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Neue Solidarität
Nr. 12, 21. März 2012

„Wir müssen einen Eid auf die Zukunft ablegen“

Von Jacques Cheminade

Videobotschaft von Jacques Cheminade an die Konferenz des Schiller-Instituts in Berlin, 25.-26. Februar 2012

Ich werde Ihnen allen, die Sie heute versammelt sind, zunächst etwas sagen, was Sie vielleicht überraschen wird. Ich bin nicht physisch unter Ihnen, aber ich bin viel mehr bei Ihnen, als wenn ich physisch unter Ihnen wäre, denn wir führen den gleichen Kampf. Der Kampf, den ich hier führe, und den ich auch nicht für einige Stunden verlassen möchte, ist derselbe Kampf wie der Ihre. Und das ist es, was uns verbindet.

Heute ein Präsidentschaftskandidat in Frankreich zu sein, ist ein Paradox, das einerseits aufregend ist, aber gleichzeitig auch etwas hervorruft, was äußerst profund, äußerst menschlich, aber gleichzeitig auch sehr schwer auszudrücken und anderen schwer zu vermitteln ist. Hier hinter mir im Bild sehen Sie das Thema unseres Wahlkampfs: „Eine Welt ohne die Londoner City und die Wallstreet - eine große Baustelle für Infrastruktur für die Zukunft“. Es ist ein Thema der Zukunft, denn die Zukunft bestimmt die Gegenwart. Und wir entdecken in unserem Wahlkampf alles, was in der Geschichte unseres Landes liegt und die Zukunft bestimmt.

Das ist z.B. die Übersetzung der Bibel ins Französische von Lefèvre d’Etaples, der Nikolaus von Kues sehr nahe stand. Wir finden das Judentum von Troyes, des Raschi von Troyes. Wir finden den Islam, der heute zu uns kommt, und wir finden den Humanismus, der die gesamte Geschichte durchzieht. Gerbert d’Aurillac beispielsweise, der Papst Sylvester wurde und bis nach Spanien ging, um dort die Wissenschaften im Spanien des Islam zu finden, und in Cantal geboren wurde, wo mir viele Bürgermeister ihre Unterstützungsunterschrift gegeben haben.

Und wir machten eine Reise zu Godins Familistère, einer genossenschaftlichen Wohnsiedlung. Godin lebte und arbeitete Ende des 19. Jahrhunderts, er erfand u.a. einen gußeisernen Backofen, der neue Ernährungsmöglichkeiten eröffnete. Er war ein großer Industrieller, der Wohnungen für alle Beschäftigten baute, die mit den neuesten hygienischen Errungenschaften ausgestattet waren, eine Art Utopie. Aber er war kein Utopist, wenn er mit der Realität umging; er wollte sicherstellen, daß jeder einen ausfüllenden Beruf haben konnte. Und in unserem Wahlkampf entdecken wir diese ganze Geschichte von neuem.

Aber gleichzeitig stoßen wir auf die Gegenwart: Sozialisten, die den Sozialismus verraten haben, Gaullisten, die den Gaullismus verraten haben, Katholiken, die das Christentum verraten haben, und Menschen, die das aufgegeben haben, was in ihnen menschlich ist. Und dies in einer Zeit, in der das internationale Finanzsystem zerfällt, in der wir auf die Zerstörung der Gesellschaft zusteuern und auf eine Politik der Austerität und der Härte, wie sie Brüning 1930-32 und Laval als Ministerpräsident 1935-36 betrieben haben.

Gleichzeitig ist es eine Politik, die nicht auf die Zukunft schaut, die die Zukunft nicht sieht und sie nicht sehen will: den Einsturz des europäischen Hauses.

Dazu kommt eine Politik, die uns in den Krieg führt, auf den wir unausweichlich zusteuern - der Krieg aller gegen alle, vielleicht schon morgen, vielleicht erst später, aber wir steuern unausweichlich darauf zu, weil in einer von der Oligarchie beherrschten Welt, mit einem von ihr gesteuerten Schrumpfen der Welt, alle Voraussetzungen für solch einen Krieg geschaffen wurden. Die Oligarchie versucht, eine Politik umzusetzen, die sich gegen die Menschen richtet, gegen die Bevölkerung. Das ist es, womit wir es zu tun haben, während wir gleichzeitig durch diesen Wahlkampf das Beste in unserer Geschichte entdecken.

Gemeinsam bauen

Unter diesen Umständen bin ich froh, in Gedanken bei Ihnen zu sein und zu Ihnen zu sprechen, denn wir müssen unbedingt gemeinsam bauen. Es kann nicht bloß in einem Land geschehen, es muß in allen Ländern der Welt getan werden.

Wir müssen diese Plattform für die Zukunft bauen, die uns - uns allen - das gibt, was wir brauchen, um zukünftige Generationen in eine Zeit zu führen, die besser ist als unsere eigene. Das war der Traum der beiden großen deutschen Dichter, die auch französisch waren oder etwas Französisches an sich hatten, Schiller und Heine. Das ist der Traum all jener, die an dieser Front gekämpft haben, so wie wir heute kämpfen.

Das bedeutet, daß wir uns auf das hinbewegen, wovon Roosevelt träumte, was er am Ende seines Lebens erreichen wollte und was Truman verriet. Es ist das Bündnis für den Fortschritt, das Kennedy anstrebte, der ermordet wurde, weil er versuchte, es zu bauen. Das ist die „universelle Republik“, von der Victor Hugo sprach. Es ist das Vaterland, das sich selbst durch das definiert, was es zum gemeinsamen Wohl der Menschheit beiträgt. Seine Orientierung ist genau das Gegenteil von der des Europas des Euro, das sich in diesem Augenblick selbst zerstört und alles zerstört, was es als Kontinent für den Rest der Welt beitragen könnte.

Das bedeutet offensichtlich, daß wir unserer Geschichte nur einen Sinn geben können, indem wir die gemeinsamen Ziele der Menschheit verwirklichen. Dazu gehört die Eurasische Landbrücke, die Helga Zepp-LaRouche als erste entwarf und aus der eine Weltlandbrücke werden wird. Diese gemeinsamen Ziele der Menschheit, für jedes Land, das sich durch Nationalbanken daran beteiligt, müssen auf Investitionen in die Zukunft ausgerichtet sein, mit einer technologischen Plattform und einer Zukunftsvision, die alle teilen können. Die Arktis, die Antarktis, Afrika - alle Regionen der Welt sollten erschlossen und dazu gebracht werden, an der Universalgeschichte, an der Geschichte unserer Zukunft teilzunehmen.

Das ist natürlich nicht bloß eine Meinung, es ist viel mehr, es ist eine Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit ist es, für die wir kämpfen müssen, damit die Welt eine Zukunft hat und damit wir uns selbst aus der Zwangsjacke der Kriege befreien, welche uns an die Schwelle eines thermonuklearen Krieges führt - und wir werden diese Schwelle überschreiten, wenn wir nicht rechtzeitig handeln. Denn der Mensch wird die Waffen, die er hat, immer auch einsetzen, wenn er sich keine bessere Welt jenseits der Gegenwart vorstellen kann. Das ist es, was Hobbes in seinem Leviathan beschreibt.

Auch dies bedeutet wieder, daß wir die schöpferischen Fähigkeiten aller ausbilden müssen. Es bedeutet auch, daß wir einen Begriff menschlicher Arbeit haben müssen, der wirklich menschlich ist. Heute redet jeder in Frankreich über Arbeit, aber niemand weiß, was das ist. Es heißt sogar, Prostituierte seien Sex-Arbeiter. Wir haben das Verständnis verloren, daß Arbeit nichts Repetitives ist, nicht bloß eine Aktivität oder Beschäftigung, der man nachgeht, damit man Geld verdient, um leben zu können. Bei der Arbeit geht es um die Zukunft, es geht darum, die Grundlagen dafür zu schaffen, daß kommende Generationen besser leben als wir.

Unsere große Philosophin des 20. Jahrhunderts, Simone Weil, sagt dies sehr deutlich. Sie sagte, Arbeit müsse immer einen gewissen poetischen Aspekt haben. Diese poetische Seite ist es, die die menschliche Arbeit von der Arbeit eines Tieres unterscheidet, also der repetitiven Seite. Dieses poetische Element erlaubt es uns, sich Menschen der Zukunft vorzustellen, die besser sein werden, als wir es sind. Die Bedeutung eines Präsidentschaftswahlkampfs liegt darin, die Grundlage für eine solche Zukunft zu schaffen.

Und dann gibt es natürlich auch die tagtäglichen Aspekte des Wahlkampfs. Man taucht ein in die Welt der Medien, in ein Universum, in dem nicht notwendigerweise jeder einzelne böse Absichten hat, aber in der das allgemeine Klima destruktiv ist, was diese menschliche Kapazität, die Kapazität der menschlichen Arbeit angeht. Ein Präsidentschaftswahlkampf ist ein täglicher Kampf darum, dieses Konzept der menschlichen Schöpfung und der menschlichen Arbeit wiederzubeleben.

Was hören wir im Wahlkampf? „Wieviel kostet dies?“ „Wieviel kostet es?“ „Aber wieviel kostet es?“ Oder, andersherum: „Wie sollen wir die Schulden bezahlen? Die Schulden, die Schulden!“

Die Rechte fordert Austerität, und die Linke Härte. Wir hören alle diese Stimmen aus einer begrenzten Welt, die zur Selbstzerstörung verurteilt ist, wenn wir sie nicht retten. In meinem Wahlkampf muß ich nicht so sehr gegen andere Kandidaten kämpfen, sondern ich muß das bekämpfen, wogegen die anderen Kandidaten nicht kämpfen. Das bedeutet, daß wir in diesem Wahlkampf versuchen müssen, mit allen erdenklichen Mitteln die Art des Denkens eines Landes, unseres Landes zu verändern, indem wir es in die schöpferischen Momente seiner Geschichte tauchen, damit es sieht, was es geben kann, was es für die Zukunft zu bieten hat. Natürlich kann Frankreich allein nur sehr wenig tun. Es kann nur als Katalysator oder als Impulsgeber wirken, indem es sich auf seine Geschichte bezieht, im Wissen, daß es nur dann eine große Nation war, wenn es universell war.

Verbindung der Ideen

Wir haben es heute mit einem Problem zu tun, das wir lösen müssen. Frankreich und Deutschland können nicht bloß „Merkozy“ sein. Merkozy - können Sie sich etwas Lächerlicheres inmitten einer Tragödie vorstellen? Wie in einem Drama von Shakespeare.

Deshalb müssen Helga Zepp-LaRouche und ich unter diesen Umständen das repräsentieren, was Frankreich und Deutschland wirklich sind. Und ich kann mir ein Beispiel vorstellen, in Bezug auf unseren extraterrestrischen Imperativ, das Gebot des Forschens - daß der Mensch ein Forscher werden muß. In dieser Hinsicht muß ich an Krafft Ehricke denken, der ein Freund von Helga Zepp-LaRouche war. Dieser deutsche Wissenschaftler dachte, wie viele andere, daß die Erde die Wiege der Menschheit ist, aber daß der Mensch nicht auf Dauer in seiner Wiege bleiben kann.

Zu Krafft Ehricke, der vom extraterrestrischen Imperativ sprach, tritt in meinem Geist Jean Robieux, der Erfinder - in Frankreich und der Welt - der Kernfusion durch Laser, durch den Trägheitseinschluß. Das ist das Mittel für die Reisen der Zukunft, jedenfalls bis zum Mars, das es uns erlauben wird, innerhalb einer Woche vom Mond zum Mars zu gelangen.

Das ist es, was das deutsch-französische Bündnis ausmachen muß, angetrieben durch den Sinn für die Zukunft, den wir alle haben müssen - diejenigen, die sich heute physisch in diesem Veranstaltungssaal befinden, und diejenigen, die dies nicht tun, wie ich. Das ist das Gefühl, was uns verbinden muß. Es wird vermittelt durch etwas, was man nicht anfassen oder sehen kann, es geschieht durch Ideen. De Gaulle sagte immer, Frankreich sei eine bestimmte Idee, Deutschland sei eine bestimmte Idee, und die Verbindung dieser Ideen muß die Grundlage für die gemeinsamen Ziele der Menschheit schaffen.

Das ist der eigentliche Sinn unseres Kampfes. Ich denke in diesem Moment der Geschichte zurück an das, was einmal jemand gesagt hat, der französischer war, als wenn er als Franzose geboren worden wäre. Er hieß Romain Gary, ein Autor, und er sagte, wenn er an seine Erfahrungen im Freien Frankreich dachte, an die Widerstandskämpfer, an die Scharfschützen der Partisanen und die Französischen Streitkräfte im Inland (FFI), an jene, die im Normandie-Njemen-Geschwader kämpften: „Wenn man genau darüber nachdenkt, ist keiner von ihnen tot.“

Ich gehöre der Generation Gagarins an, ich war damals 20, und ich kann Ihnen sagen, daß ich im Verlauf dieses Wahlkampfs zutiefst empfunden habe, was Romain Gary damit meinte. Wenn wir die Tiefen unserer selbst ausloten, dann ist niemand tot, denn alle unsere Freunde aus vergangenen Zeiten sind bei uns. Aber die Voraussetzung dafür, daß niemand tot ist, besteht darin, daß wir jeden Menschen mit einem freundlichen Gesicht empfangen, und dieses Gesicht ist das Gesicht der Zukunft. Dieses Gesicht der Zukunft ist es, was unseren Kampf bestimmen muß.

Aber wenn wir unsere Mission nicht erfüllen, dann kann es gut sein, daß es diese Zukunft niemals geben wird. Wir müssen uns verpflichten, tief in unserem Innern, Mensch zu sein, und nicht Dinosaurier, die anfällig sind für die Selbstzerstörung, die sich eine Gattung zufügt, oder das Aussterben, das durch äußere Ereignisse ausgelöst wird, und durch die Unfähigkeit, das Universum zu verstehen. Wir müssen in unserem Herzen einen Eid auf die Zukunft ablegen. Und ich bin sicher, daß wir keine andere Wahl haben, wenn wir der menschlichen Gattung eine Zukunft sichern wollen.

Das ist eine Entscheidung, die wir gemeinsam treffen müssen. Ich bin mir dessen sehr bewußt in meinem Wahlkampf, in Frankreich, in Europa und der Welt, und ich bin entschlossen, diese Dimension aufzugreifen. Ich denke an all jene, die im „Basement“, wie man es nennt, in den neuen Katakomben inmitten des Feindes, auf eine neue Renaissance hinarbeiten. Eine solche Renaissance muß das Ziel jedes Wahlkampfs sein, den wir führen, bewaffnet mit einer Pädagogik, die wie jede gute Pädagogik in den Menschen einen Schock auslöst, ein ernsthaftes Nachdenken, eine Änderung.

In einer Zeit, in der alle vom „Wandel“ sprechen, liegt der wahre Wandel darin, daß wir erkennen, wie wir uns selbst ändern müssen, um unsere Gesellschaft wirklich auf der Grundlage von Prinzipien gründlich ändern zu können.

Das ist der Sinn der Mission, die uns alle heute zusammenführt. Aber wir müssen dies beweisen, indem wir handeln, indem wir arbeiten, um etwas für die Zukunft zu tun. Wir müssen unsere Fähigkeit beweisen, wahre französische Republikaner und Europäer zu sein, so wie die Menschen, die den frischen Wind spürten, der aus dem Amerika der Gründerväter kam, die Europa verlassen hatten, um dort auf der anderen Seite des Atlantiks etwas besseres zu schaffen. Wir müssen an all dies denken und es in uns tragen, um es an die künftigen Generationen weiterzugeben. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Cheminade hat die notwendigen Unterstützungsunterschriften
- Neue Solidarität 11/2011
Dokumentation der Berliner Konferenz des Schiller-Instituts
- Internetseite des Schiller-Instituts (externer Link)
Dossier zur Weltkriegsgefahr
- Neue Solidarität Online