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Neue Solidarität
Nr. 47, 18. November 2015

Wir brauchen globale Kooperation anstelle nuklearer Kriegsvorbereitungen

Von Alexander Hartmann

Die Politik von US-Präsident Barack Obama könne die Welt schon sehr bald in die thermonukleare Vernichtung treiben, warnte Rußlands Präsident Wladimir Putin am 10. November in seiner Rede zur Eröffnung einer Konferenz des russischen Verteidigungsministeriums mit Vertretern der russischen Rüstungsindustrie. Putin machte deutlich, daß die USA in Bezug auf die wahren Gründe für den Bau eines globalen Raketenabwehrsystems (ABM) gelogen haben, da der Iran, der stets als Bedrohung vorgeschoben wurde, inzwischen das Atomabkommen mit den P5+1-Staaten unterzeichnet und auf Kernwaffen verzichtet habe. In Wirklichkeit sei der Zweck des ABM-Systems der USA und ihrer Verbündeten schon immer gewesen, das globale militärische Gleichgewicht zu ändern, um einen thermonuklearen Erstschlag der USA gegen Rußland möglich zu machen. Aber Rußland werde das nicht zulassen, sondern baue seinerseits neue Waffensysteme, um mögliche Vorteile, die sich die USA durch Raketenabwehr verschaffen könnten, auszugleichen.

Auf die eigentliche Ursache dieses Problems - das westliche militärische Denken - verwies kürzlich Stephen Blank von der außenpolitischen Denkfabrik American Foreign Policy Council in einem Artikel mit der Überschrift „Der Westen unterschätzt Putin - auf eigene Gefahr“: „Für den großen britischen Militäranalysten Basil Liddell-Hart war es axiomatisch, daß der Zweck eines Krieges ein besserer Frieden sei. Mit anderen Worten, Militäroperationen haben nur dann Erfolg, wenn sie im Verhältnis zu den politischen Ergebnissen und strategischen Gewinnen stehen.“ Aber die Regierung Obama sei offenbar - im Gegensatz zu Rußland - nicht in der Lage, so strategisch zu denken: „Welche Fehler Rußland und seine Streitkräfte auch haben mögen, diese Geringschätzung strategischen Denkens gehört nicht dazu. Washingtons Eliten können es, mit wenigen Ausnahmen, nicht akzeptieren, daß Rußlands Präsident Wladimir Putin strategisch denkt und handelt.“

Tatsächlich geht es aus der Sicht des russischen Präsidenten auf der strategischen Ebene darum, das Gleichgewicht des Schreckens wiederherzustellen, um einen Atomkrieg auszuschließen, während die Regierung Obama offenbar glaubt, sie könne ihre Gegner zur Unterwerfung zwingen, indem sie versucht, einen Atomkrieg denkbar, führbar und sogar gewinnbar zu machen - eine gefährliche Selbstüberschätzung. Nur wenn der Westen seine Haltung ändert, ist eine Konfrontation zu vermeiden - und diese Änderung der Haltung ist nicht zu erwarten, solange Präsident Obama im Amt verbleibt.

Modernisierung der Atomwaffen

Zu den amerikanischen Bestrebungen, einen Nuklearkrieg zu ermöglichen, gehört neben dem Aufbau der Raketenabwehr auch die Modernisierung des US-Kernwaffenarsenals in Europa. Der Sender PBS brachte am 5. November in seiner Sendung „Newshour“ einen Bericht zu diesem Thema und beschrieb darin wesentliche Elemente der Modernisierung - präzisere Steuerung, unterschiedlich wählbare Sprengkraft, neue Elektronik und neuer Zünder - sowie Argumente für und wider das Modernisierungsprogramm. Vom Londoner Guardian auf diese Sendung angesprochen, bestätigte der frühere Vizechef der Vereinten Stabschefs der USA, General a.D. James Cartwright, die neue B61-12 werde „einsetzbarer“ sein als die bisherigen US-Atomwaffen. Julian Borger zitierte Cartwright am 10. November in seiner Kolumne:

Hans Kristensen von der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler, der ebenfalls in der PBS-Sendung auftrat, schrieb in seinem Internetblog, Cartwrights Aussage bestätige die Einschätzung des Generalstabschefs der US-Luftwaffe, General Norton Schwartz, der 2014 gesagt hatte: „Eine verbesserte Zielgenauigkeit und eine geringere Sprengkraft sind zweifellos eine erwünschte militärische Kapazität. Gar keine Frage.“ Dies zeige, daß sich das Denken der Militärs über die Bombe aufgrund der neuen Fähigkeiten ändert.

„Die Wirkung der Modernisierung der B61-12 wird am dramatischsten in Europa sein, wo derzeit weniger präzise, ältere Versionen der B61 an sechs Stützpunkten in fünf Ländern zum Einsatz mit Hilfe älterer Flugzeuge stationiert sind“, schreibt Kristensen. Er erwähnt jedoch nicht ausdrücklich, daß 180 dieser neuen Bomben in Europa stationiert werden sollen und ihr Ziel Rußland sein wird.

Nicht alle im Westen übersehen die Gefahr, die in der Konfrontationshaltung des Westens liegt. Julian Borger schreibt in seinem Guardian-Kommentar: „Das wichtige an den Atomwaffen war immer, daß ihr Einsatz undenkbar sein sollte und sie daher eine Abschreckung davor waren, einen neuen Weltkrieg in Erwägung zu ziehen. Wenn sie ,denkbar’ werden, dann leben wir in einem anderen und viel gefährlicheren Universum.“

Tatsächlich warnte Putin in Sotschi: „Wir haben wiederholt gesagt, daß Rußland die notwendigen Gegenmaßnahmen ergreifen wird, um sein nukleares Potential zu stärken. Wir werden auch an Raketenabwehrsystemen arbeiten, aber in der ersten Phase werden wir uns, wie wir bereits gesagt haben, auch auf Offensivsysteme fokussieren, die in der Lage sind, Raketenabwehrsysteme zu überwinden.“ Rußland habe in den letzten drei Jahren „eine Reihe vielversprechender Waffensysteme entwickelt, die in der Lage sind, weitreichende Kampfeinsätze auch unter den Bedingungen eines Raketenabwehrsystems durchzuführen“. Einige dieser Systeme seien in diesem Jahr bereits in Dienst gestellt worden.

Aber auch China ist im Visier der amerikanischen Konfrontationspolitik, wie die Vorstöße der amerikanischen Marine in von China beanspruchte Hoheitsgewässer im Südchinesischen Meer zeigen. Und auch China sieht sich gezwungen, sich für eine militärische Konfrontation zu rüsten. So warnte die offizielle Zeitung Global Times am 11. November die USA direkt: „Wenn im asiatischen Pazifik militärische Spannungen zwischen China und den USA ausbrechen und sie ihre hochentwickelten Rüstungsgüter einsetzen werden, dann werden die Spannungen wahrscheinlich auch amerikanische Militärstützpunkte an weit entfernten Orten erfassen - sogar in ihrer Heimat, da auch China seine fortgeschrittenen Waffensysteme einsetzen wird.“

Strich durch die Rechnung

Während die westlichen Parlamente der amerikanisch-britischen Konfrontationslinie folgen, demonstrierte der Senat der Philippinen soeben, daß es auch anders geht. Die Präsidenten Obama und Aquino hatten im vergangenen Jahr eine Vereinbarung getroffen, mit der das in der Verfassung festgeschriebene Verbot der Stationierung ausländischer Truppen im Land umgangen werden sollte, um eine dauerhafte starke Truppenpräsenz der USA an der Grenze zu China zu ermöglichen: Im Rahmen einer „verstärkten Verteidigungskooperation“ sollten die US-Truppen im Land einfach zu „Gästen“ in Militärbasen der Philippinen erklärt werden; da es sich lediglich um eine „Vereinbarung“ handle, sei dafür die Zustimmung des Parlaments nicht notwendig, behauptete Aquino. Nachdem bekannt geworden war, daß der Oberste Gerichtshof des Landes diese Interpretation unmittelbar vor dem Eintreffen Obamas in Manila zum APEC-Gipfel - quasi als Willkommensgruß - absegnen würde, erklärte die Mehrheit des Senats am 10. November, es handle sich bei der Vereinbarung eindeutig um einen Vertrag, der vom Senat ratifiziert werden müsse, um in Kraft zu treten, und machte so einen dicken Strich durch Aquinos Rechnung.

Es ist lange her, daß das Parlament eines amerikanischen Verbündeten in dieser Weise Rückgrat gezeigt hat - und es täte allen Beteiligten gut, wenn sich unsere Volksvertreter öfter daran erinnern würden, daß auch sie damit beauftragt sind, für die Interessen ihrer Wähler einzustehen. Interessanterweise berichtete der Philippine Inquirer am 12. November, Präsident Aquino habe dem chinesischen Außenminister Wang Yi zugesichert, daß die Kontroverse um das Südchinesische Meer beim APEC-Gipfel nicht auf der Tagesordnung stehen werde.

Auch der am 10. November verstorbene frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt war in Bezug auf das „Rückgrat zeigen“ ein gutes Vorbild. Noch mit fast 95 Jahren reiste Schmidt im Dezember 2013 demonstrativ zu einem „Abschiedsbesuch“ nach Moskau, um in einer Lage, wo die westliche Politik gerade auf den britisch-amerikanischen Konfrontationskurs eingeschworen wurde, ein strategisches Signal zu setzen, daß die deutsch-russische Freundschaft und Zusammenarbeit trotz aller Differenzen für Europa und für ganz Eurasien lebenswichtig ist. Schmidt sagte bei seinem Treffen mit Präsident Putin, es sei ihm „besonders wichtig“, trotz seines Alters zu diesem Zeitpunkt Moskau zu besuchen, um zu erklären: „Wir werden immer Nachbarn bleiben. Trotz irgendwelcher wirtschaftlicher Entwicklungen oder militärischer Entwicklungen wird uns das Schicksal immer aneinander binden... Aber in guten und in schlechten Zeiten bleiben wir dennoch immer Nachbarn - Nachbarn, die aufeinander angewiesen sind.“ (Übersetzung aus dem Englischen von der Kreml-Webseite, Red.)

Putin antwortete damals: „Wir haben alles, was wir brauchen, um miteinander zu wachsen, statt einander zu bekämpfen. Die heutigen Trends der globalen Entwicklung drängen uns dahin, Kräfte zu vereinen.“

Dies trifft heute noch stärker zu als vor zwei Jahren, denn der Welt drohen nicht nur militärische Verwicklungen, die zu einem Atomkrieg führen können. So mehren sich die Warnungen, daß das transatlantische Finanzsystem wieder unmittelbar vor einem Zusammenbruch steht, der diesmal noch weit größer wäre als der von 2007-08. Und inzwischen gibt es zig Millionen Menschen auf der Welt, die vor der Zerstörung ihrer Heimat durch Krieg und durch die westliche Wirtschafts- und Finanzpolitik fliehen; eine wahre Völkerwanderung ist dabei, Europa zu überrollen. Und dies sind nur die wichtigsten der Probleme, deren Ursachen behoben werden müssen.

Tatsächlich ist es sehr wohl möglich, diese Ursachen zu beheben, aber dazu müssen wir mit Rußland, China und den übrigen Nationen beim Wiederaufbau der zerstörten Nationen zusammenarbeiten, anstatt den vergeblichen und selbstmörderischen Versuch zu unternehmen, ihnen unsere Politik durch Drohungen oder den Einsatz von Waffengewalt aufzuzwingen. Die BRICS-Staaten machen es vor - wenn wir die heutige Krise überleben wollen, müssen wir uns ihnen anschließen!