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Neue Solidarität
Nr. 39, 23. September 2009

Der Euthanasieskandal in Großbritannien

Der vom britischen Nationalen Gesundheitsdienst empfohlene Liverpool Care Pathway bedeutet für viele Patienten den vorzeitigen Tod.

Als Lyndon LaRouche und sein politisches Aktionskomitee LPAC vor einigen Monaten eine Kampagne gegen die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama begannen und den Vorwurf erhoben, dies sei eine Kopie der mörderischen Politik der „Kostendämpfung“ im Dritten Reich, als man „lebensunwertem Leben“ den „Gnadentod“ gewährte, hielten viele das für übertrieben. LPAC-Aktivisten wurden verleumdet und manchmal sogar tätlich angegriffen.

Inzwischen hat sich der Widerstand gegen Obamas Vorhaben zu einem politischen Aufstand gesteigert, wie man ihn in Amerika seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Dennoch wollen der Präsident, seine Berater und seine Hintermänner die Gesundheitsreform verzweifelt irgendwie durchbringen, auch wenn die große Bevölkerungsmehrheit sie entschieden ablehnt - eben weil zahlreiche hilflose Menschen durch sie zum Tode verurteilt würden.

LPAC hat auch enthüllt, daß Obamas Plan dem Vorbild der Gesundheitspolitik folgt, die in Großbritannien unter Premierminister Tony Blair eingeführt wurde. Der Name der für diese Politik verantwortlichen Institution ist irreführenderweise „NICE“ (Nationales Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz), was als Wort gelesen im Englischen soviel wie „lieb“ oder „nett“ heißt.

Die Fakten, die wir in unserer Zeitung ausführlich dargelegt haben, sind eindeutig: Obamas Gesundheitspolitik ist ein Mittel, im Namen der „Kosteneffizienz“ Millionen Amerikaner umzubringen. „Todesräte“, die eine Rationierung der medizinischen Behandlung vorschreiben, sind dabei nicht nur für die Zukunft geplant, z.B. in Form erweiterter Befugnisse des Beirats für Medicare-Politik („MedPAC mit Muskeln“, wie Obama sagte) oder eines Unabhängigen Medicare-Beirats IMAC, wie ihn sein Haushaltsdirektor Peter Orszag fordert. Sie existieren sogar schon in Form verschiedener Ausschüsse für „vergleichende Effizienzstudien“, die im Februar durch das sogenannte „Aufschwungsgesetz“ geschaffen wurden.

In diesen politischen Machtkampf in Amerika schlug nun eine politische Bombe aus England ein. Die Enthüllungen unterstreichen auf dramatische Weise LaRouches Vorwürfe: Die NICE-Politik, hinter der die gleichen Leute stehen wie hinter Obamas Gesundheitsreform, führt in Großbritannien schon jetzt zu Massen-Euthanasie.

Wenn der Gesundheitsdienst das Todesurteil fällt

„Todesurteil durch den NHS“, lautet die Schlagzeile eines schockierenden Artikels im Londoner Daily Telegraph vom 3. September (NHS ist der staatliche britische Nationale Gesundheitsdienst). Darin wird berichtet, daß 2007-08 jeder sechste Sterbefall (16,5%) in Großbritannien die Folge „unfreiwilliger Sterbehilfe“ war.

Anlaß für den Artikel ist ein Leserbrief renommierter Palliativmediziner, die das NICE-Programm Liverpool Care Pathway (LCP) verurteilen, weil dadurch „Patienten mit tödlichen Krankheiten vorzeitig sterben“. Der LCP wurde ab den neunziger Jahren am Marie-Curie-Hospiz in Liverpool in Zusammenarbeit mit Medizinern der Liverpooler Universität entwickelt. Ursprünglich für die Pflege von Krebspatienten in der letzten Phase vor ihrem Tod entworfen, wird es heute auf alle Patienten angewendet, egal an welcher Krankheit sie leiden (siehe nebenstehenden Bericht). Der LCP wurde von NICE 2004 offiziell empfohlen und wird inzwischen von 300 Krankenhäusern, 130 Hospizen und 540 Pflegeheimen im ganzen Land angewendet. Der LCP wird auch schon in anderen Ländern praktiziert, in Deutschland beispielsweise am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg.

Der LCP erlaubt es, daß Ärzte einem Patienten Nahrung, Flüssigkeit und Behandlung entziehen, wenn sie zu dem Schluß gelangen, daß er kurz vor dem Tod steht. Doch wie die Experten in ihrem Brief betonen, ist „das Vorhersagen des Todes eine ungenaue Wissenschaft“, und die Diagnose kann oft falsch sein.

Kritik an dem Denken hinter dem LCP gibt es schon lange. 1999 warf Prof. Adrian Treloar, heute führender Psycho-Geriater an verschiedenen Londoner Krankenhäusern, dem NHS „unangeforderte Sterbehilfe“ vor. Damals hatte der britische Ärzteverband BMA Richtlinien erlassen, wonach Ärzte bei Patienten, die aufgrund schwerer Schlaganfälle oder Demenz nicht in der Lage sind, ihren Willen zu äußern, den Entzug künstlicher Ernährung anordnen können. Die Richtlinie lautete: „Ärzte sollten das letzte Wort darüber haben, ob eine Behandlung, einschließlich der Zufuhr von Nahrung und Trinkwasser, im besten Interesse des Patienten ist. Es ist nicht immer angemessen, ein Leben zu verlängern.“

Im letzten Jahr warnte Treloar in einem Brief an das British Medical Journal (26.4.2008), die Qualifikationskriterien des LCP seien ein Rezept für systematische Euthanasie an behinderten Patienten. „In Verbindung mit Flüssigkeitsentzug führt eine tiefe Sedierung [Gabe starker Beruhigungsmittel] sehr schnell zum Tod“, schrieb Treloar. „Der LCP bedroht Patienten, weil seine Qualifikationskriterien nicht sicherstellen, daß nur Menschen, die tatsächlich am Sterben sind, diesen Weg gehen. Sie lassen zu, daß der LCP bei Patienten angewendet wird, wenn man annimmt, daß sie sterben, bettlägerig sind und keine Tabletten nehmen können. Bei chronischen Krankheiten wie etwa Demenz kann das Sterben Jahre dauern, aber auch bei solchen Patienten kann er angewendet werden. Allgemeinmediziner bringen oft Patienten auf diesen Weg, ohne Ratschlag über Palliativpflege einzuholen.“

Treloar äußerte die Sorge, daß „Sedierung als billige Alternative zur Untersuchung und Behandlung durch Spezialisten verwendet wird. Der LCP empfiehlt eine Sedierung und Opiate ,nach Bedarf’ für alle Patienten, auch wenn sie gar nicht erregt, in Schmerzen oder beunruhigt sind. Eine automatische Verschreibung schwerer Sedierung beinhaltet Risiken. Außerdem empfiehlt der LCP, innerhalb von vier Stunden nach der Verschreibung durch den Arzt die Sedierungskanülen anzulegen... Die Notwendigkeit von Nahrung und Flüssigkeit wird im LCP nicht erwähnt.“

Treloar verweist auf eine holländische Studie über den LCP: „Reitjens et al. zeigen, daß der Entzug künstlicher Ernährung und Flüssigkeitszufuhr die Norm ist. Dieses Versäumnis des LCP, Prüfung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu veranlassen, kann zu schweren Fehlern bei der Versorgung sterbender Patienten führen. Es ist inakzeptabel, ... Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr im LCP nicht zu berücksichtigen. In manchen Fällen ist eine Sedierung richtig. Aber... als Folge einer tiefen Sedierung wird mit dem Tod gerechnet. Wir müssen aus der Beobachtung von Reitjens et al. lernen, daß eine ständige tiefe Sedierung an die Stelle von Euthanasie treten kann.“

Am 13. August warnte der Gesundheitskorrespondent der BBC, es gebe Hinweise darauf, daß einige Krankenhausärzte „kontinuierliche tiefe Sedierung“ (CDS) als Form langsamer Euthanasie anwenden. Laut einer Studie von Prof. Clive Seale von der angesehenen Londoner Medizinischen Hochschule Barts and the London School of Medicine and Dentistry folgte man im vergangenen Jahr bei 16,5% aller Todesfälle in Großbritannien dem „Liverpool-Weg“.

Nancy Spannaus und William Wertz

Lesen Sie hierzu bitte auch:
NICE entscheidet über Leben und Tod
- Neue Solidarität Nr. 25/2009
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