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Von Helga Zepp-LaRouche
Bei der Konferenz, „Die BRICS-Alternative und die Entwicklung von Peru und Südamerika“, die am 28. Mai vom Verband der Absolventen der Militärhochschule (ADECAEM) in der peruanischen Hauptstadt Lima veranstaltet wurde, hielt Helga Zepp-LaRouche die folgende Ansprache, die als Videobotschaft übermittelt wurde.
Verehrte Konferenzteilnehmer,
lassen Sie mich Ihnen zunächst von ganzem Herzen gratulieren zu der gerade beschlossenen Idee, eine transkontinentale Eisenbahn zu bauen, wozu nach dem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang gerade eine Absichtserklärung zwischen Peru, Brasilien und China unterzeichnet wurde, eine Machbarkeitsstudie für diese 3300 km lange transkontinentale Eisenbahn zu erstellen. Sie wird die Pazifikküste Perus mit der Atlantikküste Brasiliens verbinden, und das bedeutet, daß diese sehr wichtige Infrastrukturverbindung den gesamten südamerikanischen Kontinent transformieren und die Produktivität der Produktionsprozesse steigern wird. Auf diese Weise wird der Lebensstandard der Bevölkerung erhöht und eine hoffnungsvolle Zukunft gebaut. Und das wird nur der erste Schritt sein.
Es bedeutet, daß Peru nun verbunden sein wird mit der atemberaubenden, optimistischen Transformation großer Teile der Weltwirtschaft, die begonnen hat, seit Präsident Xi Jinping im September 2013 in Kasachstan eine Politik der Neuen Seidenstraße ankündigte, und die mit dem BRICS-Gipfel im brasilianischen Fortaleza im vergangenen Juli in vollem Umfang in Gang gesetzt wurde.
Seitdem bildet sich ein paralleles Wirtschafts- und Finanzsystem aus, das auf ganz anderen Prinzipien beruht als das gegenwärtig immer noch dominierende Finanzsystem der transatlantischen Welt, des Weltwährungsfonds und der Weltbank, der Wall Street und der Londoner City. Die Neue Seidenstraße und die Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts wurden zum Synonym für das, was die Blockfreienbewegung vor vielen Jahren als „gerechte neue Weltwirtschaftsordnung“ bezeichnete, in der wieder die Menschen und das Gemeinwohl der Völker im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen, und nicht der Profit einiger weniger.
Diese neue Entwicklung ist wirklich gewaltig. Nachdem praktisch alle etablierten Medien des Westens diese neue Entwicklung fast zwei Jahre lang vollkommen ausgeblendet hatten, verbreitet sich nun plötzlich die Erkenntnis, daß dies zur neuen Realität der Welt geworden ist, und nun gibt es eine Flut von Artikeln, wie gerade im Time-Magazin, ein ziemlicher Wutausbruch unter der Überschrift „Neue Seidenstraße könnte die globale Wirtschaft für immer verändern - China und ein großer Teil der Welt beabsichtigen das größte Projekt zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Geschichte“. Und genau das ist es auch.
Denn die Neue Seidenstraße und die Maritime Seidenstraße sind überhaupt nicht auf Eurasien beschränkt. Das Schiller-Institut und EIR haben kürzlich eine 370seitige Studie erstellt, in der Sie auch die Karte finden, die Sie hinter mir sehen, mit dem Titel „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“. Das ist eigentlich ein Plan für die kommenden Jahrzehnte und enthält viele, viele Infrastrukturprojekte, die alle Kontinente miteinander verbinden. Das bedeutet, daß Sie schon sehr bald in der Lage sein werden, mit einer Magnetbahn oder einer anderen Hochgeschwindigkeitsbahn von Punta Arenas in Chile oder Ushuaia in Argentinien über die Interamerikanische Eisenbahn durch Mittel- und Nordamerika bis ganz hinauf in den Norden, weiter durch den Beringstraßen-Tunnel und quer durch ganz Eurasien, durch einen Tunnel durch die Straße von Gibraltar von Spanien nach Afrika und dann bis hinunter nach Südafrika zum Kap der Guten Hoffnung reisen können.
Ich denke, die meisten von uns würden eine solche Reise sicher gerne schon sehr, sehr bald machen.
Schon jetzt gibt es dank der chinesischen Führung und BRICS einen enormen Schub beim Bau von Infrastrukturkorridoren, neuen Kanälen wie dem Nikaraguakanal, Tunneln, Brücken, großen Wasserprojekten und Kooperation in der Kern- und Weltraumtechnik. Aber damit einhergehend entwickelt sich auch ein neues Finanzsystem - die Neue Entwicklungsbank der BRICS, die AIIB, die bereits 58 Gründungsmitglieder hat, darunter sogar zwölf NATO-Staaten, die Bank der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die SAARC-Bank für die Staaten Südasiens. Und wie Sergej Glasjew, der Präsident Putin berät, beim 7. Akademischen Forum der BRICS-Staaten sagte, das kürzlich in Moskau stattfand:
„Die Neue Entwicklungsbank (NEB) der BRICS ist keine Alternative zu IWF und Weltbank, sie ist eine Ergänzung, denn sie stellt sich den Herausforderungen, die die westlichen Institutionen gegenwärtig ignorieren. Der Weltwährungsfonds arbeitet für das Interesse der Spekulanten, und das enorme Volumen von Dollars, Euros, Pfund und Yen, das aus den Druckerpressen kommt, erreicht nun die BRICS-Länder in Form von Spekulationswellen und destabilisiert ihre Volkswirtschaften. Daher ist es notwendig, daß die BRICS-Länder ihre eigenen Finanzinstitutionen schaffen, um langfristige Entwicklungsprogramme umzusetzen. Teil dieses neuen Finanzsystems ist Notfall-Reserve-Arrangement [Contingent Reserve Arrangement, CRA], das im Grunde die Lehren aus der Asienkrise 1997 zieht, bei der Währungen asiatischer Länder innerhalb einer Woche um 80% hinabspekuliert wurden, und es ist die Antwort auf die jüngsten bösartigen Angriffe von Hedgefonds auf lateinamerikanische Länder.“
Dieses parallele System könnte sich sehr bald auch als Rettungsboot für das kollabierende, transatlantische Finanzsystem erweisen, denn dieses könnte jeden Moment in einem noch größeren Krach als dem in der Lehman-Brothers-Krise 2008 zusammenbrechen. Ein solcher Krach könnte ausgelöst werden durch den „Grexit“, wenn die EU-Troika Griechenland aus dem Euro herauswirft, was zum Kollaps des gesamten europäischen und wahrscheinlich auch amerikanischen Bankensystems führen würde; es könnte ausgelöst werden durch den Bankrott der Ukraine; oder auch nur durch das Platzen der Derivatblase, in der derzeit zwei Billiarden an ausstehenden Derivatschulden sind, die niemals zurückbezahlt werden können.
Die BRICS-Länder sollten also unbedingt vorsichtig sein. So gut es ist, daß der AIIB 58 Gründungsmitglieder beigetreten sind, denke ich, man muß da sehr aufpassen und darf im neuen System keine hochriskanten Spekulationen oder Derivatblasen zulassen.
Aber diese Neue Seidenstraße und neue Maritime Seidenstraße sind nicht bloß ein Wirtschafts- und Finanzsystem. In Wirklichkeit ist es auch die einzige Kriegsvermeidungspolitik, und derzeit stehen wir sehr dicht vor der Gefahr eines Krieges, wegen der Krise in der Ukraine und des Vorrückens der NATO nach Osteuropa an die Grenzen Rußlands.
Präsident Xi Jinping hat eine Strategie entwickelt, die ein Rezept zur Überwindung der Geopolitik ist, indem sie für alle inklusiv ist. Er bezeichnet es als eine „Win-win-Politik“. Chinas Kritiker sagen: „Das ist doch bloß ein Versuch Chinas, den anglo-amerikanischen Imperialismus abzulösen. Das wird bloß ein neuer chinesischer Versuch sein, die Welt zu übernehmen. Sie müssen heimlich Hintergedanken haben. Sie wollen an die Rohstoffe.“
Aber ich kann Ihnen versichern: Nein! Win-win bedeutet, daß alle Seiten Vorteile davon haben. Sicher, wie man in Afrika sehen kann, gewinnt China dadurch die Rohstoffsicherheit, die es braucht, schließlich sind ein Sechstel der Weltbevölkerung Chinesen. Aber sie bauen auch Infrastruktur für Afrika: Staudämme, Eisenbahnen und anderes. Und alle Afrikaner, mit dem ich gesprochen habe, sagten mir, daß ihnen diese „Win-win-Kooperation“ und der Nutzen daraus viel lieber ist, als wenn Vertreter der EU nach Afrika kommen, dort Sonntagsreden halten und über Menschenrechte sprechen, aber keine Infrastruktur liefern.
Oft wird gefragt: Kann man China trauen? Urteilen Sie selbst: Wie, denken Sie, war es möglich, daß China in 30 Jahren eine wirtschaftliche Entwicklung vollziehen konnte - das weltbekannte Chinesische Modell -, für die andere Länder in Westeuropa und die Vereinigten Staaten 150-200 Jahre gebraucht haben? Wie, denken Sie, war es China möglich, das Leben von 600 oder sogar 800 Millionen Menschen von der extremen Armut zur Zeit der Kulturrevolution in einen relativ anständigen Lebensstandard zu verwandeln? Und mit der Neuen Seidenstraße will China auch die noch verbliebene Armut in den inneren Regionen Chinas beseitigen.
Der Schlüssel dafür ist die konfuzianische Tradition in China.
Ich kann das mit der Geschichte meines eigenen Lebens, meinen persönlichen Erfahrungen verbinden, denn ich fuhr 1971 zum ersten Mal nach China, und das war mitten in der Kulturrevolution. Deshalb habe ich Erfahrungen aus erster Hand und weiß, wie arm die Chinesen waren. Und während der Kulturrevolution gab es bösartige Angriffe auf den Konfuzianismus.
25 Jahre später, 1996, kehrte ich dann nach China zurück, mit dem Vorschlag einer Eurasischen Landbrücke und der Neuen Seidenstraße, und ich nahm an einer großen Konferenz in Beijing teil. Und schon damals konnte man das Resultat der Reformen Deng Xiaopings sehen, der begonnen hatte, den Konfuzianismus, der schließlich 2500 Jahre lang Chinas Staatsphilosophie gewesen war, wieder einzuführen. Und kürzlich, im letzten Jahr, kehrte ich nochmals zweimal nach China zurück, und ich war absolut erstaunt über die sogar noch weit größere Entwicklung in den letzten 20-30 Jahren. Die Menschen waren einfach extrem optimistisch und froh, und sie hatten wirklich eine gute Vorstellung ihrer Zukunft.
Die Idee der konfuzianischen Philosophie, die meiner Meinung nach inzwischen quasi in den Genen des chinesischen Volkes verwurzelt ist, bedeutet, daß die Gesellschaft eine harmonische Entwicklung braucht. Sie muß beruhen auf den Schlüsselkonzepten des Ren, das man mit Wohlwollen oder Nächstenliebe übersetzen könnte, was bedeutet, daß die Gesellschaft auf das Gemeinwohl aller Menschen ausgerichtet sein muß. Und sie muß auf dem Li beruhen, was bedeutet, daß jede Nation und jeder Mensch seine eigene Rolle nach besten Kräften erfüllen und das volle Potential entwickeln soll. Und wenn alle Nationen und Menschen ihre besten Fähigkeiten entwickeln, dann hat man Harmonie in der gesamten Gesellschaft.
Die weisesten und die moralischsten Menschen müssen herrschen. Das ist die Idee des „Mandats des Himmels“, was bedeutet, daß die Regierung höheren Regeln folgen muß, nicht bloß den gewöhnlichen, tagtäglichen Notwendigkeiten, sondern sie muß von einer Art kosmischer Idee geleitet sein. Und wenn sie das Mandat des Himmels verloren hat, dann muß sie abgelöst werden durch die Chun-tzu, die edlen Weisen.
Nun, ich denke, mit Xi Jinping hat China einen Staatsführer, dessen Politik voll und ganz auf dem Konfuzianismus beruht - und ich kann Ihnen nur raten, seine Reden zu lesen. Sie sind absolut faszinierend: Reden, die er auf seinen Reisen nach Indien, nach Europa, nach Frankreich, nach Deutschland oder in anderen Ländern gehalten hat, wo er sich nicht bloß auf die konfuzianische Tradition Chinas beruft, sondern auch stets auf die besten Traditionen des Landes, das er gerade besucht.
Einige Zitate aus seinen Reden zeigen einen gewaltigen Optimismus:
„Menschen schaffen Geschichte und Arbeit schafft die Zukunft. Arbeit ist die fundamentale Kraft, die den Fortschritt der Gesellschaft antreibt. Glückseligkeit fällt nicht vom Himmel und Träume werden nicht automatisch wahr, sondern durch Arbeit - fleißige, ehrliche, kreative Arbeit.
Arbeit ist sehr ehrenhaft, erhaben, großartig und schön. Sie setzt die kreativen Potentiale frei, um eine bessere Zukunft für alle zu schaffen. Wissenschaft und Technik sind die primären produktiven Kräfte. Deshalb bildet China eine so große Zahl von hochkalibrigen, kreativen Wissenschaftlern und Ingenieuren aus. Wir sind stolz, die meisten Wissenschaftler und Ingenieure auf der ganzen Welt zu haben.“
Ich denke, gegenwärtig wird die chinesische Vorstellung von Made in China ersetzt durch Created in China - „Geschaffen in China“. Denn China produziert nicht nur, es erfindet auch. China entwickelt neue Technologien und verwandelt sie in die fortgeschrittensten Produkte der Welt. China ist dabei, sich in eine vollkommen auf Innovationen aufgebaute Volkswirtschaft zu verwandeln. Das ist die Idee, daß die einzige wirkliche Quelle des Wohlstands in der Kreativität der eigenen Bevölkerung liegt. Der „Chinesische Traum“ ist die Idee, eine bessere Zukunft für die gesamte Gesellschaft zu schaffen, die auf der vollständigsten Entwicklung des schöpferischen Potentials jedes einzelnen in dieser Gesellschaft beruht.
Nachdem ich nun seit mehr als 40 Jahren mit meinem Ehemann Lyndon LaRouche zusammenarbeite, kann ich sagen, daß China derzeit die größte Annäherung an das darstellt, was LaRouche als die „physische Wirtschaft auf der Grundlage des Verständnisses der Menschheit als der einzigen kreativen Gattung“ bezeichnet. Die Neue Seidenstraße bedeutet einfach, das chinesische Wirtschaftswunder allen Nationen zugänglich zu machen, die an diesem Chinesischen Traum teilhaben wollen, indem sie ihr eigenes Potential entwickeln, in ihrem eigenen Interesse und zum gegenseitigen Vorteil.
Xi Jinping hat einmal gesagt, selbst wenn zwischen China und Lateinamerika ein gewaltiger Ozean liegt, sind sie doch in ihren Herzen und Seelen miteinander verbunden, und sie sollten ihrem wunderschönen Traum gemeinsam folgen. Genau das ist es, was jetzt mit der Transkontinentalen Eisenbahn auf der Tagesordnung steht. Und so, wie wahrscheinlich schon Admiral Zhou Man im 15. Jahrhundert seine Flotte an die Küste von Peru steuerte und wichtige Technologien nach Peru brachte, mögen sich heute alle Menschen in Peru inspirieren lassen vom Bau dieser Transkontinentalen Eisenbahn, als dem Beginn der Transformation des ganzen lateinamerikanischen Kontinents.
Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Konfuzius, der vor allem die jungen Menschen immer ermutigt hat, den Mut zu neuen Ideen zu haben. Er sagte: „Junge Menschen sollten die Willenskraft haben, Wege durch Berge zu bahnen und Brücken über Flüsse zu bauen.“ Und genau das ist der Geist, der den Bau der Transkontinentalen Eisenbahn leiten wird. Er ist das Versprechen einer neuen Ära für die ganze Menschheit.