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Neue Solidarität
Nr. 47, 18. November 2015

Die Flüchtlingskrise ist mit Austeritätspolitik nicht zu lösen

Die aktuelle Flüchtlingskrise, die einer neuen Völkerwanderung gleichkommt, sollte Grund genug sein, die neoliberalen „Reformen“ und barbarische Austerität der Europäischen Union (euphemistisch als „Stabilitätspakt“ oder Schäubles „schwarze Null“ bezeichnet), die ganze Volkswirtschaften ruiniert, sofort aufzugeben.

Besonders dramatisch zeigt sich dies in Griechenland, wo seit Jahresbeginn bis zu 600.000 Flüchtlinge eingereist sind, davon allein 300.000 über die Insel Lesbos. Griechenland hat schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgegeben, aber die EU hat ganze acht Millionen Euro Zuschuß gewährt. Gleichzeitig fordern die Gläubiger des Landes mehrere Milliarden Euro Kürzungen im Staatshaushalt, beschleunigte Zwangsräumungen von Wohnungen sowie Steuererhöhungen. Man sollte auch nicht vergessen, daß eine halbe Million Griechen ins Ausland abgewandert sind.

Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte am 29. Oktober im Parlament in Athen in der ersten von mehreren äußerst kritischen Reden zur EU-Politik: „Das Ägäische Meer spült nicht nur Leichen von Kindern ans Ufer, sondern auch den Leichnam der EU-Kultur.“ Er sei beschämt über „Europas Unfähigkeit, auf dieses Drama wirksam zu reagieren“. Die Tränen der Verantwortlichen seien Krokodilstränen, denn der Bürgerkrieg in Syrien sei die Folge geopolitischer Interessen des Westens und der EU.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, besuchte am 4. November Griechenland anläßlich der Ausreise von 30 Flüchtlingen nach Luxemburg (ein schlechter Scherz, zumal Luxemburg das zweithöchste BIP pro Kopf auf der Welt hat). Bei dieser Gelegenheit sprach Tsipras sehr offen: „Man muß die Fragen hinter dieser ökonomischen Barbarei sehen, die in den Bereich der Ethik fallen. In einer Zeit, in der die Bewohner der Inseln ihre Arme den Flüchtlingswellen öffnen, ist die Regierung verpflichtet, auf den Inseln die Mehrwertsteuer zu erhöhen.“

Und wie könne die Regierung Flüchtlingen Unterkünfte anbieten, während sie gleichzeitig griechische Familien aus ihren Wohnungen wirft?

Die 30 Flüchtlinge auf dem Weg nach Luxemburg seien ein bloßer „Tropfen im Ozean“; um die europäischen Werte zu bewahren, müsse daraus „ein Bach“ und dann „ein Fluß der Menschlichkeit“ werden. Die letzten Monate seien für die Griechen extrem schwierig gewesen, dennoch seien sie stolz darauf, mit ihrer Solidarität die Ehre Europas zu retten.

In Deutschland ist eine hitzige Debatte darüber ausgebrochen, ob der Strom der syrischen und anderen Flüchtlinge bewältigt werden kann, wie viele bleiben und wie viele später nach Syrien zurückkehren werden, ob die Mehrheit integriert werden kann und wie am Ende die „Kosten-Nutzen-Rechnung“ aussehen wird.

Für die Regierung erklärte Vizekanzler Sigmar Gabriel, die geplanten Investitionen in Bildung, Kindergärten und Schulen in Milliardenhöhe hätten den Effekt eines kleinen Konjunkturprogramms. Die offizielle Linie sieht also zumindest für Deutschland die positiven Effekte überwiegen.

Am 3. November sagte der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, seiner Ansicht nach werde die Wirtschaft innerhalb von fünf bis sieben Jahren von der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt profitieren. Mit einer richtigen Integrationsstrategie würden diese zum Wirtschaftswachstum beitragen und die notwendigen Ausgaben für die Integration mehr als kompensieren. Das Kostenargument sei unsinnig, denn genausogut könne man behaupten, die Hälfte der jungen Deutschen, die sich in der Schul- und Berufsausbildung befinden, seien ein wirtschaftlicher Verlust, was natürlich absurd ist.

Am 5. November sagte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), man müsse dringend Flüchtlinge in qualifizierte Berufsausbildung bringen, ähnlich wie die Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung. „Es wäre ein starkes Signal, wenn wir langsam anfangen, über die Hauptaufgabe der kommenden Monate und Jahre zu reden, und das ist die Integration der Menschen und die wird sich nicht von selber lösen.“ Die bisher von Berlin vorgesehenen zwei Milliarden Euro für 800.000 Flüchtlinge seien nicht ausreichend.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Bauindustrie, Michael Knipper, sagte am 6. November, die Baubranche fordere einen „industriellen Wohnungsbau“ mit Prototypen, die in ganz Deutschland wie am Fließband zu günstigen Kosten gebaut werden, um die Bauzeit auf wenige Monate zu verkürzen.

Es wird dringend ein Sofortprogramm benötigt, und das nicht nur für den Wohnungsbau. Die jüngsten Statistiken zeigen einen Rückgang der Produktion im produzierenden Gewerbe in Deutschland im September um 1,1% gegenüber dem Vormonat. Der Rückgang der Produktion in der Industrie und von Investitionsgütern betrug 1,4%, die Produktion von Konsumgütern schrumpfte um 3,2%.

eir