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Von Alexander Hartmann
Das neunte von Helga Zepp-LaRouches Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur lautet:
„Um die Konflikte zu überwinden, die aus den Differenzen erwachsen, mit denen die Imperien die Kontrolle über ihre Untertanen aufrechterhalten haben, muß die wirtschaftliche, soziale und politische Ordnung mit der Gesetzmäßigkeit des physischen Universums in Einklang gebracht werden. In der europäischen Philosophie wurde dies als das Sein im Einklang mit dem Naturrecht diskutiert, in der indischen Philosophie als Kosmologie, und in anderen Kulturen lassen sich entsprechende Begriffe finden.“1
Nun bricht das System der Geopolitik zusammen – mitsamt seinem parasitären Militärisch-Industriellen Komplex, seinem zerfallenden Finanzsystem und seinem menschenfeindlichen Bedürfnis nach einem Feindbild –, gerade weil es nicht im Einklang mit dem Naturrecht steht.
Dies zeigte sich am 3. Dezember beim NATO-Außenministertreffen in Brüssel, dem US-Außenminister Marco Rubio fernblieb, weil er, wie ein Mitarbeiter gegenüber Journalisten erklärte, „bereits an Dutzenden von Treffen mit NATO-Verbündeten teilgenommen hat und es völlig unrealistisch wäre, ihn bei jedem Treffen zu erwarten“. Offensichtlich hält die US-Regierung direkte Gespräche mit Rußland und der Ukraine für zielführender als Sitzungen mit europäischen Betonköpfen, die sich dem Frieden verweigern.
Vielleicht gerade deshalb überboten sich die Anführer der europäischen „Koalition der Willigen“ gegenseitig darin, über Präsident Putin als Feind des Friedens zu schimpfen und zu jammern, der amerikanische Friedensplan sei „frustrierend“ (so der finnische Präsident Alexander Stubb). Gleichzeitig versprachen sie, die Ukraine auf dem Schlachtfeld bis zum letzten Ukrainer zu unterstützen.
Auch der neokonservative polnische Außenminister Radoslaw Sikorski ist wegen der schwindenden Unterstützung der USA nervös. Im Vorfeld des Gipfels wurde bekanntgegeben, daß Polen, Deutschland und Norwegen 500 Millionen Dollar zu einem US-Waffenprogramm für die Ukraine beisteuern werden. „Wir hoffen, daß Amerika das zur Kenntnis nimmt“, sagte er dazu. „Wir müssen unsere Widerstandsfähigkeit gegen Rußlands hybride Kriegsführung stärken. Rußland eskaliert, und wir brauchen Solidarität sowie eine realistische Einschätzung seiner Absichten, die alles andere als harmlos sind“, zitierte das polnische Radio Sikorski nach dem Ministertreffen.
Triumphierend verkündete er, daß der NATO-Rußland-Rat aufgelöst und die NATO-Rußland-Gründungsakte, in der beide Seiten vereinbarten, keine Feinde mehr zu sein, aufgehoben wurden. Die Nachrichtenagentur TASS zitierte ihn: „Unter den formellen Beschlüssen bitte ich Sie, die Erklärung des Generalsekretärs zur Kenntnis zu nehmen, daß der NATO-Rußland-Rat nicht mehr existiert. Der NATO-Rußland-Rat und die NATO-Rußland-Gründungsakte sind nicht mehr in Kraft.“
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hingegen kritisierte nach dem Treffen den vereinten europäischen Widerstand gegen die Friedensbemühungen. „Die ‚roten Linien‘ für die Ukraine werden nicht von den Ukrainern selbst festgelegt, sondern von den Europäern, die ihnen ihre Bedingungen diktieren und ihnen nicht erlauben, eine Vereinbarung zu erzielen“, sagte er laut TASS. Die Anführer der EU „verhindern eine Friedensvereinbarung und drängen die Ukrainer, mehr Menschen zu verlieren, alles mit dem Ziel, einen Krieg gegen die Russen zu beginnen... Meiner Meinung nach ist das völlig inakzeptabel“, betonte er. „Wir wollen nicht, daß Europa mit Rußland Krieg führt. Wir wollen nicht, daß das zukünftige Europa in einen Krieg verwickelt wird.“
Die europäischen NATO-Staaten seien „offensichtlich Opfer eines militärischen Fanatismus geworden, der sie blind macht, und unfähig, rationale Entscheidungen zu treffen... Ich kann Ihnen sagen, daß die NATO-Mitgliedsländer, die zum europäischen Mainstream gehören, keinen Frieden wollen. Der Mainstream will keinen Frieden, er will Krieg gegen Rußland und versucht deshalb, die Friedensbemühungen zu untergraben. Selbst wenn trotz der Unterminierungsversuche Frieden erreicht wird und die Friedensbemühungen erfolgreich sind, sagen führende europäische NATO-Länder, daß sie langfristig weiter feindselige Beziehungen zu Rußland erwarten.“
Die EU-Staaten lebten immer noch in der Illusion, sagte Szijjarto, daß die Ukraine den Krieg gewinnen könne. Dabei habe Europa tonnenweise Waffen und Unmengen an Geld geschickt, ohne daß die Ukraine das Blatt auf dem Schlachtfeld wenden konnte. Die ungarische Regierung bleibe bei ihrer Überzeugung, daß der Ukrainekonflikt nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden kann. „Deshalb unterstützen wir die Friedensbemühungen von US-Präsident Donald Trump voll und ganz“, schloß Szijjarto.
In einem weiteren feindseligen Akt gab der sogenannte „Trilog“ (EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament) eine Einigung auf eine vollständige Beendigung aller russischen Gasimporte bis 2027 bekannt. Im Jahr 2025 hat die EU trotz der Sanktionen bisher russisches Gas im Wert von fast 10 Milliarden Euro importiert. Die neue Regelung sieht vor, daß langfristige Verträge für Flüssigerdgas (LNG) ab dem 1. Januar 2027 und Verträge für Pipelinegas ab dem 30. September 2027 verboten werden (außer wenn die Gasreserven unter den Mindestvorgaben liegen und die Energiesicherheit eines Landes gefährdet ist).
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bemerkte dazu: „Sie sind immer noch besessen von der Idee, Rußland eine strategische Niederlage zuzufügen.“ Gerade hätten 15 EU-Mitgliedstaaten noch mehr Geld für Waffen für die Ukraine zugesagt – finanziert durch Kredite –, und die EU habe einen selbstmörderischen Plan aufgestellt, die russischen Gasimporte bis 2027 vollständig zu beenden. „Das wird nur den Prozeß der letzten Jahre beschleunigen, nämlich daß die europäische Wirtschaft ihr Führungspotential verliert.“
Letzteres bestätigt ein neuer Bericht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der eine Wirtschaft im freien Fall beschreibt. „Der Wirtschaftsstandort befindet sich in seiner historisch tiefsten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik, doch die Bundesregierung reagiert nicht entschlossen genug“, schreibt BDI-Präsident Peter Leibinger darin. „Die deutsche Industrie steht am Ende des Jahres 2025 vor einem dramatischen Tiefpunkt.“2
Unterdessen nehmen die Spannungen in Ostasien zu. In einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums zur 20. Runde der strategischen Sicherheitskonsultationen zwischen China und Rußland wird der „hohe Grad an Übereinstimmung“ zwischen den beiden Ländern bei Japan betreffenden Fragen hervorgehoben. Beide Seiten seien sich darin einig, „den Versuchen des Faschismus und des japanischen Militarismus, ein Comeback zu feiern, entschlossen entgegenzutreten“.
Nicht besser ist die Lage in der Karibik, wo die Kriegsplanung weitergeht, nachdem US-Präsident Trump in einer Kabinettssitzung am 2. Dezember verkündet hat, es würden „sehr bald“ Landoperationen in Venezuela und möglicherweise auch in Kolumbien beginnen.
Diese beiden schwelenden Konflikte, die jeden Moment ausbrechen könnten, offenbaren die Strategie des Imperiums: Wenn Aussicht besteht, daß ein Krieg endet, schürt man die Flammen des nächsten. Keiner dieser Konflikte ist eine Sache für sich. „Man kann diese Krisen nicht einzeln betrachten“, sagte Zepp-LaRouche in ihrem internationalen Internetforum vom 3. Dezember. „Man muß über die zugrunde liegenden Axiome nachdenken und diese Denkfehler korrigieren, wenn man eine Katastrophe vermeiden will.“
Es gebe daher nur einen Ansatz, um nicht nur einen, sondern alle Konflikte zu beenden: „Wir brauchen ein anderes Konzept. Deshalb trete ich seit Beginn der sogenannten Sondermilitäroperation in der Ukraine für die Idee ein, daß wir eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur brauchen, die unbedingt die Interessen jedes einzelnen Landes auf dem Planeten berücksichtigen muß. Deshalb hat der Westfälische Frieden funktioniert; deshalb hat Versailles nicht funktioniert, weil in den Verhandlungen von Versailles und im Pariser Vertrag von 1919 die Sowjetunion, China und Deutschland ausgeschlossen wurden und es daher nur ein Sprungbrett zum Zweiten Weltkrieg war. Wenn wir etwas aus der Geschichte gelernt haben, dann sollten wir verstehen, daß es nur eine inklusive Sicherheit für alle geben kann, sonst wird es für niemanden Sicherheit geben.“
Um dieses andere Konzept durchzusetzen, muß sich die Bevölkerung dafür engagieren. Schon am 26. November hatte Zepp-LaRouche daher an die Zuschauer ihres Live-Dialogs und insbesondere an die jungen Organisatoren der Protestaktionen gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht am 5. Dezember appelliert: „Organisiert also maximale Unterstützung und nehmt auch Kontakt mit Jugendlichen aus anderen Ländern auf, denn das ist nicht nur eine Frage für Deutschland. Die Idee, daß die Jugend Nein zu diesem Krieg sagen muß, ist meiner Meinung nach die größte Hoffnung, diesen Wahnsinn überhaupt zu stoppen.“
Den Text eines Flugblatts, das bei diesen Protestaktionen verteilt wurde, finden Sie hier.
Anmerkungen
1. Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur,
Helga Zepp-LaRouche, Schiller-Institut.
2. BDI zu Industriebericht: Wirtschaftsstandort im freien Fall – Bundesregierung reagiert nicht entschlossen genug,
Internetseite des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
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