals.

Der Gouverneur der Bank von Italien, Ignazio Visco, forderte am 30. Januar in einer Rede in Turin undiplomatisch eine Überprüfung der Bail-in-Regeln und ließ wissen, daß die italienische Finanzaufsicht die EU-Kommission gewarnt hatte, ein nachträgliches Bail-in-Verfahren würde eine gefährliche Gegenreaktion provozieren. Visco verwies auf eine Klausel in der EU-Abwicklungsrichtlinie (BRRD), die eine Überprüfung der Regeln erlaubt.

Die Kommission reagierte darauf aber mit einer arroganten Erklärung, „eine Veränderung der BRRD“ sei „derzeit nicht geplant“. Die Richtlinie sei 2014 mit großer Mehrheit vom Europaparlament und mit einstimmiger Zustimmung der Mitgliedstaaten beschlossen worden, und es sei seit anderthalb Jahren bekannt, daß „ein Bail-in von Gläubigern die Steuerzahler schützen“ soll.

Die italienische Krise ist jedoch nur die sichtbare Spitze des Eisbergs des laufenden Zusammenbruchs des Finanzsystems, und dieser Streit war erst der Anfang.

Spanien: Bail-in stößt an rechtliche Grenzen

In Spanien gerät die in Schieflage befindliche viertgrößte Bank Spaniens, Bankia, die jetzt schon als Bail-in-Kandidatin gilt, noch mehr unter Druck. Am 27. Januar wies der Oberste Gerichtshof die Bank an, kleine Anleger, die zum Kauf von Aktien der Bank verleitet wurden, zu entschädigen. Das Urteil betrifft zwar nur zwei konkrete Fälle, aber Tausende weitere Anleger haben die Bank verklagt.

Bankia war erst 2010 durch Fusion von sieben Sparkassen („cajas“) entstanden und wurde im Mai 2012, weniger als ein Jahr nach ihrem Börsengang, vom staatlichen Bankensanierungsfonds (FROB) übernommen, was 22 Mrd.€ kostete.

Der Oberste Gerichtshof gelangte zu dem Schluß, daß die Werbebroschüre der Bank für den Börsengang „schwerwiegende Ungenauigkeiten“ über den tatsächlichen Zustand ihrer Finanzen enthielt. Die Anteile wurden als „Vorzugsaktien“ („acciones preferentes“) angepriesen, die angeblich sicherer seien als einfache Aktien, sie wurden aber trotzdem wertlos, als die Bank insolvent wurde. Die Ersatzforderungen an die Bank belaufen sich jetzt auf insgesamt 819 Mio.€.

Das Urteil wird wahrscheinlich weitere Klagen anderer Opfer nach sich ziehen. Auch Isidro Fainé, der Chef der umsatzstärksten Bank Spaniens, CaixaBank, hat erklärt, daß seine Bank eine Klage gegen Bankia wegen Verlusten im Zusammenhang mit dem Börsengang 2011 nicht ausschließt. Caixa, Banco Santander, Banco Sabadell und andere institutionelle Anleger hatten 1,8 Mrd.€ investiert und einen Großteil davon verloren. Wenn sie erfolgreich klagen, muß Bankia zahlen.

Zusätzlich zu den jetzt wertlosen „Vorzugsaktien“ sitzt Bankia, wie alle anderen spanischen Banken, auf Milliarden Euro an faulen Hypotheken.

EZB erpreßte Irland 2011 zur staatlichen Bankenrettung

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die EZB vor fünf Jahren einen Bail-out der irischen Banken durch die Regierung verlangte, um einen Bail-in von Vorzugsanleihen zu verhindern. Das irische Parlament veröffentlichte soeben seinen Untersuchungsbericht über die Bankenkrise 2011, der bestätigt, daß die Europäische Zentralbank (EZB) im März 2011 „ausdrücklich androhte“, ihre Notkredite für irische Banken zu stoppen, falls Verluste der bankrotten Banken den Besitzern ihrer Vorzugsanleihen (Senior Bonds) aufgebürdet würden. Das zwang Irland, dessen Staatsfinanzen bis dahin den besten Zustand in ganz Europa hatten, riesige Rettungskredite aufzunehmen und die Bedingungen eines Memorandums zu akzeptieren, unter dem seine Wirtschaft zusammenbrach.

Der damalige irische Generalstaatsanwalt Paul Gallagher prüfte mit Rechtsexperten des IWF die Möglichkeit eines größeren Schuldenschnitts bei Vorzugsanleihen, aber die EZB lehnte das rundheraus ab. Der damalige Finanzminister Michael Noonan sagte der Untersuchungskommission, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet habe ihn unter Druck gesetzt, die Anleihenbesitzer zu verschonen, weil sonst „eine Bombe hochginge“.

Dabei waren der EZB die irischen Banken und der Ruin des irischen Staatshaushalts egal, sie war besorgt wegen der deutschen, französischen, britischen, holländischen und anderen „systemrelevanten“ Großbanken, die auf gewaltigen Schuldentiteln irischer Banken, darunter viele Hypothekenpapiere und verwandte Derivate, saßen. Die EZB fürchtete, bei einem Schuldenschnitt für Vorzugsanleihen würde das ganze Finanzsystem der Eurozone wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.

Die gleiche Erpressungstaktik wandte die EZB später in Zypern an - hier allerdings, um den berüchtigten „Bail-in“ von Einlegern durchzusetzen, sowie in jüngerer Zeit gegen die Syriza-Regierung in Griechenland. Sie wird sie auch benutzen, um in der nächsten Bankenkrise die Bail-in-Regeln für Bankenabwicklung durchzusetzen. Die Argumentation ist im Endeffekt immer gleich: Es werden nur diejenigen Einleger und Anleihenbesitzer enteignet, die nicht „systemrelevant“ sind.

Im Falle Irlands erpreßte die EZB die Regierung zu einem Rettungspaket von 64 Mrd.€ und zu einem brutalen Sparprogramm unter einer Diktatur der Troika (EZB-IWF-EU-Kommission). In dem Untersuchungsbericht wird betont, daß die irischen Bürger wegen der Unnachgiebigkeit der EZB hohe, unberechtigte Bankschulden übernehmen mußten.

Der frühere IWF-Vizedirektor Ajai Chopra, der an den Verhandlungen beteiligt war, warf in seiner Aussage der Kommission der EZB vor, sie hätte die irischen Staatsschulden unnötig in die Höhe getrieben, indem sie europaweite Besorgnisse über das stellte, „was für einzelne Mitgliedstaaten angemessen wäre, selbst wenn höhere irische Staatsschulden die Folge waren“.

alh